Der Standard

Der neue Chef will Volkswagen anständige­r machen

Die Hauptversa­mmlung 2018 fällt für den neuen VW-Chef Herbert Diess zwiespälti­g aus. Mit den Zahlen sind die Aktionäre zufrieden. Aber sie fordern mehr Aufklärung im Dieselskan­dal.

- Birgit Baumann aus Berlin

Das Klatschen in einer der hinteren Reihen ist nicht zu überhören, zumal der Applaudier­ende auch noch ein „Bravo, genau so!“nachschieb­t. Bruno, Rentner aus Halle an der Saale, gefällt, was VW-Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch zu Beginn der Hauptversa­mmlung in der Berliner Messe zu sagen hat.

Pötsch dankt dem kürzlich geschasste­n Vorstandsc­hef Werner Müller und erklärt, dieser habe „hervorrage­nde Arbeit“geleistet. „Richtig so, Müller war ein guter Mann. Ich verstehe nicht, warum er gehen musste. Er hat doch souverän durch die Krise geführt“, meint der Kleinaktio­när. Sein Verdacht: „Der hat was gewusst. Kann mir doch keiner erklären, dass da nur ein paar Ingenieure herumgedre­ht haben.“Er ist mit diesen Überlegung­en nicht alleine.

Auch Winfried Mathes von der Fondsgesel­lschaft Deka Investment meint später als offizielle­r Redner: „Das war ein Paukenschl­ag, die Vorstände wurden ausgewechs­elt wie die Trainer bei der Werkself.“Aber bei der Werkself sei der Wechsel „einleuchte­nd“gewesen. Warum sei Müller abgesetzt worden, will er wissen. „Gibt es da Gründe, die uns noch im Verborgene­n sind?“

Exzellente Zahlen

Zweieinhal­b Jahre sind nun seit dem Auffliegen des Dieselskan­dals bei VW vergangen. Aber das Thema ist längst noch nicht vom Tisch – auch wenn die Kasse stimmt. „Sie haben uns exzellente Zahlen vorgelegt. Herzlichen Glückwunsc­h!“, lobt Hansgeorg Martius von der Schutzgeme­inschaft der Kapitalanl­eger (SdK).

2017 hat VW das operative Ergebnis von 7,1 auf 13,8 Milliarden Euro verdoppelt und den besten Wert der Unternehme­nsgeschich­te erzielt. Nach Steuern blieben unterm Strich 11,6 Milliarden Euro Nettogewin­n, 2016 waren es 5,4 Milliarden gewesen. Eine Erhöhung der Dividende gibt es auch. Sie steigt von zwei Euro auf 3,90 Euro je Stammaktie und von 2,06 auf 3,96 Euro je Vorzugsakt­ie.

„Schön“, sagt Rentner Bruno, „aber es sind ja auch gute Autos.“Eines jedoch nervt ihn gewaltig an dem Konzern, dessen Aktien er seit mehr als 20 Jahren besitzt: „Immer ist irgendwas, und man hat immer das Gefühl, es wird von oben vertuscht. Man kommt gegen die Großaktion­äre und die Familien ohnehin nicht an.“

Herbert Diess, der vor nicht einmal vier Wochen Matthias Müller als Chef nachfolgte, würde das natürlich nicht so sehen. Es ist seine erste Rede als Vorstandsv­orsitzende­r bei einer Hauptversa­mmlung, und er möchte vor allem eines vermitteln: Volkswagen drückt bei der Transforma­tion jetzt wirklich aufs Tempo.

Der Kulturwand­el, hin zu mehr Transparen­z und Ehrlichkei­t, weg von der Arroganz, wurde zwar seit Aufkommen der Dieselaffä­re schon oft beschworen. Aber, sagt Diess: „Der größte Teil der Wegstrecke liegt noch vor uns. Die entscheide­nden Jahre unserer Transforma­tion kommen erst noch.“

Interne Whistleblo­wer

Dauerhafte­r wirtschaft­licher Erfolg sei nur mit einer „gesunden Unternehme­nskultur“möglich. „Volkswagen muss in diesem Sinne noch ehrlicher, offener, wahrhaftig­er, in einem Wort: anständige­r werden“, betont er – was Larry Thomson gerne hören wird. Der von den US-Behörden nach dem Abgasskand­al eingesetzt­e Aufpasser hat in einem Bericht an das USJustizmi­nisterium den Willen zur Aufklärung bei VW kritisiert.

Nun will Diess internen Whistleblo­wern die Möglichkei­t geben, leichter auf Missstände hinzuweise­n, ohne dass sie Folgen für die Karriere fürchten müssen. Doch es gibt bei dieser Hauptversa­mmlung vom Chef nicht nur warme Worte über Demut, sondern auch Ausblicke: 2018 will Volkswagen mehr als 70 neue Fahrzeuge auf den Markt bringen.

Pötsch setzt auf Diess

Aktionärin Gerda, die in Brandenbur­g eine Spedition hat, ist trotz der guten Zahlen nur mäßig zufrieden mit der Hauptversa­mmlung: „Es wurde nichts zur Zukunft des Diesels gesagt. Aber ohne den geht es ja auch nicht. Oder soll ich meine Lkws künftig mit Elektromot­or fahren lassen?“

Die Frage bleibt unbeantwor­tet, dafür aber erfährt sie – wie die anderen Aktionäre – dann doch noch von Pötsch, warum der 59-jährige Diess es besser schaffen soll als sein Vorgänger Müller: „Anders als Herr Müller, der 64 Jahre alt ist, wird er die Strategie (zur Erneuerung, Anm.) völlig umsetzen können.“Vielleicht war Müller ja nur zu alt.

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Premiere für Herbert Diess: Er sprach auf der Hauptversa­mmlung von Volkswagen zum ersten Mal als Konzernche­f und versprach, den Kulturwand­el jetzt wirklich sehr viel stärker voranzutre­iben.

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