Lieben oder hassen? Autos und Emotionen
Zwischen Liebe und Hass gibt es viele Graustufen, wenn es um das Thema Auto geht. Dazu zu sagen hat fast jeder etwas. Hier zwei persönliche Zugänge von zwei ziemlich unterschiedlichen Menschen.
Mein Auto steht die meiste Zeit einfach nur vor der Haustür. Es steht da und wartet darauf, dass ich endlich mit ihm wegfahre. Es sieht mir zu, wie ich aus der Haustür komme, mit einem schnellen Kontrollblick, ob eh keiner in der Nacht eine Bierdose darauf abgestellt oder beim Ausparken die Nummerntafel geschnupft hat. Und dann gehe ich doch in die andere Richtung zur Straßenbahn.
Dabei fahre ich für mein Leben gerne Auto. Seit ich meinen Führerschein in Händen hielt, bin ich gefahren. Rund um den Millstätter See oder auf den Kahlenberg. Ans Meer, quer durch Österreich auf dem Weg zur Familie, auf Berge. In die Arbeit. Die Musik immer laut aufgedreht, oder in Gesellschaft mit weniger lauter Musik, aber dafür mit viel Zeit für lange Gespräche.
In einer Stadt wie Wien ein eigenes Auto zu besitzen ist manchmal eine eigenartige Sache. Man hat es – aber so richtig brauchen tut man es nicht. Die meisten Wege innerhalb der Stadt lassen sich mit den Öffis besser bewerkstelligen. In die Arbeit könnte ich mit dem Auto nur dann fahren, wenn ich mir entweder einen relativ teuren Stellplatz in einer Parkgarage leiste oder die Stadt Wien regelmäßig mit Strafzetteln finanziere. Deshalb bleibt mein Auto unter der Woche fast immer unangetastet. Wenn nötig, muss eher ein Carsharing-Auto herhalten. Klingt unlogisch, ist aber immer noch billiger, als Parkscheine zu bezahlen oder ewig nach einem Parkplatz zu suchen.
Die meiste Zeit steht mein Auto also vor der Haustür, und verbraucht Platz. Seitdem die Parkerei in meinem Bezirk mit einem Parkpickerl geregelt wird, kurve ich nicht nicht mehr eine Dreiviertelstunde lang in der Gegend herum auf der Suche nach einem der wertvollen Stellplätze.
Autos verbrauchen nun mal viel Platz im Stadtbild. So gut wie jede Straße in Wien ist auch ein Parkplatz. Irgendwo müssen sie ja stehen, unsere Autos, die großen wie die kleinen, die schönen wie die schirchen, jene, die täglich gefahren werden, genauso wie jene, die nur am Sonntag in Betrieb genommen werden. Warum also nicht zahlen dafür? Doch so einfach ist das nicht, es ist ein hochemotionales Thema, wenn es um die Frage der Parkpickerln geht: Ist Parken ein Menschenrecht? Oder ein Luxus, der halt auch was kostet? In den Standard- Foren geht’s bei dem Thema regelmäßig rund.
Warum also doch ein eigenes Auto, wenn es Geld kostet, selbst wenn es mehr herumsteht als wirklich gefahren wird? Wenn es leistbar ist, dann gibt es einen Vorteil, den nur ein eigenes Auto bietet: Es ist immer verfügbar, unmittelbar, räumlich wie zeitlich. Wenn ich morgens aus der Haustür komme und es mir doch anders überlege, dann brauche ich den Autoschlüssel und ein wenig Sprit im Tank – und schon kann’s losgehen, egal ob zum Supermarkt oder ans Meer.
Wer so wie ich in der Provinz aufgewachsen ist, kennt neben der Freiheit, die ein Auto verspricht, auch die Notwendigkeit, die ein Auto manchmal ist. Während Großstädter nämlich noch darüber nachdenken, ob sie das Auto oder die Bim nehmen, ist es auf dem Land oder in der Kleinstadt keine Frage. Busse fahren nicht alle sieben Minuten in alle Richtungen. Je kleiner das Dorf, je abgelegener die Siedlung, desto eher ist man hier auf ein Auto angewiesen, schon allein, um in die Arbeit oder zum Kindergarten oder ins Einkaufszentrum zu kommen.
Wie Sie vielleicht bemerkt haben, ist meine Beziehung zu Autos eine eher sachliche. Es ist „mein Auto“, aber es hat keine Kosenamen, auch die Marke oder Farbe tut nichts zur Sache. Ich streichle mein Auto nicht, nur manchmal, wenn wir es vollbepackt nicht gescheit bergauf schaffen, dann rede ich ihm gut zu. Ohne kann ich es mir aber auch nicht vorstellen. Und deswegen steht mein Auto vor der Haustür und wartet darauf, dass wir rausfahren.
