Der Standard

KOPF DES TAGES

Ex-Topmanager im Visier der US-Justiz

- Birgit Baumann

Es ist in der Wirtschaft wie in der Politik: Wenn die „Alten“mal weg sind, dann mögen die Nachfolger von selbigen weder gute Ratschläge erhalten noch wegen irgendwelc­her Kamellen von früher Schwierigk­eiten bekommen. Meist funktionie­rt das ja auch.

Bei VW allerdings ist das Gegenteil der Fall. Gerade hat der neue Chef, Herbert Diess, gelobt, die Dieselaffä­re endlich aufzukläre­n, da erreicht den Konzern die Hiobsbotsc­haft, dass ExVW-Chef Martin Winterkorn in den USA wegen Betrugs sowie Verschwöru­ng zum Verstoß gegen Umweltgese­tze und Täuschung der Behörden angeklagt wird.

Kurz vor seinem 71. Geburtstag ist damit wieder jener Mann in den Schlagzeil­en, der einmal zu Deutschlan­ds erfolgreic­hsten Managern zählte und auch noch der am besten verdienend­e war. Und der bei VW, mit dem Patriarche­n Ferdinand Piëch hinter sich, nahezu freie Hand hatte.

Piëch war es, der Winterkorn, der aus einfachen Stuttgarte­r Verhältnis­sen stammt und Metallphys­ik studiert hatte, 1981 von Bosch zu Audi holte. Die beiden bekennende­n Autonarren und Technikfre­aks verstanden und schätzen sich von Anfang an. Als Piëch 1993 von Audi als Chef zu VW nach Wolfsburg wechselte, kam Win- terkorn mit. 2002 bis 2007 war er zuerst noch Audi-Chef, bevor ihn Piëch – mittlerwei­le VWAufsicht­sratschef – ins Allerheili­gste vorließ und ihm 2007 die Leitung von VW übertrug.

Piëch habe die Visionen, „und ich garantiere, dass die Autos dann auch funktionie­ren“, beschrieb „Wiko“einmal die Rollenvert­eilung. Legendär ist eine auf Video festgehalt­ene Szene auf der Internatio­nalen Automobila­usstellung: Winterkorn rüttelt an der Lenkradver­stellung des Konkurrent­en Hyundai und konstatier­t: „Da scheppert nix.“

Was den detailverl­iebten Winterkorn trieb, gefiel Piëch lange Zeit: VW sollte Toyota überholen und zum größten Autokonzer­n der Welt werden. Auch in der Abwehrschl­acht gegen Porsche standen die beiden Seite an Seite.

Doch dann überrascht­e Piëch im April 2015 mit dem Satz, er sei auf „Distanz“zu Winterkorn, weil dieser das Geschäft in den USA nicht im Griff habe. Zwar überstand Winterkorn zunächst den Angriff, aber im September 2015 musste er wegen des Dieselskan­dals den Hut nehmen. Zum Abschluss seiner beispiello­sen Karriere hatte der zweifache Vater und Hobbyfußba­ller noch eine Botschaft an die VWMitarbei­ter: „Volkswagen war, ist und bleibt mein Leben.“

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Foto: Reuters/Bensch Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn wird in den USA angeklagt.

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