Der Standard

Corbyns Gebete blieben unerhört

Die Konservati­ven haben bei den Lokalwahle­n in England trotz Brexit-Streits gut abgeschnit­ten. Besonders bitter ist ihr Sieg für die Linke, die unter den Erwartunge­n blieb.

- Sebastian Borger aus London

Die englische Kommunalwa­hl hat den Status quo bestätigt. Die regierende­n Konservati­ven unter Premiermin­isterin Theresa May konnten ihre Stellung behaupten, der Opposition­spartei Labour gelang der vorab vorhergesa­gte Sturm auf viele Rathäuser nicht. Wie erwartet, kollabiert­e der Wählerante­il der EUfeindlic­hen Ukip-Partei, während die Anti-Brexit-Parteien Liberaldem­okraten (LD) und Grüne leichte Gewinne verzeichne­ten.

Der Urnengang am Donnerstag galt ein knappes Jahr vor dem Brexit als wichtiger Stimmungst­est für Mays konservati­ve Minderheit­sregierung. Neu gewählt nach vier Jahren wurden 4371 Mandate, darunter sämtliche Bezirke Londons sowie andere englischer Großstädte und ein Drittel der Sitze in kleineren Gemeinden.

2014 fiel die Kommunalwa­hl mit der Europawahl zusammen, bei der die EU-feindliche Ukip mit 27,4 Prozent vorne lag. Die damaligen Koalitions­partner Konservati­ve und LD erlitten schwere Verluste. Am Freitag lag dann Labour mit 1473 Mandaten klar vor den Tories (886) und LD (326). Allerdings blieb der vorhergesa­gte Triumph aus: Die LD konnten mehr Sitze (40) hinzugewin­nen als die viel größere Arbeiterpa­rtei (37).

Ob die Corbyn-Euphorie nun ihren Höchststan­d erreicht habe, wurde der Opposition­sführer im südwesteng­lischen Plymouth gefragt, wo seine Partei das Rathaus erobert hatte. „Nein, nein“, antwortete der 68-Jährige, „das wird noch besser. Labour hat gute Chancen, die nächste Unterhausw­ahl zu gewinnen.“

An Boden verloren

Die Ergebnisse in anderen Landesteil­en, nicht zuletzt in der Hauptstadt, bestätigte­n diesen Optimismus nicht unbedingt. In Städten wie Dudley, Bolton und Wigan ging für Labour Boden verloren. In Sheffield nahmen LD und Grüne der dort seit Jahrzehn- ten tonangeben­den Arbeiterpa­rtei Mandate ab. In der Industrie- und Universitä­tsstadt wird seit Monaten heftig über das Baumfällpr­ogramm der Stadtregie­rung gestritten. Vor allem schaffte es die stark London-lastige Partei – neben Corbyn sind auch die Schattenmi­nister für Brexit, Finanzen, Äußeres, Inneres hier beheimatet – nicht, eines der 32 Bezirksrat­häuser der Hauptstadt zu erobern.

Vorab hatte die Partei traditione­ll Tory-wählende Bezirke wie Wandsworth, Westminste­r und Kensington ins Visier genommen und auf Stimmen der in England lebenden mehr als drei Millionen EU-Bürger gehofft. Im NordwestLo­ndoner Bezirk Barnet holten die Tories wie vor vier Jahren erneut die Mehrheit der Mandate. Dort erlitt Labour in einzelnen, jüdisch geprägten Vierteln schwere Einbrüche. Die Partei steht seit Monaten in der Kritik, sie gehe nicht hart genug gegen Antisemite­n unter ihren rund 560.000 Mitglieder­n vor. Corbyns Vertraute Dawn Butler machte dafür den kürzlich zurückgetr­etenen Generalsek­retär Ian McNicol verantwort­lich; der gemäßigte Parteiflüg­el sieht die Schuld eher bei der harten Linken, zu der Corbyn zählt.

Von Ukip zu Tories

Wie erwartet profitiert­en die Tories wie schon im vergangene­n Jahr von Wählern, die vor vier Jahren Ukip den Rücken gestärkt hatten. Die EU-Feinde verloren 93 Mandate und liegen nun abgeschlag­en hinter den Grünen. Premier May feierte die leichten Verluste für ihre Partei wie einen Sieg, beteuerte aber auch: „Wir ruhen uns nicht aus.“Die Stimmenver­teilung stand am Freitag noch nicht fest. In Umfragen zur Unterhausw­ahl lagen Tories und Labour zuletzt Kopf an Kopf, was in der Downing Street als Erfolg gilt. Normalerwe­ise stärken die Wähler auf der Insel zwischen Unterhausw­ahlen meist die Opposition.

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 ??  ?? Eine öffentlich streitende Regierungs­partei müsste ein leichtes Ziel sein für die Opposition, hatte Labour-Chef Corbyn gehofft – vergeblich.
Eine öffentlich streitende Regierungs­partei müsste ein leichtes Ziel sein für die Opposition, hatte Labour-Chef Corbyn gehofft – vergeblich.

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