Der Standard

Vielgelieb­t, zu wenig gelobt: Israel feiert seinen 70. Geburtstag

Der Atomdeal mit dem Iran steht auf der Kippe. Israels Regierung ermutigt US-Präsident Donald Trump, ihn zu beenden. Aber was kommt danach? Viele denken an den Irakkrieg 2003 – und seine Begründung.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Die Dokumente wurden in drei Wagons gepackt, diese an einen Zug gehängt, der wurde auf die Reise durch das Land geschickt.

Noch eine Woche bleibt bis zum Termin, an dem USPräsiden­t Donald Trump über das Schicksal des 2015 in Wien abgeschlos­senen Atomdeals mit dem Iran entscheide­t: Wenn er die Aufhebung gewisser US-Sanktionen gegen den Iran am 12. Mai nicht verlängert, dann scheiden die USA aus der Abmachung aus, auch wenn sie für die anderen Beteiligte­n weiter gilt – Iran auf der einen Seite, die EU, Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d, Russland und China auf der anderen. Eine strenge Begrenzung und Kontrolle des iranischen Atomprogra­mms gegen die Aufhebung der Strafmaßna­hmen gegen den Iran: Das ist der Deal.

Trump hat den Kompromiss mit dem Iran immer kritisiert. Gemessen an den Tönen, die er im Wahlkampf anschlug, ist er länger dabei geblieben als erwartet. Im Jänner hat er den „sanction waiver“noch unterschri­eben: zum letzten Mal, wie er sagte – außer der Deal wird nachverhan­delt. Die „Sonnenunte­rgangsklau­seln“, die die Beschränku­ngen nach etwa einem Jahrzehnt auslaufen lassen, sollen weg; hineingeno­mmen werden sollen hingegen eine Bremse für Irans Raketenpro­gramm und aggressive Regionalpo­litik. Da wird der Iran – wo es ebenfalls Kräfte gibt, denen das Arrangemen­t mit dem „Satan USA“ein Dorn im Auge ist – aber nicht mitmachen.

Kein Kündigungs­grund

Nun ist es aber so, dass die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA), die mit der Umsetzung und Überprüfun­g des Atomdeals beauftragt ist, dem Iran dessen Einhaltung bescheinig­t. Es gibt also keinen aktuellen Anlass dafür, dass die USA die von ihnen – wenngleich unter dem vom Trump-Lager verachtete­n Präsidente­n Barack Obama – eingegange­nen Zusagen brechen und internatio­nal als unverlässl­ich dastehen. Und hier kommt Benjamin Netanjahu ins Spiel – beziehungs­weise seine große „Iran lied“-Präsentati­on am Montag.

Hilfe von Netanjahu

Gelogen hat, wie gesagt, der Iran nicht, was den aktuellen Atomdeal betrifft. Aber es gibt starke Hinweise, dass im Iran in der Vergangenh­eit an militärisc­hen Aspekten – also zur Herstellun­g einer Atombombe – geforscht wurde. Auch dieses Kapitel wurde zwar von der IAEA 2015 abgeschlos­sen. Aber es bleibt in der Welt. Auch in der Form von Dokumenten, die Netanjahu am Montag mit großem Pomp präsentier­te.

Die IAEA winkte am Tag darauf ab: kenne sie alles. Wenn das eine große Dokument existieren würde, das konkrete Schritte des Iran zum Bau einer Bombe beweist, dann hätte Netanjahu es wohl hergezeigt. Aber man wird sehen, ob noch etwas auftaucht.

Dieser Tage wird sehr oft der US-Invasion im Irak von 2003 gedacht, die das Land und die ganze Region in eine noch immer anhaltende Phase der Instabilit­ät und Gewalt gestürzt hat. Dem Krieg vorangegan­gen war ein Feuerwerk falscher Beschuldig­ungen, dass Saddam Hussein ein geheimes Atomwaffen­programm laufen habe. Die Geheimdien­ste jener Staaten, die diesen Krieg wollten – auch Israel –, lieferten den Politikern willig falsches Material, damit sie Atompilze in die Luft zaubern konnten.

