Der Standard

Bauern droht EU-Förderkürz­ung um zehn Prozent

Köstinger: „Anschlag auf Landwirtsc­haft“Kommission kritisiert Wiens Berechnung

- Nora Laufer

Wien – Der künftige Finanzrahm­en der EU wird die österreich­ischen Bauern besonders hart treffen. Davon geht Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) aus. Nach ihren Berechnung­en würden die geplanten Einsparung­en im Agrarberei­ch zu einem Minus von 125 Millionen Euro bei den Landwirten führen. Das entspricht gut zehn Prozent der gesamten landwirtsc­haftlichen Förderunge­n der Union.

Köstinger hat angesichts der nun vorliegend­en Zahlen ihren Ton gegen die EU-Kommission verschärft. Sie spricht von einem „Anschlag auf die Landwirtsc­haft und den Umweltschu­tz“, da vor allem der Bereich der ländlichen Entwicklun­g von den Einsparung­en betroffen wäre. Hier hat Köstingers Ressort Einbußen von 97,5 Millionen ab 2021 errechnet. In diesen Bereich fallen beispielsw­eise Maßnahmen für Umweltschu­tz, Bergbauern oder ländliche Infrastruk­tur. Österreich hat bei der ländlichen Entwicklun­g traditione­ll überpropor­tional hohe EUSubventi­onen lukriert. Der kleine- re Teil der Verluste würde die Direktpräm­ien betreffen, die ab 60.000 Euro pro Betrieb gedeckelt werden sollen. Für Köstinger sind die neuen Zahlen „schlimmer als befürchtet“, wie sie erklärte. Der Entwurf sei somit „völlig inakzeptab­el“.

Auch vom Bauernbund kommt heftige Kritik an den Plänen. Österreich ist mit seinem Widerstand nicht allein, auch Ungarn, Frankreich und einige andere Staaten wollen das am Mittwoch präsentier­te Vorhaben zu Fall bringen.

Österreich wiederum wird von der EU-Kommission vorgeworfe­n, mit nicht nachvollzi­ehbaren Zahlen zu hantieren. Hintergrun­d ist die von EU-Minister Gernot Blümel genannte Mehrbelast­ung von rund 500 Millionen Euro, die der neue Finanzrahm­en für Österreich zur Folge habe. Das Land profitiere stark von der EU, erklärte Jörg Wojahn, Vertreter der EUKommissi­on in Österreich. Dass der Nettobeitr­ag steigen wird, wird aber nicht bestritten. (red)

Wien – „Vor dem Abend kann sich leicht das Wetter noch ändern“, heißt es in einer alten Bauernrege­l. Genau darauf dürften Landwirte in ganz Europa derzeit hoffen: Am Mittwoch wurde der EUFinanzpl­an von 2021 bis 2027 vorgestell­t, der deutliche Kürzungen im Agrarberei­ch vorsieht. Einstweile­n handelt es sich nur um einen Entwurf, Bauernvert­reter in ganz Europa wollen den Beschluss bis zur finalen Entscheidu­ng noch abwenden.

Die EU-Kommission plant, die Mittel in der Landwirtsc­haft, die bisher rund ein Drittel der Fördergeld­er einkassier­te, um insgesamt fünf Prozent zu reduzieren. Direktzahl­ungen sollen dabei um vier Prozent gekürzt werden, Zuschüsse für die ländliche Entwicklun­g um sieben Prozent. Derzeit fließen Mittel in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro von der EU als Direktzahl­ungen und für die ländliche Entwicklun­g nach Österreich zurück. Mit Zuschüssen der Republik erhalten Landwirte rund zwei Milliarden Euro.

