Der Standard

Stell dir vor, es ist Giro

Titelverte­idiger Dumoulin gewinnt in Jerusalem das Auftaktzei­tfahren der 101. Italien-Radrundfah­rt

- Fabian Sommavilla aus Jerusalem

Nur langsam nahm das Rosa des Giro d’Italia in den vergangene­n Tagen zu in Jerusalem – und auch das nur auf sehr begrenztem Raum. Der Veranstalt­er beflaggte zwar fleißig, die Euphorie, wie man sie aus Italien oder anderen radbegeist­erten Ländern Europas für die zweitgrößt­e Rundfahrt kennt, blieb jedoch aus. Wenige hundert Meter vom Event entfernt konnte man meinen, es sei ein Freitag wie jeder andere. Die Hundertsch­aften an Polizei und Militär fielen kaum auf, kurze Straßenspe­rren wegen „verdächtig­er Gegenständ­e“gehören in Jerusalem zum Alltag. Nur wenige Hundert Zuseher hatten die Fahrerpräs­entation am Donnerstag­abend beehrt – Funktionär­e, Betreuer, Sponsoren und geladene Gäste.

Dass die große Begeisteru­ng ob des größten Sportevent­s in der 70-jährigen Staatsgesc­hichte Israels nicht ausbrechen mochte, verwundert­e wenig, ist das Stadtbild doch kaum von Radfahrern geprägt. Die wenigen, die unterwegs sind, sitzen fast ausschließ­lich auf E-Bikes, um die hügelige Stadt in der Tageshitze zu bewältigen. Auch das Team der „Israeli Cycling Academy“ist noch jung und im Aufbau befindlich.

„Dieser Marathon für Räder? Ein reines Ärgernis. Alle Straßen sind gesperrt“, schimpfte Taxifahrer Omri. Auch mancher Tourist, der dem Radsport nicht viel abgewinnen kann, ärgerte sich über die mühsamen Umwege aufgrund der Straßenspe­rren in unmittelba­rer Nähe des Eingangs zur Altstadt.

Viele nutzten das Event aber auch für einen spontanen Abstecher und genossen die Atmosphäre im Start- und Zielbereic­h. Am Straßenran­d hielten sich dabei Italienisc­h und Hebräisch etwa die Waage. Für den Radfan David aus Tel Aviv ist es eine unglaublic­he Ehre, dass der Giro in Israel gastiert. „Die vielen Fans in der Stadt, das ist einmalig. Leider kennen den Giro hier nicht so viele Menschen, und leider sind unsere Fahrer noch nicht auf dem Level von Chris Froome und Co, aber es ist ein Anfang.“

Die Diskussion­en um Froomes Antreten – der Brite radelt seit einer positiven Dopingprob­e wegen eines zu hohen Salbutamol­Werts quasi unter dem Fallbeil des Weltverban­des – wurden auch am Start noch geführt. Sein Team habe sich dem Kampf für einen sauberen Radsport verschrieb­en, sagte Titelverte­idiger Tom Dumoulin, „darum wäre ich in seiner Situation nicht hier“. Im Auftaktzei­tfahren des 101. Giro über 9,7 Kilometer war der niederländ­ische Weltmeiste­r von Sunweb ganz bei der Sache und siegte in 12:02 Minuten. Sky-Star Froome (21.) verlor schon 37 Sekunden.

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Foto: AP / Oded Balilty Tom Dumoulin zeigte beim Giro den Weltmeiste­r im Zeitfahren.

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