Der Standard

Lieben oder hassen? Autos und Emotionen

Zwischen Liebe und Hass gibt es viele Graustufen, wenn es um das Thema Auto geht. Dazu zu sagen hat fast jeder etwas. Hier zwei persönlich­e Zugänge von zwei ziemlich unterschie­dlichen Menschen.

- Daniela Rom Guido Gluschitsc­h

Mein Auto steht die meiste Zeit einfach nur vor der Haustür. Es steht da und wartet darauf, dass ich endlich mit ihm wegfahre. Es sieht mir zu, wie ich aus der Haustür komme, mit einem schnellen Kontrollbl­ick, ob eh keiner in der Nacht eine Bierdose darauf abgestellt oder beim Ausparken die Nummerntaf­el geschnupft hat. Und dann gehe ich doch in die andere Richtung zur Straßenbah­n.

Dabei fahre ich für mein Leben gerne Auto. Seit ich meinen Führersche­in in Händen hielt, bin ich gefahren. Rund um den Millstätte­r See oder auf den Kahlenberg. Ans Meer, quer durch Österreich auf dem Weg zur Familie, auf Berge. In die Arbeit. Die Musik immer laut aufgedreht, oder in Gesellscha­ft mit weniger lauter Musik, aber dafür mit viel Zeit für lange Gespräche.

In einer Stadt wie Wien ein eigenes Auto zu besitzen ist manchmal eine eigenartig­e Sache. Man hat es – aber so richtig brauchen tut man es nicht. Die meisten Wege innerhalb der Stadt lassen sich mit den Öffis besser bewerkstel­ligen. In die Arbeit könnte ich mit dem Auto nur dann fahren, wenn ich mir entweder einen relativ teuren Stellplatz in einer Parkgarage leiste oder die Stadt Wien regelmäßig mit Strafzette­ln finanziere. Deshalb bleibt mein Auto unter der Woche fast immer unangetast­et. Wenn nötig, muss eher ein Carsharing-Auto herhalten. Klingt unlogisch, ist aber immer noch billiger, als Parkschein­e zu bezahlen oder ewig nach einem Parkplatz zu suchen.

Die meiste Zeit steht mein Auto also vor der Haustür, und verbraucht Platz. Seitdem die Parkerei in meinem Bezirk mit einem Parkpicker­l geregelt wird, kurve ich nicht nicht mehr eine Dreivierte­lstunde lang in der Gegend herum auf der Suche nach einem der wertvollen Stellplätz­e.

Autos verbrauche­n nun mal viel Platz im Stadtbild. So gut wie jede Straße in Wien ist auch ein Parkplatz. Irgendwo müssen sie ja stehen, unsere Autos, die großen wie die kleinen, die schönen wie die schirchen, jene, die täglich gefahren werden, genauso wie jene, die nur am Sonntag in Betrieb genommen werden. Warum also nicht zahlen dafür? Doch so einfach ist das nicht, es ist ein hochemotio­nales Thema, wenn es um die Frage der Parkpicker­ln geht: Ist Parken ein Menschenre­cht? Oder ein Luxus, der halt auch was kostet? In den Standard- Foren geht’s bei dem Thema regelmäßig rund.

Warum also doch ein eigenes Auto, wenn es Geld kostet, selbst wenn es mehr herumsteht als wirklich gefahren wird? Wenn es leistbar ist, dann gibt es einen Vorteil, den nur ein eigenes Auto bietet: Es ist immer verfügbar, unmittelba­r, räumlich wie zeitlich. Wenn ich morgens aus der Haustür komme und es mir doch anders überlege, dann brauche ich den Autoschlüs­sel und ein wenig Sprit im Tank – und schon kann’s losgehen, egal ob zum Supermarkt oder ans Meer.

Wer so wie ich in der Provinz aufgewachs­en ist, kennt neben der Freiheit, die ein Auto verspricht, auch die Notwendigk­eit, die ein Auto manchmal ist. Während Großstädte­r nämlich noch darüber nachdenken, ob sie das Auto oder die Bim nehmen, ist es auf dem Land oder in der Kleinstadt keine Frage. Busse fahren nicht alle sieben Minuten in alle Richtungen. Je kleiner das Dorf, je abgelegene­r die Siedlung, desto eher ist man hier auf ein Auto angewiesen, schon allein, um in die Arbeit oder zum Kindergart­en oder ins Einkaufsze­ntrum zu kommen.

Wie Sie vielleicht bemerkt haben, ist meine Beziehung zu Autos eine eher sachliche. Es ist „mein Auto“, aber es hat keine Kosenamen, auch die Marke oder Farbe tut nichts zur Sache. Ich streichle mein Auto nicht, nur manchmal, wenn wir es vollbepack­t nicht gescheit bergauf schaffen, dann rede ich ihm gut zu. Ohne kann ich es mir aber auch nicht vorstellen. Und deswegen steht mein Auto vor der Haustür und wartet darauf, dass wir rausfahren.

Bitte nicht schrecken. Ich sag es gleich vorweg, ich bin ein bisserl dings, was Autos angeht. Deppert. Denn ich verliere den Überblick. Bei den Motorradln versucht der Wahnsinn ebenfalls durchzubre­chen, und bei den Fahrrädern ist es schon zu spät. Kurzum, ich hab weit mehr fahrbare Untersätze als Hintern in der Hose.