Bitte nicht schrecken. Ich sag es gleich vorweg, ich bin ein bisserl dings, was Autos angeht. Deppert. Denn ich verliere den Überblick. Bei den Motorradln versucht der Wahnsinn ebenfalls durchzubrechen, und bei den Fahrrädern ist es schon zu spät. Kurzum, ich hab weit mehr fahrbare Untersätze als Hintern in der Hose.
Schlimmer noch, schnell nach der Anzahl meiner Autos gefragt, komme ich meist durcheinander. Das kommt daher, weil ich mir seit Jahren fest vornehme, nie wieder ein Auto zu kaufen – und mich dann nicht dran halte. Jetzt hab ich einen erbärmlichen Fuhrpark, den ich nicht schaffe, in Schuss zu halten, und der leider manchmal wächst.
Meine Frau ist mir da auch keine Hilfe. Die freut sich über jedes Auto, das ich heimbringe. Schlimmer ist: Wenn ich mich im Griff habe, schlägt sie zu. Ebenfalls bei alten Autos, die eigentlich keiner mehr wirklich will, die man noch fahren muss und darf. Autos, die der denkbar schlechteste Unterbau sind, um von A nach B zu kommen.
Dafür eignen sich Bus und Bahn weitaus besser. Schade, so gesehen, dass es keine Zugverbindung zwischen meinem Wohnort und der Redaktion gibt. Erst in Wien dann gibt es ein gutes Öffi-Netz. Die olfaktorische Herausforderung in der U6 steht dabei für mich in keiner Relation zur nervlichen, im Hobel, zur Stoßzeit. In Wien fahr ich freiwillig keinen Meter.
Autos sind für mich Spielzeug. Da ein Rennen fahren, dort was reparieren, hier im Gelände wüten, dort im Grenzbereich trainieren. Bevor Sie mich jetzt schelten: Mein Spielzeug braucht im Laufe des Jahres keine 50 Liter Sprit, so selten kommen die ungeliebten Schätze auf die Straße.
Und: Autos sind für mich Arbeit. Die schönste Arbeit der Welt. Eindeutig. Also nicht nur die eigenen Rostkisten, die jedes Jahr mit ihren Standschäden mehr Geld verschlingen, als es ein dreiwöchiger Lu- xusurlaub mit einer ausgefressenen Großfamilie würde. Ich darf nämlich auch beruflich Auto fahren, wie Sie unter Umständen wissen, wenn Sie schon einmal bei den Autotestberichten hängengeblieben sind. Auch dort darf ich mich im Schreiben üben.
Schuld an meinem Autoposcher ist die Mama. Die hat bei einem Autohändler gearbeitet. Schon als kleiner Nerventod gab es für mich nichts Herrlicheres, als mich in die Werkstatt zu stehlen.
Heute darf ich selbst in der Werkstatt werken. In der eines Freundes, Fachmanns, Autonarren – mehrfacher Staatsmeister und mein Rennteamchef. Da sieht man es wieder: Auto ist bei mir nicht unbedingt für von A nach B, sondern lieber im Kreis, in geschützter Infrastruktur, wo du davon ausgehen kannst, dass der, der dir gerade in die Kiste gefahren ist, das mit voller Absicht gemacht hat.
So erklärt sich auch, dass ich Infotainmentsystemen nur wenig abgewinnen kann. Ich steh auf Hinterradler und bin sehr knausrig, was die Höhe des Anschaffungspreises eines Autos angeht. Vor der Haustür steht dann aber doch ein frontgetriebener Kombi mit Turbodiesel. Und das passt gut. Weil dieses Auto kein Auto im engsten Sinne ist, sondern vielmehr ein Pendel. Meine Frau pendelt damit – ich bin ja meist mit Testfahrzeugen unterwegs, was schon allein deswegen eine Bereicherung ist, weil ich mir so teure Autos – bei 20.000 Euro krieg ich schon Schnappatmung – nie kaufen und, hätte ich das Geld, dieses lieber in fünf bis zwanzig Oldies stecken würde.
Zurück zum Pendel. Dieses bewegt die schönste Drifterin im Schnitt mit 4,1 Liter. Wir sind also keine bösen Raser auf der Straße. Strafzettel gibt es bei uns, seit wir mit dem Rennfahren angefangen haben, nicht mehr. Wir sind da sehr beherrscht. Muss man ja auch sein, wenn die Gattin von jedem Rennen mit einer Kiste voller Pokale heimkommt, während man selbst in drei Saisonen gerade einmal einen ergattert hat. Sehr beherrscht muss man da sein. Oder ein bisserl dings. Wie sagt man? Deppert.