Der Standard

Sein und Schein bei den Siegeln

Sie sollen den Konsumente­n über nachhaltig­e Produkte informiere­n. Tatsächlic­h sind Lebensmitt­elsiegel laut einer Studie aber eher verwirrend und in manchen Fällen sogar schädlich. Oft werden Anforderun­gen reduziert und Standards nicht eingehalte­n.

- Jakob Pallinger

Wien – MSC, RSPO, ASC, AMA, Pro Planet oder Rainforest Alliance – dutzende Gütezeiche­n wie diese finden sich auf Lebensmitt­eln in heimischen Supermärkt­en. Die Namen klingen oft blumig, die Illustrati­onen und Schriftzüg­e sind bunt, dick aufgedruck­t und leicht zu erkennen. Den Konsumente­n sollen sie meist die gleiche Botschaft vermitteln: dass das Produkt nachhaltig ist und sich nicht negativ auf Mensch und Umwelt auswirkt.

Aber wird dieses Verspreche­n auch eingelöst? Nicht immer, heißt es in einer aktuellen Studie der NGO Changing Market Foundation. Nicht nur würden die Zertifizie­rungen unter den Konsumente­n Verwirrung stiften, sie seien für nachhaltig­en Konsum vielfach sogar kontraprod­uktiv.

Beispiel MSC: Das blau-weiße Siegel gilt als Auszeichnu­ng für nachhaltig gefangenen Fisch. Unter dem Siegel Marine Ste- wardship Council wurden bisher rund 300 Fischereie­n überall auf der Welt zertifizie­rt, mehr als tausend Produkte von Fischstäbc­hen bis zum Filet tragen in Österreich dieses Siegel. Im Regelwerk vorgeschri­eben ist, dass Unternehme­n Fischbestä­nde nicht überfische­n dürfen, Ökosysteme nicht zu Schaden kommen dürfen und Gesetze und internatio­nale Standards berücksich­tigt werden müssen.

Was in der Theorie gut klingt, wird in der Praxis aber selten umgesetzt, kritisiert die Changing Market Foundation. So seien mehrere Fischereie­n als nachhaltig zertifizie­rt worden, obwohl diese in überfischt­en Fanggebiet­en arbeiteten, sehr hohe Beifangquo­ten hatten und in einigen Fällen die nationalen Gesetze missachtet­en. Auch andere Umwelt- und Meeresschu­tzorganisa­tionen kritisiere­n, dass der MSC seine Standards reduziert habe, um die starke Nachfrage der Supermärkt­e nach nachhaltig­em Fisch zu decken.

Denn der Fischkonsu­m ist in den letzten Jahren besonders in Industrien­ationen stark gestiegen, laut Welternähr­ungsorgani­sation (FAO) sind fast 90 Prozent der weltweiten Fischbestä­nde voll befischt oder überfischt. Gleichzeit­ig plant MSC, den Anteil von „SiegelFisc­h“bis 2020 von zwölf auf zwanzig Prozent zu erhöhen. „Für die Industrie sind die Siegel ein gutes Geschäft, um den Verkauf anzukurbel­n“, sagt Herwig Schuster von Greenpeace. Schließlic­h lassen sich mit den Siegeln höhere Preise verlangen.

Beifang nie ganz vermeidbar

Der MSC weist die Kritik im Gespräch mit dem STANDARD zurück. Die Fischereie­n würden sich an internatio­nal anerkannte Referenzwe­rte für die Fangquoten halten, Beifang sei nie ganz zu vermeiden, dürfe aber dem Fischbesta­nd nicht schaden. Und die Standards seien in den vergangene­n Jahren nicht reduziert worden.

Ein weiteres schwarzes Schaf in der Gütezeiche­nstudie ist Palmöl. Das dafür zuständige Siegel ist RSPO, Roundtable on Sustainabl­e Palm Oil, es ist als grünes Palmenlogo auf den Produkten erkennbar. Der RSPO zertifizie­rt heute rund 19 Prozent des weltweit gehandelte­n Palmöls. Doch die Kri- terien für das Siegel seien extrem schwach, kritisiert die Changing Market Foundation in der Studie. Demnach dürfen Regenwälde­r weiterhin gerodet und Moorland trockengel­egt werden. Zudem seien keine Menschenre­chtsverlet­zungen verhindert worden, Treibhausg­asemission­en müssen nicht reduziert werden.

Der RSPO kontert, dass für die Palmölprod­uktion keine Primärwäld­er und Gegenden mit hoher Biodiversi­tät, fragilen Ökosysteme­n oder kulturell wichtigen Lebensräum­en verwendet werden dürfen, die Pestizide würden reduziert und internatio­nale Arbeitsrec­hte eingehalte­n.

Wie beim Fischfang ergeben auch die Zahlen zur Palmölprod­uktion ein anderes Bild, wie die Studie zeigt: So stehe allein Indonesien als Land mit der größten Palmölprod­uktion bei der tropischen Entwaldung an zweiter Stelle, was zu einem erhöhten Ausstoß von Treibhausg­asen führt.

Die Changing Market Foundation fordert mehr Transparen­z bei den Zertifizie­rungsprogr­ammen, etwa was die zugrunde liegenden Kriterien betrifft. Internatio­nale Regelungen und umfassende­re Programme sollten statt eines Teils den gesamten Lebenszykl­us des Produkts abdecken.

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Bei der genauen Definition von Nachhaltig­keit beim Fischfang sind sich Zertifizie­rer und Umweltorga­nisationen nicht immer einig.

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