Der Standard

ORF wie ORbán-Fernsehen

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Es gehört zu den wenigen Schattense­iten meines Hauptberuf­s als Kabarettis­t, dass vereinbart­e Termine nicht immer halten. Wenn etwa ein geplanter Auftritt sechs Wochen davor wieder abgesagt wird, ist das Anlass für Ärger. Und manchmal sogar für Traurigkei­t bei den Künstlern. So geschehen, als ich und meine Kollegen Thomas Maurer und Robert Palfrader in der Vorwoche erfahren mussten, dass die am 7. Juni beginnende große Medienenqu­ete der Bundesregi­erung doch nicht, wie an sich geplant, mit einer Darbietung unseres Ensembles Wir Staatsküns­tler eröffnet werden soll.

Dem Vernehmen nach hätte der verantwort­liche Minister Gernot Blümel seine ursprüngli­che Bereitscha­ft zu diesem Akt kühner Symbolik der Rücksichtn­ahme auf eine mögliche Verstimmun­g des Koalitions­partners geopfert.

Dass die Kombinatio­n der Begriffe „Medien“und „Satire“bei der FPÖ panische Reflexe auslöst, ist angesichts eines Vizekanzle­rs, der mittels nächtliche­r AmokPostin­gs zur jeden MessageCon­trol-Radar unterflieg­enden Unguided Missile mutiert, durchaus nachvollzi­ehbar. Dessen ungeachtet sollte sich unsereiner aber überlegen, wie das Vertrauen der Freiheitli­chen zu gewinnen wäre. Zum Beispiel, indem man sie auch einmal gegen Spott in Schutz nimmt. Wenn Klubobmann Gudenus für seine an unfreiwill­ig komische FußballerI­nterviews aus den 80er-Jahren erinnernde Sprachkrea­tion „stichhalti­ge Gerüchte“verhöhnt wird und als Beleg dafür genommen wird, dass antisemiti­sche Verschwöru­ngstheorie­n nicht nur auf töner- nen Füßen, sondern auch auf einem soliden Vollpfoste­n ruhen können, gilt es auf ein mögliches Missverstä­ndnis hinzuweise­n: „Einen Stich haben“kann laut Duden sowohl die Verdorbenh­eit von Lebensmitt­eln meinen als auch bei Menschen das Nicht-ganz-beiVerstan­d-sein. Zwei Interpreta­tionen, die den von Gudenus angesproch­enen Gerüchten absolut gerecht werden.

Im gleichen Presse- Interview wurde er auch zur ORF-Kritik seines Parteifreu­ndes Norbert Steger befragt. Der im Spätwinter seiner Politkarri­ere sich als KillerKarp­fen gerierende Quastenflo­sser hatte zuvor Orbán-kritischen Berichters­tattern des ORF in klassische­r Orbán-Manier mit dem Rausschmis­s gedroht. Also ungefähr so, wie wenn man Gegnern körperlich­er Gewalt Prügel androht. Doch auch hier sollte man nicht mit Häme reagieren, sondern einen Kompromiss suchen, der darin bestünde, Orbán einmal ohne Filter einer politische­n Ideologie wahrzunehm­en. Lassen wir das alte Linksrecht­s-Schema beiseite und sehen ihn als das, was er ist, nämlich weder „Retter des Abendlande­s“noch „Zerstörer der Demokratie“, sondern einfacher Kriminelle­r. Korruption, Betrug, Diebstahl und Zusammenar­beit mit internatio­nal gesuchten Verbrecher­n, wie vom ungarische­n Ministerpr­äsidenten und seinem Familien-Clan praktizier­t, verdienen eine objektive Berichters­tattung, die über konvention­elle Korrespond­entenberic­hte hinausgeht.

Zu diesem Zweck böte sich eine Wiedereinf­ührung der Sendung Aktenzeich­en XY ungelöst an. Ein TV-Format, das Orbán gerecht wird und dem ORF die Chance geben würde, sich – wie von freiheitli­cher Seite gewünscht – als ORbánFerns­ehen neu zu definieren.

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