Sein und Schein bei den Siegeln
Sie sollen den Konsumenten über nachhaltige Produkte informieren. Tatsächlich sind Lebensmittelsiegel laut einer Studie aber eher verwirrend und in manchen Fällen sogar schädlich. Oft werden Anforderungen reduziert und Standards nicht eingehalten.
Wien – MSC, RSPO, ASC, AMA, Pro Planet oder Rainforest Alliance – dutzende Gütezeichen wie diese finden sich auf Lebensmitteln in heimischen Supermärkten. Die Namen klingen oft blumig, die Illustrationen und Schriftzüge sind bunt, dick aufgedruckt und leicht zu erkennen. Den Konsumenten sollen sie meist die gleiche Botschaft vermitteln: dass das Produkt nachhaltig ist und sich nicht negativ auf Mensch und Umwelt auswirkt.
Aber wird dieses Versprechen auch eingelöst? Nicht immer, heißt es in einer aktuellen Studie der NGO Changing Market Foundation. Nicht nur würden die Zertifizierungen unter den Konsumenten Verwirrung stiften, sie seien für nachhaltigen Konsum vielfach sogar kontraproduktiv.
Beispiel MSC: Das blau-weiße Siegel gilt als Auszeichnung für nachhaltig gefangenen Fisch. Unter dem Siegel Marine Ste- wardship Council wurden bisher rund 300 Fischereien überall auf der Welt zertifiziert, mehr als tausend Produkte von Fischstäbchen bis zum Filet tragen in Österreich dieses Siegel. Im Regelwerk vorgeschrieben ist, dass Unternehmen Fischbestände nicht überfischen dürfen, Ökosysteme nicht zu Schaden kommen dürfen und Gesetze und internationale Standards berücksichtigt werden müssen.
Was in der Theorie gut klingt, wird in der Praxis aber selten umgesetzt, kritisiert die Changing Market Foundation. So seien mehrere Fischereien als nachhaltig zertifiziert worden, obwohl diese in überfischten Fanggebieten arbeiteten, sehr hohe Beifangquoten hatten und in einigen Fällen die nationalen Gesetze missachteten. Auch andere Umwelt- und Meeresschutzorganisationen kritisieren, dass der MSC seine Standards reduziert habe, um die starke Nachfrage der Supermärkte nach nachhaltigem Fisch zu decken.
Denn der Fischkonsum ist in den letzten Jahren besonders in Industrienationen stark gestiegen, laut Welternährungsorganisation (FAO) sind fast 90 Prozent der weltweiten Fischbestände voll befischt oder überfischt. Gleichzeitig plant MSC, den Anteil von „SiegelFisch“bis 2020 von zwölf auf zwanzig Prozent zu erhöhen. „Für die Industrie sind die Siegel ein gutes Geschäft, um den Verkauf anzukurbeln“, sagt Herwig Schuster von Greenpeace. Schließlich lassen sich mit den Siegeln höhere Preise verlangen.
Beifang nie ganz vermeidbar
Der MSC weist die Kritik im Gespräch mit dem STANDARD zurück. Die Fischereien würden sich an international anerkannte Referenzwerte für die Fangquoten halten, Beifang sei nie ganz zu vermeiden, dürfe aber dem Fischbestand nicht schaden. Und die Standards seien in den vergangenen Jahren nicht reduziert worden.
Ein weiteres schwarzes Schaf in der Gütezeichenstudie ist Palmöl. Das dafür zuständige Siegel ist RSPO, Roundtable on Sustainable Palm Oil, es ist als grünes Palmenlogo auf den Produkten erkennbar. Der RSPO zertifiziert heute rund 19 Prozent des weltweit gehandelten Palmöls. Doch die Kri- terien für das Siegel seien extrem schwach, kritisiert die Changing Market Foundation in der Studie. Demnach dürfen Regenwälder weiterhin gerodet und Moorland trockengelegt werden. Zudem seien keine Menschenrechtsverletzungen verhindert worden, Treibhausgasemissionen müssen nicht reduziert werden.
Der RSPO kontert, dass für die Palmölproduktion keine Primärwälder und Gegenden mit hoher Biodiversität, fragilen Ökosystemen oder kulturell wichtigen Lebensräumen verwendet werden dürfen, die Pestizide würden reduziert und internationale Arbeitsrechte eingehalten.
Wie beim Fischfang ergeben auch die Zahlen zur Palmölproduktion ein anderes Bild, wie die Studie zeigt: So stehe allein Indonesien als Land mit der größten Palmölproduktion bei der tropischen Entwaldung an zweiter Stelle, was zu einem erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen führt.
Die Changing Market Foundation fordert mehr Transparenz bei den Zertifizierungsprogrammen, etwa was die zugrunde liegenden Kriterien betrifft. Internationale Regelungen und umfassendere Programme sollten statt eines Teils den gesamten Lebenszyklus des Produkts abdecken.