Rechter Kemalist Ince fordert Präsident Erdogan heraus
Ankara – „Alles wird wunderschön werden“, verkündet der Kandidat in Trump’scher Manier. Muharrem Ince ist an seinem 54. Geburtstag zum Präsidentenkandidaten seiner Partei erklärt worden. Unparteiisch werde er sein, und ein Präsident „aller 80 Millionen Türken“, erklärte er am Freitag in Ankara. Sprach’s, nahm das Abzeichen der Republikanischen Volkspartei CHP vom Revers seines Sakkos ab und ersetzte es durch ein türkisches Emblem. Allerdings muss Muharrem Ince erst einmal bei den Wahlen am 24. Juni gewinnen.
Ince, der nun offiziell erklärte Kandidat der größten türkischen Oppositionspartei, steht nicht allein gegen den autoritär regierenden Amtsinhaber, Staatschef Tayyip Erdogan, im Rennen. Der rechte Kemalist muss sich auch gegen eine Konkurrentin durchsetzen: Meral Akşener, eine ehemalige kurzzeitige Innenministerin in den 1990er-Jahren und Vorsitzende der neuen Guten Partei (Iyi Partisi).
Akşener sammelt die konservativen Nationalisten unter den türkischen Wählern. Das ist wohl die größte Schnittmenge im politischen Spektrum der Türkei. Akşener und Ince versuchen beide, Erdogan in eine Stichwahl am 8. Juli zu zwingen. Ob und wem das gelingt, ist offen.
Ince ist ein lautstarker, stramm nationalistischer Anhänger des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk, nicht so sehr der Wortführer einer sozialdemokratisch orientierten Partei nach europäischem Vorbild. In diese Richtung versuchte der Parteivorsitzende Kemal Kiliçdaroglu jahrelang, die Republikanische Volkspartei (CHP) zu führen. Jetzt ließ er seinem innerparteilichen Rivalen den Vortritt.
Der Physiklehrer aus Yalova am Marmarameer hat zweifellos ein populistisches Naturell, das dem eher feinsinnigen Parteichef Kiliçdaroglu fehlt. „Ince“bedeutet dabei im Türkischen eben das – fein, zart, dünn. Seit bald 20 Jahren ist Ince nun Abgeordneter. Als Fraktionschef der CHP ging er die AKP des damaligen Premiers Erdogan oft hart an. Geht er bei den Präsidentenwahlen nicht völlig unter, wird Ince wohl die CHP übernehmen. Die türkische Politik rückt weiter nach rechts.