Stell dir vor, es ist Giro
Titelverteidiger Dumoulin gewinnt in Jerusalem das Auftaktzeitfahren der 101. Italien-Radrundfahrt
Nur langsam nahm das Rosa des Giro d’Italia in den vergangenen Tagen zu in Jerusalem – und auch das nur auf sehr begrenztem Raum. Der Veranstalter beflaggte zwar fleißig, die Euphorie, wie man sie aus Italien oder anderen radbegeisterten Ländern Europas für die zweitgrößte Rundfahrt kennt, blieb jedoch aus. Wenige hundert Meter vom Event entfernt konnte man meinen, es sei ein Freitag wie jeder andere. Die Hundertschaften an Polizei und Militär fielen kaum auf, kurze Straßensperren wegen „verdächtiger Gegenstände“gehören in Jerusalem zum Alltag. Nur wenige Hundert Zuseher hatten die Fahrerpräsentation am Donnerstagabend beehrt – Funktionäre, Betreuer, Sponsoren und geladene Gäste.
Dass die große Begeisterung ob des größten Sportevents in der 70-jährigen Staatsgeschichte Israels nicht ausbrechen mochte, verwunderte wenig, ist das Stadtbild doch kaum von Radfahrern geprägt. Die wenigen, die unterwegs sind, sitzen fast ausschließlich auf E-Bikes, um die hügelige Stadt in der Tageshitze zu bewältigen. Auch das Team der „Israeli Cycling Academy“ist noch jung und im Aufbau befindlich.
„Dieser Marathon für Räder? Ein reines Ärgernis. Alle Straßen sind gesperrt“, schimpfte Taxifahrer Omri. Auch mancher Tourist, der dem Radsport nicht viel abgewinnen kann, ärgerte sich über die mühsamen Umwege aufgrund der Straßensperren in unmittelbarer Nähe des Eingangs zur Altstadt.
Viele nutzten das Event aber auch für einen spontanen Abstecher und genossen die Atmosphäre im Start- und Zielbereich. Am Straßenrand hielten sich dabei Italienisch und Hebräisch etwa die Waage. Für den Radfan David aus Tel Aviv ist es eine unglaubliche Ehre, dass der Giro in Israel gastiert. „Die vielen Fans in der Stadt, das ist einmalig. Leider kennen den Giro hier nicht so viele Menschen, und leider sind unsere Fahrer noch nicht auf dem Level von Chris Froome und Co, aber es ist ein Anfang.“
Die Diskussionen um Froomes Antreten – der Brite radelt seit einer positiven Dopingprobe wegen eines zu hohen SalbutamolWerts quasi unter dem Fallbeil des Weltverbandes – wurden auch am Start noch geführt. Sein Team habe sich dem Kampf für einen sauberen Radsport verschrieben, sagte Titelverteidiger Tom Dumoulin, „darum wäre ich in seiner Situation nicht hier“. Im Auftaktzeitfahren des 101. Giro über 9,7 Kilometer war der niederländische Weltmeister von Sunweb ganz bei der Sache und siegte in 12:02 Minuten. Sky-Star Froome (21.) verlor schon 37 Sekunden.