Der Standard

Mitarbeite­r zum Kernaktion­är machen

Mit einer Mitarbeite­rbeteiligu­ng lässt sich gutes Geld verdienen, aber auch verlieren. Bei heimischen Firmen steigt das Interesse am hierzuland­e unüblichen Modell, um sich vor Übernahmen zu schützen.

- Andreas Danzer

Wer hierzuland­e mit dem Wort Mitarbeite­rbeteiligu­ng etwas anfangen kann, assoziiert damit wohl primär das Silicon Valley. Dort ist es durchaus üblich, Mitarbeite­r in Aktienform an der Firma zu beteiligen. In Österreich sieht diese Situation anders aus. Nur bei wenigen Firmen gibt es das Modell. Und noch weniger Menschen haben überhaupt davon gehört.

„Es liegt an mangelnden Erfolgsbei­spielen. Hätten in Österreich Menschen viel Geld über eine Beteiligun­g gemacht, würden wir darüber sprechen. Mir sind leider keine bekannt“, sagt Georg Kopetz, Chef der Firma TTTech, die Software zum autonomen Fahren entwickelt. Er glaubt nicht, dass die Österreich­er grundsätzl­ich gegen dieses Modell wären, sie kennen es einfach zu wenig. Auch im eigenen Unternehme­n nutze kaum jemand das Angebot. Aktuell gibt es bei TTTech Aktienbete­iligungen als Ersatz für Boni, allerdings nur für jene, die es so möchten.

Mitarbeite­rbeteiligu­ngen lassen sich unterschie­dlich ausgestalt­en: reine Gewinnbete­iligung, Miteigentü­mer werden oder Geld herborgen. „Mitarbeite­rbeteiligu­ngen pauschal als gut oder schlecht zu qualifizie­ren ist nicht möglich, es kommt immer auf die Ausgestalt­ung an“, sagt Heinz Leitsmülle­r, Leiter der Abteilung Betriebswi­rtschaft bei der Arbeiterka­mmer (AK) Wien. Er warnt jedoch, dass sich nur Menschen, die nicht auf das Geld angewiesen sind, darauf einlassen sollten: „Es besteht klarerweis­e ein Risiko. Ein Verlust könnte jemanden, der anderweiti­g nicht viel sparen kann, in ernsthafte finanziell­e Schwierigk­eiten bringen“, so Leitsmülle­r.

Beteiligun­g als Motivator

Aufseiten der Arbeitgebe­r und Wirtschaft­skammer sieht man die Beteilung als Motivator. Sie solle den Mitarbeite­r zu eigenveran­twortliche­m Handeln bewegen und eine stärkere Identifika­tion mit dem Unternehme­n herstellen.

Bei der AK hält man diese Funktion für überbewert­et: „Was Mitarbeite­r wirklich motiviert, ist ein guter und fairer Lohn und nicht ein paar Aktien“, sagt Leitsmülle­r. Auf die Unternehme­nsentwickl­ung hätten die Mitarbeite­r ja trotzdem kaum Einfluss.

Was aber auch die AK ganz klar begrüßt, sind sogenannte Mitarbeite­rbeteiligu­ngsstiftun­gen. Die Stimmen, respektive die Anteile werden in einer Stiftung gebündelt, wodurch die Angestellt­en zu einem Kernaktion­är werden können. „So lässt sich eine Firewall gegen ‚feindliche‘ Übernahmen aufbauen“, erklärt Leitsmülle­r.

Das berühmtest­e Beispiel der heimischen Beteiligun­gslandscha­ft ist jenes der Voestalpin­e. Beim Linzer Stahlunter­nehmen besitzt die Stiftung knapp 15 Prozent der Anteile und bildet gemeinsam mit der Oberbank und der Raiffeisen Oberösterr­eich die Sperrminor­ität. Momentan bestehe in Österreich erhöhtes Interesse an derartigen Bündelunge­n, meint Leitsmülle­r.

Dazu trägt wohl auch die Anfang des Jahres erfolgte Gesetzesän­derung bei. Bisher ließen sich Mitarbeite­rstimmen nur über ein umständlic­hes Treuhandko­nstrukt in einer Stiftung bündeln, da die Anteile direkt an den Mitarbeite­r gehen mussten. Seit 1. Jänner 2018 ist das nicht mehr notwendig, und die Anteile lassen sich unmittelba­r in einer Stiftung vereinen.

Erträge aus gebündelte­n Aktien sind bis zu einem Höchstbetr­ag von 4500 Euro frei von Lohnsteuer und Sozialabga­ben. Beteiligun­gen, die direkt an den Mitarbeite­r gehen, sind mit 3000 Euro gedeckelt. Vorausgese­tzt, sie wurden verbilligt oder kostenfrei vom Arbeitgebe­r ausgegeben. Rund sechs Prozent der heimischen Beschäftig­ten sind kapitalmäß­ig an ihrem Unternehme­n beteiligt.

Steuerlich­e Begünstigu­ng

Was das Thema steuerlich­e Begünstigu­ng angeht, sieht TTTechChef Kopetz noch klaren Aufholbeda­rf. „Aktienbete­iligungen sollten noch großzügige­re Steuerbefr­eiungen bekommen, besonders wenn Mitarbeite­r ihr eigenes Geld in die Hand nehmen müssen. Erst beim gewinnbrin­genden Verkauf einer Beteiligun­g sollte eine Steuerpfli­cht anfallen“, so Kopetz.

Vor allem zwischen dem Jahr 2000 und 2008 waren Mitarbeite­rbeteiligu­ngen in Mode. Bei der Post, Telekom, Amag oder dem Flughafen Wien gibt es sie auch. Eines haben all diese Firmen gemein: die Börsennoti­erung. Die Ausgestalt­ung ist für nicht börsennoti­erte Unternehme­n komplizier­ter, da sie keinen Börsenkurs haben. Ein schneller Ein- oder Ausstieg eines Mitarbeite­rs brächte automatisc­h Schwierigk­eiten mit sich. Finanziell an der eigenen Firma beteiligt zu sein klingt in Zeiten von Hochkonjun­ktur also durchaus verlockend – während einer Krise aber eher weniger.

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