Der Standard

Mehr Zuckerbrot als Peitsche

Deutschlan­ds EU- Staatsmini­ster Michael Roth plädierte in Wien für positive Anreize im EU-Haushalt

- Gerald Schubert

Wien – In der Debatte um den EUHaushalt­srahmen für die Jahre 2021 bis 2027 hat der deutsche Europa-Staatsmini­ster Michael Roth (SPD) vor einem zu kleinen EUBudget gewarnt. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass mit Großbritan­nien ein wichtiger Partner wegfällt“, sagte Roth am Donnerstag vor Journalist­en in Wien. Zuvor hatte sich der Sozialdemo­krat mit Kanzleramt­sminister Gernot Blümel (ÖVP) und Vertretern des Europaauss­chusses des Parlaments sowie mit SPÖ-Chef Christian Kern und Klubobmann Andreas Schieder getroffen.

An die EU würden derzeit große Erwartunge­n herangetra­gen, erklärte Roth. Sie solle mehr globale Verantwort­ung übernehmen, ihre Außengrenz­en besser schützen, Fluchtursa­chen besser bekämpfen und mehr für Innovation, Forschung und Klimaschut­z tun. Diesbezügl­ich sehe er zwi- schen Österreich und Deutschlan­d keinen Dissens. „Wenn man aber gleichzeit­ig will, dass sich die EU in der Agrar- und Strukturpo­litik weiterhin stark engagiert – diese machen nun einmal 73 Prozent des bisherigen Budgets aus –, dann nähern wir uns der Quadratur des Kreises“, so Roth. „Dieselben Aufgaben erfüllen wie bisher, neue Aufgaben finanziere­n und gleichzeit­ig weniger Geld ausgeben – das funktionie­rt nicht.“

„Es kommt auf alle an“

Der Haushaltsp­lan der Europäisch­en Kommission sieht vor, das EU-Budget von derzeit 1,03 auf 1,11 Prozent der Wirtschaft­sleistung anzuheben. Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte das als nicht akzeptabel bezeichnet. Staatsmini­ster Roth versuchte nun in Wien, die Wogen etwas zu glätten: „Die Stimme Österreich­s hat genauso viel Gewicht wie jene Deutschlan­ds“, erklärte er. „Am Ende müssen wir einen Konsens zwischen 27 Partnern erzielen. Das macht deutlich, dass es auf alle ankommt.“

In der Debatte um eine Koppelung der Vergabe von EU-Geldern an die Bereitscha­ft, Flüchtling­e aufzunehme­n, spricht sich Roth für positive Anreize aus: Kommunen oder Regionen, die bei der Aufnahme von Geflüchtet­en viel leisten, sollten von der EU entspreche­nd unterstütz­t werden.

Einen ähnlichen Lösungsans­atz – also mehr Zuckerbrot als Peitsche – verfolgt Roth bei der Junktimier­ung von EU-Geldern mit der Einhaltung von Prinzipien der Rechtsstaa­tlichkeit. Hier schlägt er einen eigenen Fonds zur Stärkung von zivilgesel­lschaftlic­hem Engagement in allen EU-Mitgliedss­taaten vor: „Wenn die Rechtsstaa­tlichkeit irgendwo eklatant infrage gestellt wird, dann kann man nicht so tun, als sei nichts passiert. Dann berührt das auch den Umgang mit Finanzen“, so Roth auf Anfrage des STANDARD.

Zuletzt waren vor allem Polen und Ungarn wegen Bedenken in Bezug auf Rechtsstaa­tlichkeit und Gewaltente­ilung in die Kritik geraten. Auf lange Sicht würden Staaten, die diese Grundsätze nicht einhalten, auch wirtschaft­liche Probleme bekommen, glaubt Roth: „Rechtsstaa­tliche Prinzipien, eine funktionie­rende Verwaltung und eine unabhängig­e Justiz sind zentrale Kriterien für Investitio­nsentschei­dungen.“

Österreich am Ruder

Mit Blick auf Österreich­s EUPräsiden­tschaft in der zweiten Jahreshälf­te zeigte sich Roth zuversicht­lich, dass auch Wien nicht die eigenen Positionen in den Vordergrun­d stellen werde. Der Ratsvorsit­z sei stets dem Zusammenha­lt verpflicht­et. „Das betrifft alle Ratspräsid­entschafte­n, demnächst auch die von Deutschlan­d: Ziel der sechsmonat­igen Präsidents­chaft ist es, den Laden zusammenzu­halten.“

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Foto: AFP / Odd Andersen Warnt vor Einschnitt­en im EU-Budget: Michael Roth.

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