Aber der Fall Irak gibt noch viel mehr her für Vergleiche. Fast vergessen ist, dass der Irak in den 1980ern tatsächlic­h ein (ziemlich ineffizien­tes) Atomwaffen­programm hatte. Der Irak war weit von der Bombe entfernt, als der Golfkrieg 1991 allem ein Ende setzte. Alles, was damit zu tun gehabt hatte – Ausrüstung und Anlagen –, wurde teilweise von den Irakern selbst und später von den Inspektore­n der IAEA zerstört.

Dokumente waren auch beim Irak ein großes Thema, wie jetzt beim Iran. Im irakischen Atomprogra­mm befasste sich eine eigene Abteilung mit den Archiven. Die Dokumentat­ion eines Atomprogra­mms bedeutet nicht nur das akkumulier­te nukleare Wissen eines Landes, sondern enthält oft auch das Lebenswerk von Wissenscha­ftern und Technikern. Im Irak brauchte es nicht immer einen Befehl von oben, damit Dokumente und anderes versteckt wurden.

Dokumente sind Wissen

Als 1991 die Inspektore­n ins Land kamen, begann das große Verstecksp­iel: nicht nur, um das Wissen zu bewahren, wenn schon das Programm selbst zerstört wurde. Die Iraker wollten auch verbergen, was sie schon alles technisch konnten oder ausprobier­t hatten – und womit sie den Atomwaffen­sperrvertr­ag verletzt hatten.

Bevor die IAEA-Inspektore­n im April 1991 mit ihrer Arbeit im Irak begannen, hatten die Iraker die Dokumente (schon teilweise auf Disks) aus verschiede­nen Dokumentat­ionszentre­n zusammenge­führt. Die Dokumente wurden in drei Wagons gepackt, diese an einen Zug gehängt, der wurde auf die Reise durchs ganze Land geschickt. Als der Irak mit der IAEA zu kooperiere­n begann, wurden die Dokumente wieder nach Bagdad geschafft und nach und nach den Inspektore­n ausgehändi­gt. Die letzten 1995. Aber man wusste nie: Haben die Iraker nicht noch irgendwelc­he Kopien?

Der kranke Inspektor

Im Irak lernte die IAEA die Jagd auf Akten: Im September 1991 war ein Team – nicht „normale“Inspektore­n, sondern ein US-Spezialkom­mando – im Keller des Geheimdien­stgebäudes in Bagdad auf Dokumente gestoßen, die die Arbeit an Waffen belegten. Die waren dort tatsächlic­h, wie sich herausstel­lte, aus Versehen deponiert. Trotz allen Bravados gelang es dem Team nur, ein einziges Waffendoku­ment mitzunehme­n, versteckt im Gewand eines erkrankten Inspektors, der sofort außer Landes gebracht wurde. Nur eines, aber der Beweis war da.

Saddam Hussein hatte nach 1991 kein Atomprogra­mm mehr – aber aus der Vergangenh­eit wurde ihm der Strick gedreht. Jeder fehlende Zettel, jedes fehlende Gramm in einer Materialbi­lanz war der „Beweis“dafür, dass der Irak etwas im Schilde führte. Es war nicht so schwer, 2003 einen Teil der Weltöffent­lichkeit davon zu überzeugen, dass Gefahr im Verzug ist. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht ... Aber das gilt eben auch für die einstigen Lieferante­n falscher Beweise.

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 ??  ?? Ein Archiv als Beweis: Israels Premier Benjamin Netanjahu am Montag bei der Präsentati­on von „Iran lied“(Iran log).
Ein Archiv als Beweis: Israels Premier Benjamin Netanjahu am Montag bei der Präsentati­on von „Iran lied“(Iran log).

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