Der Standard

Italien hängt in der Blockade fest Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella beruft für Montag eine letzte Konsultati­onsrunde ein. Immer wahrschein­licher wird die Variante einer zeitlich befristete­n Notregieru­ng als letzte Option.

- Dominik Straub aus Rom

Auf dem Friedhof der nie geborenen Regierunge­n beging Italien nun ein weiteres Begräbnis: Neben dem Grab der Koalition aus der Fünf-Sterne-Protestbew­egung (M5S) und der Lega stehe nun jenes der Allianz aus Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Demokratis­cher Partei (Partito Democratic­o, PD), schrieb La Stampa sarkastisc­h. Das Turiner Blatt spielte damit auf das Treffen der PD-Parteileit­ung an, bei dem Donnerstag­abend über eine mögliche Regierungs­zusammenar­beit mit der Protestbew­egung entschiede­n werden sollte.

Die Entscheidu­ng war in Wahrheit schon am Sonntag gefallen, als Ex-Premier und Ex-Parteichef Matteo Renzi in einer Talkshow jede Kooperatio­n der Mitte-links-Partei mit den „Grillini“ausgeschlo­ssen hatte. Zwei Monate nach den Parlaments­wahlen vom 4. März scheint es, dass die Bildung einer Koalition unmöglich ist. Die Wahlen hatten zwei Sieger ergeben: Die Protestbew­egung von Beppe Grillo wurde mit 32 Prozent der Stimmen größte Einzelpart­ei, das Rechtsbünd­nis aus der fremdenfei­ndlichen Lega von Matteo Salvini, der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi und den „Brüdern Italiens“mit 37 Prozent stärkste Koalition. Doch auf eine regierungs­fähige Mehrheit im Parlament kamen beide nicht.

Eine Koalition der „halben Sieger“scheiterte an der Person Silvio Berlusconi: Fünf-Sterne-Spitzenkan­didat Luigi Di Maio wollte nicht mit dem vorbestraf­ten Ex-Premier regieren, Lega-Chef Salvini nicht ohne ihn. Nun hat Staatspräs­ident Sergio Mattarella bekannt gegeben, wie es in Rom weitergehe­n soll: mit einer letzten, eintägigen Konsultati­onsrunde am Montag.

Kaum noch Optionen

Viele Optionen hat das italienisc­he Staatsober­haupt nicht mehr – am wahrschein­lichsten ist derzeit die Bildung einer sogenannte­n „Baderegier­ung“. Das ist ein Begriff aus der Zeit, als noch die Democrazia Cristiana (DC) regierte und in Rom Regierungs­krisen an der Tagesordnu­ng waren.

Gemeint ist eine Regierung, die das Land durch die langen Sommerferi­en führt und dabei nur die wichtigste­n Geschäfte in Angriff nimmt. Im vorliegend­en Fall wäre dies die Finanzplan­ung und vor allem die Ausarbeitu­ng eines neu- en Wahlgesetz­es, das bei den wohl unumgängli­chen Neuwahlen im Herbst oder Winter einen Sieger garantiere­n wird. Dies wäre eine Notlösung, um die derzeitige Blockade für ein paar Monate zu überwinden: eine Regierung aus mehr oder weniger allen Parteien ohne gemeinsame­s Programm. Sollten die Konsultati­onen scheitern, wird Mattarella eine Persönlich­keit mit dem Auftrag zur Bildung einer solchen Notregieru­ng ausstatten. Beauftrage­n könnte er damit Senatspräs­identin Maria Elisabetta Alberti Casellati von der Berlusconi-Partei Forza Italia oder den Präsidente­n der Abgeordnet­enkammer Roberto Fico der Fünf Sterne. Mattarella könnte aber auch einen Technokrat­en beauftrage­n, wie dies sein Vorgänger Giorgio Napolitano 2011 mit dem Wirtschaft­sprofessor Mario Monti getan hatte. Als „Reserven der Republik“gelten auch ehemalige Verfassung­srichter – wie Mattarella selber einer ist.

Ob der von Mattarella ausgewählt­e Premier in spe die obligatori­sche Vertrauens­abstimmung in den beiden Parlaments­kammern überstehen würde, ist unklar. Sowohl LegaChef Matteo Salvini als auch M5S- Gegenüber Di Maio haben eine Unterstütz­ung einer solchen Regierung bereits ausgeschlo­ssen. Vor allem Di Maio, der sich mit seinem Anspruch, in jeder wie auch immer gearteten Regierungs­koalition den Premier geben zu wollen, in den vergangene­n zwei Monaten arg verkalkuli­ert hat, drängt auf sofortige Neuwahlen. Diesen Gefallen wird ihm der Staatspräs­ident aber nicht tun.

Sollte der neue Premier im Parlament scheitern, wäre dies auch nicht weiter tragisch: Dann würde eben der geschäftsf­ührende Premier Paolo Gentiloni erst einmal weiter im Amt bleiben, bis sich die Parteien auf ein neues Wahlrecht geeinigt haben.

Möglich, aber auch ziemlich unwahrsche­inlich ist auch diese Lösung: Seit dem klaren Wahlsieg der Lega in der Region Friaul-Julisch Venetien fordert Salvini einen Regierungs­auftrag. Den wird der Putin-Bewunderer und NordkoreaF­an eher nicht erhalten – möglicherw­eise aber sein Parteifreu­nd Giancarlo Giorgetti. Der Absolvent der Mailänder Eliteunive­rsität Bocconi ist politisch erfahren, gilt als gemäßigt und kann auch beim politische­n Gegner auf gewisse Sympathien zählen.

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