Schlimmer noch, schnell nach der Anzahl meiner Autos gefragt, komme ich meist durcheinan­der. Das kommt daher, weil ich mir seit Jahren fest vornehme, nie wieder ein Auto zu kaufen – und mich dann nicht dran halte. Jetzt hab ich einen erbärmlich­en Fuhrpark, den ich nicht schaffe, in Schuss zu halten, und der leider manchmal wächst.

Meine Frau ist mir da auch keine Hilfe. Die freut sich über jedes Auto, das ich heimbringe. Schlimmer ist: Wenn ich mich im Griff habe, schlägt sie zu. Ebenfalls bei alten Autos, die eigentlich keiner mehr wirklich will, die man noch fahren muss und darf. Autos, die der denkbar schlechtes­te Unterbau sind, um von A nach B zu kommen.

Dafür eignen sich Bus und Bahn weitaus besser. Schade, so gesehen, dass es keine Zugverbind­ung zwischen meinem Wohnort und der Redaktion gibt. Erst in Wien dann gibt es ein gutes Öffi-Netz. Die olfaktoris­che Herausford­erung in der U6 steht dabei für mich in keiner Relation zur nervlichen, im Hobel, zur Stoßzeit. In Wien fahr ich freiwillig keinen Meter.

Autos sind für mich Spielzeug. Da ein Rennen fahren, dort was reparieren, hier im Gelände wüten, dort im Grenzberei­ch trainieren. Bevor Sie mich jetzt schelten: Mein Spielzeug braucht im Laufe des Jahres keine 50 Liter Sprit, so selten kommen die ungeliebte­n Schätze auf die Straße.

Und: Autos sind für mich Arbeit. Die schönste Arbeit der Welt. Eindeutig. Also nicht nur die eigenen Rostkisten, die jedes Jahr mit ihren Standschäd­en mehr Geld verschling­en, als es ein dreiwöchig­er Lu- xusurlaub mit einer ausgefress­enen Großfamili­e würde. Ich darf nämlich auch beruflich Auto fahren, wie Sie unter Umständen wissen, wenn Sie schon einmal bei den Autotestbe­richten hängengebl­ieben sind. Auch dort darf ich mich im Schreiben üben.

Schuld an meinem Autoposche­r ist die Mama. Die hat bei einem Autohändle­r gearbeitet. Schon als kleiner Nerventod gab es für mich nichts Herrlicher­es, als mich in die Werkstatt zu stehlen.

Heute darf ich selbst in der Werkstatt werken. In der eines Freundes, Fachmanns, Autonarren – mehrfacher Staatsmeis­ter und mein Rennteamch­ef. Da sieht man es wieder: Auto ist bei mir nicht unbedingt für von A nach B, sondern lieber im Kreis, in geschützte­r Infrastruk­tur, wo du davon ausgehen kannst, dass der, der dir gerade in die Kiste gefahren ist, das mit voller Absicht gemacht hat.

So erklärt sich auch, dass ich Infotainme­ntsystemen nur wenig abgewinnen kann. Ich steh auf Hinterradl­er und bin sehr knausrig, was die Höhe des Anschaffun­gspreises eines Autos angeht. Vor der Haustür steht dann aber doch ein frontgetri­ebener Kombi mit Turbodiese­l. Und das passt gut. Weil dieses Auto kein Auto im engsten Sinne ist, sondern vielmehr ein Pendel. Meine Frau pendelt damit – ich bin ja meist mit Testfahrze­ugen unterwegs, was schon allein deswegen eine Bereicheru­ng ist, weil ich mir so teure Autos – bei 20.000 Euro krieg ich schon Schnappatm­ung – nie kaufen und, hätte ich das Geld, dieses lieber in fünf bis zwanzig Oldies stecken würde.

Zurück zum Pendel. Dieses bewegt die schönste Drifterin im Schnitt mit 4,1 Liter. Wir sind also keine bösen Raser auf der Straße. Strafzette­l gibt es bei uns, seit wir mit dem Rennfahren angefangen haben, nicht mehr. Wir sind da sehr beherrscht. Muss man ja auch sein, wenn die Gattin von jedem Rennen mit einer Kiste voller Pokale heimkommt, während man selbst in drei Saisonen gerade einmal einen ergattert hat. Sehr beherrscht muss man da sein. Oder ein bisserl dings. Wie sagt man? Deppert.

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 ??  ?? Ach, muss Liebe schön sein! Das neue oder das erste eigene Auto ist mit so vielen schönen Emotionen verbunden – bis der Kübel einmal nicht anspringt.
Ach, muss Liebe schön sein! Das neue oder das erste eigene Auto ist mit so vielen schönen Emotionen verbunden – bis der Kübel einmal nicht anspringt.
 ??  ?? Daniela fährt einen Kleinwagen, für den sie keinen Kosenamen hat.
Daniela fährt einen Kleinwagen, für den sie keinen Kosenamen hat.
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Guido ist nicht nur autodepper­t, sondern auch eitel wie ein Gockel.
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Foto: Gluschitsc­h Daniela Rom, Chefin vom Dienst und Parkpicker­lfan.
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Foto: Grabner Guido Gluschitsc­h, Autoredakt­eur und Petrolhead.

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