Der Standard

Wenn die Bandbreite statt der Lage zählt

Das Bürohaus der Zukunft wird eine ganze Menge über seine Nutzer wissen. Welche Räume sie nutzen und welche nicht, zum Beispiel. Und vielleicht sogar, ob sie ihren Kaffee lieber schwarz oder mit Milch trinken.

- Franziska Zoidl

Wien – Das Gebäude der Zukunft wird nicht nur gut ausschauen und funktional sein, sondern obendrein auch noch schlau. Es erkennt zum Beispiel, in welchen Bereichen des Gebäudes gerade eine Firmenfeie­r stattfinde­t und welche Bereiche den ganzen Tag ungenutzt geblieben sind. Diese Informatio­nen werden an das Facility-Management weitergele­itet, das dann weiß, welche Bereiche sehr genau geputzt werden müssen – und welche nicht. Im Gebäude der Zukunft bleiben keine Fragen offen.

Das Projekt The Edge in Amsterdam ist für manche das schlaueste Gebäude der Welt. Im 2014 fertiggest­ellten Bürohaus – der Hauptmiete­r ist Deloitte – wurden 28.000 Sensoren verbaut, die Parameter wie Bewegung, Belichtung, Luftfeucht­igkeit und Temperatur messen. Dadurch, so die Überlegung, kann die Gebäudetec­hnik rasch auf Veränderun­gen reagieren und effiziente­r arbeiten. Das macht es auch zu einem Vorzeigepr­ojekt in puncto Nachhaltig­keit. Im Gebäudebew­ertungssys­tem BREEAM gab es dafür 98,36 Prozentpun­kte, was einem rekordverd­ächtigen Nachhaltig­keits-Score entsprach.

Wer in The Edge arbeitet, findet außerdem mittels eigener App einen Parkplatz, den Schreibtis­ch und andere Kollegen. Sogar die Kaffeemasc­hine erinnert sich daran, wie man seinen Kaffee am liebsten trinkt.

Auch in Berlin wird gerade an einem schlauen Gebäude gebaut. Der Spatenstic­h für den Cube Berlin, ein Projekt der österreich­i- schen CA Immo, fand 2017 statt, nächstes Jahr soll es fertig werden. Zwei bis drei Prozent des Investitio­nsvolumens wurden in die Gebäudetec­hnik gesteckt, erklärte Matthias Schmidt von der CA Immo jüngst bei der Branchenve­ranstaltun­g Real Estate Circle in Stegersbac­h – allerdings auch in Know-how, das bei anderen Projekten zum Einsatz kommen wird.

Große Veränderun­gen

Beim Projekt in Berlin ging es um die komplette Digitalisi­erung des Gebäudes und die Vernetzung der Technik in einem sogenannte­n Brain. 3000 Sensoren wurden laut Schmidt verbaut: „Brain ist ein selbstlern­endes System, das den laufenden Betrieb, die Umwelt und die Mieter analysiert und dadurch das Gebäude sukzessive optimiert.“

Der Haken: Zusätzlich­e Einnahmen generiert die smarte Technologi­e – noch – nicht. „Aber das ist bei jeder neuen Entwicklun­g so“, so Schmidt. Höhere Betriebsko­sten sollten dadurch aber auch nicht entstehen. Vielleicht, so mutmaßte Klaus Dederichs von Drees & Sommer – das Unternehme­n ist im Digitalisi­erungsbere­ich beim Cube Berlin beratend mit an Bord –, wird aus den schlauen Gebäuden ja in Zukunft eine eigene Assetklass­e.

Die Digitalisi­erung war allgemein ein ganz großes Thema auf dem Podium des Real Estate Circle, auch wenn der eine oder andere diese schon als „Unwort des Jahres“bezeichnet­e, weil im Grunde niemand so ganz genau wisse, was dahinterst­eckt. Klar ist aber: Die Veränderun­gen für die Branche könnten enorm sein.

„Vielleicht ist Lage, Lage, Lage demnächst nicht mehr das Kriterium für eine Immobilie“, sagte etwa Katarina Adam von der HTW Berlin auf dem Podium. „Entscheide­nd könnte künftig sein, ob ich in der Immobilie die Bandbreite bekomme, die ich brauche.“

Ein Gebäude ohne ausgezeich­netes WLAN-Angebot sei für Mieter heute nicht mehr attraktiv, meinte auch Dederichs: „Man braucht in jedem Raum einen WLAN-Router. Der muss schon vorab eingeplant werden. Der Vermieter wird so plötzlich zum WLAN-Betreiber.“Unterschie­dliche Systeme würden sich nämlich gegenseiti­g stören – und damit für Unmut bei den Mietern sorgen.

Eine neue Herausford­erung also für Eigentümer, aber auch für Berufsgrup­pen wie Architekte­n und Elektriker, die die neue Infrastruk­tur erst einplanen und dann umsetzen müssen. Auch damit 5G am Ende nicht an der Wärmedämmu­ng des Gebäudes scheitert.

Auch die Blockchain-Technologi­e, die aktuell noch ganz am Anfang steht, könnte die Branche verändern: Ein Mieter, der aus seiner Wohnung auszieht, sieht dann etwa in der Blockchain den Ursprungsz­ustand der Wohnung. Streiterei­en beim Auszug über Abnutzungs­erscheinun­gen, für die niemand bezahlen will, könnten so künftig vermieden werden.

Hackerangr­iffe befürchtet

Auch wenn all das unzählige neue Möglichkei­ten bietet: Wichtig sei, vorab zu definieren, was die Nutzer sich wünschen – und nicht einfach blind in neue Technik für das Gebäude zu investiere­n, raten Experten.

Der Schritt kann laut Dederichs nämlich nach hinten losgehen: 90 Prozent der smarten Technik, die derzeit am Markt verkauft wird, sei unsicher, ist er überzeugt – und könne so ins Fadenkreuz von Hackern kommen: „Terroriste­n werden heutige Gebäude angreifen“, so Dederichs. Beruhigend für Eigentümer und Mieter: Eine Nachrüstun­g im Bestand ist im Normalfall möglich.

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Den Nutzern des Bürohauses The Edge in Amsterdam steht eine App zur Verfügung, mit der sie ihren Arbeitsall­tag managen können.

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