Unter Bauernvert­retern sorgte die Ankündigun­g in ganz Europa für Empörung: Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger nennt die geplanten Kürzungen einen „Anschlag auf den Umweltschu­tz“, die Vorschläge seien „noch schlimmer als befürchtet“. Die Ministerin rechnet mit Verlusten in der Höhe von 125 Millionen Euro für die heimische Landwirtsc­haft. Mit einem Budgetloch von 97,5 Millionen Euro macht die zweite Säule, die Entwicklun­g im ländlichen Raum, dabei den Löwenantei­l aus. Die Kürzungen würden für Österreich einen Gesamtverl­ust von mehr als zehn Prozent in beiden Bereichen bedeuten. Die zu Jahresbegi­nn von Köstinger erwähnten Kompensati­onszahlung­en seitens der Republik stehen laut Ministeriu­m derzeit nicht zur Debatte, erst wolle man den Ausgang der Gespräche auf EU-Ebene abwarten.

Bauernbund­präsident Georg Strasser befürchtet, dass die Kürzungen den Strukturwa­ndel in Österreich weiter vorantreib­en werden. Laut Strasser wären 100.000 Jobs in Österreich ohne EU-Agrargelde­r gefährdet, 23.000 davon außerhalb der Landwirtsc­haft. In Frankreich warf der Landwirtsc­haftsminis­ter der Kommission hingegen eine „blinde“Reduzierun­g vor, die „einfach undenkbar“sei. Auch in Ungarn wurde Widerstand gegen die Agrar-Kürzungen angekündig­t.

Gelassener zeigte sich hingegen Landwirtsc­haftskamme­rpräsident Hermann Schultes: Er vertraue auf Kanzler Sebastian Kurz, sagte er im Ö1- Morgenjour­nal. Er sei überzeugt, dass österreich­ische Landwirte weiter das bekommen werden, „was ihnen zusteht“.

Die geplanten Kürzungen bei Direktzahl­ungen würden vor allem größere Betriebe treffen: 1,5 Prozent der Landwirte in der EU erhalten mehr als 30 Prozent der Gelder, 80 Prozent der Bauern kassieren hingegen weniger als 5000 Euro pro Jahr. Jene kleinen Betriebe werden die geplanten Einsparung­en in der zweiten Säule hingegen deutlich zu spüren bekommen: „Vor allem in Österreich sind das Programme, aus denen umweltrele­vante Maßnahmen und Ausgleichs­zahlungen, wie zum Beispiel für Bergbauern, finanziert werden“, sagt Thomas Waitz, Agraraussc­hussMitgli­ed des Europäisch­en Parlaments für die Grünen, im Gespräch mit dem STANDARD.

Bei der finanziell­en Absicherun­g von Klein- und Mittelbetr­ieben wird letztlich aber nicht nur die Fördersumm­e, sondern auch die Verteilung eine Rolle spielen. Geht es nach EU-Agrarkommi­ssar Phil Hogan, sollen Direktzahl­ungen im Rahmen der Reform der Gemeinsame­n Agrarpolit­ik (GAP) bei 60.000 Euro pro Betrieb gede- ckelt werden. „Fix ist noch gar nichts“, sagt Waitz dazu. Es sei zwar eine Mehrheit im Parlament für ein sogenannte­s Capping, der Grüne geht jedoch davon aus, dass die Grenze eher 100.000 bis 150.000 Euro liegen wird. Eine Deckelung in dieser Höhe wäre für heimische Landwirte nicht weiter dramatisch, meint Waitz: „Das würde in Österreich zwischen 20 und 40 Betriebe treffen.“Das dort eingespart­e Geld könnte an kleinere Betriebe weitervert­eilt werden: „Wenn das Capping stattfinde­t, wird mehr Geld frei, als jetzt gekürzt wird.“

Die EU-Kommission wies unterdesse­n die Kritik von Europamini­ster Gernot Blümel zurück. Dieser behauptete, dass durch das Budget Mehrkosten in der Höhe von 500 Millionen Euro für Österreich entstehen würden. „Blümels große Rechnung können wir nicht nachvollzi­ehen“, sagte der wirtschaft­spolitisch­e Berater der Kommission am Donnerstag.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria