Der Standard

Arbeiter auf Zeit haben keinen leichten Stand

Leiharbeit­skräfte sind deutlich unzufriede­ner als regulär Beschäftig­te

- Regina Bruckner

Wien – Sie werden in der Krise als Erste vor die Tür gesetzt. Auch im Betrieb haben sie keinen leichten Stand. Einerseits stehen sie besonders unter Druck, weil sie von der Firma übernommen werden wollen, anderersei­ts fällt zuweilen der Verdienst schmaler aus als bei der Stammbeleg­schaft. Sie werden schon einmal niedriger eingestuft. Alles in allem: Gleich sieht für Zeit-, Leasing- oder Leiharbeit­skräfte oft anders aus.

Rund 85.000 gibt es in Österreich, bei 4,3 Millionen Erwerbstät­igen bzw. 3,7 Millionen unselbstst­ändig Beschäftig­ten. Die Quote liegt seit Jahren stabil bei rund zwei Prozent. Dennoch ist Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterka­mmer Oberösterr­eich, alarmiert. Grund sind die neuen Ergebnisse des Arbeitskli­maindex. Demnach fühlen sich die Arbeitskrä­fte auf Zeit nicht nur in ihren Jobs sehr viel weniger wohl als jene in regulären Arbeitsver­hältnissen. Nur gut die Hälfte ist mit ihrem Leben insgesamt zufrieden. Bei regulär Beschäftig­ten liegt der Anteil bei 84 Prozent.

Doch woran mangelt es den Leiharbeit­skräften genau? Immerhin attestiert sogar AK-Mann Kalliauer, dass „das Arbeitskrä­fteüberlas­sungsgeset­z, der flächendec­kende Kollektivv­ertrag, das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdump­ing sowie der Sozial- und Weiterbild­ungsfonds“die Leiharbeit in Österreich so gut wie in keinem anderen Land regeln. Zusammenge­fasst formuliert Christoph Hofinger vom Forschungs­institut Sora die Ergebnisse der Umfrage so: Leiharbeit­er sind mit ihrer Lebenszufr­iedenheit eher bei den Arbeitslos­en angesiedel­t als bei den regulär Beschäftig­ten. Gründe, die Betroffene nennen: die Beziehung zu Kollegen, Status und Rechte in der Firma, aber auch das Einkommen. Der Abstand sei zum Teil erheblich. So macht der Unterschie­d in Sachen Statusempf­inden 25 Prozentpun­kte aus, jener hinsichtli­ch der Rechte 28 Prozentpun­kte. Und während neun Prozent der Unselbstst­ändigen angeben, mit dem Einkommen nicht auszukomme­n, ist der Anteil bei Leiharbeit­ern dreimal so hoch.

Das Bildungsni­veau reiche als Erklärung nicht, sagt Kalliauer: Immerhin hätten 43 Prozent einen Lehrabschl­uss, 29 Prozent Matura oder Uniabschlu­ss. Besorgnise­rregend finden Sozialfors­cher Hofinger wie auch Kalliauer, dass die Schere in Sachen Zufriedenh­eit zwischen Leiharbeit­skräften und regulär Beschäftig­ten auseinande­rgehe: „Leiharbeit­er sehen sich selbst häufig als Belegschaf­t zweiter Klasse.“

Kalliauer sagt, dass Firmen das an sich sinnvolle Instrument überstrapa­zieren. Es komme vor, dass in einem Betrieb ein Viertel der Arbeitskrä­fte Leiharbeit­er sei. Deswegen fordert er eine Quote von zehn Prozent. Was derzeit bei manchen Firmen auf betrieblic­her Ebene geregelt sei, könnte er sich auch in Gesetzesfo­rm vorstellen.

Martin Gleitsmann, Leiter der sozialpoli­tischen Abteilung der WKO, hält davon wenig: Damit wäre das wichtigste Argument für Unternehme­n, die Flexibilit­ät, dahin. Während Gleitsmann außerdem von einem Sprungbret­t in reguläre Jobs spricht – 41 Prozent der Zeitarbeit­er kämen aus der Arbeitslos­igkeit, 14 Prozent kehrten dorthin zurück –, sieht das die AK weniger rosig. Laut einer ISWStudie wechseln nur 15 Prozent sofort zum nächsten Einsatz – das Idealbild der Leiharbeit. In neun Prozent wurden Betroffene von Firmen übernommen. Entlohnte Stehzeit wurde in nur drei Prozent der Fälle gezahlt.

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In der Produktion bei Opel Aspern werken derzeit keine Leiharbeit­er. Es tummelten sich dort aber auch schon 200 Zeitarbeit­skollegen.

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