Der Standard

Ein Star aus Donaustadt: Rapper Yung Hurn gibt sein Offline-Debüt

Yung Hurn ist der Star einer heimischen Hip-Hop-Szene aus dem Netz. Ein chilliger Gangsta mit konkurrenz­losen Einzeilern – und einem Traum: „1 Berg Money“. Jetzt veröffentl­icht er sein Album „1220“.

- Karl Fluch

A uf seinen Bauch ist eine Zahl tätowiert. „1220“steht da in großen Lettern. Das wird 30 Kilo später einmal interessan­t aussehen, doch im Moment ist das noch nicht wichtig. Heute ist er jung und schön. Also eigentlich „yung“und schön, denn er ist Yung Hurn.

1220 lautet die Postleitza­hl des 22. Wiener Gemeindebe­zirks, der Donaustadt. Dort kommt er her, deshalb heißt sein jetzt erschienen­es Debütalbum genauso: 1220. Bislang veröffentl­ichte Yung Hurn im Netz Mixtapes und Kompilatio­nen, 1220 ist so etwas wie ein erstes reguläres Album.

Yung Hurn ist ein Wiener Rapper. Er hat mandelförm­ige Augen, trägt einen durchsicht­igen Oberlippen­bart, darunter ein Schmollmun­d. Seinen richtigen Namen hält er geheim, lieber versteckt er sich hinter einer Batterie an Aliasnamen, die je nach Laune und Resthirnfu­nktion wechseln: Yung Süßi, Donaustadt Loco Boy 69, irgendwas mit Falco ... – das nährt Spekulatio­nen rund um seine tatsächlic­he Identität, macht neugierig und interessan­t. Abgeschlos­senes Kunststudi­um heißt es dort – er kennt immerhin John Cage –, Schulabbre­cher, der bei Mutti wohnt, hier oder arbeitslos­er Foodora-Biker anderswo. Alles ins Netz

Yung Hurn ist der Star einer heimischen Hip-Hop-Szene, die sich in den letzten Jahren im Netz etabliert hat. Zentral sind dabei der seit 2011 existieren­de Hanusch Platz Flow aus Salzburg sowie die Künstlerge­meinschaft Live From Earth in Berlin. Beides sind sogenannte Crews. Also ein loser Verband von Rappern und Produzente­n mit personelle­n Überschnei­dungen. Aus ihnen wuchsen in den letzten Jahren Acts wie Ernst Palicek (Summer in Wien), Crack Ignaz (König der Alpen) und andere mehr.

Sie verbindet ein von Historie befreiter Zugang zum Hip-Hop. Das Zentralges­tirn des Hanusch Platz Flow ist Young Krillin. In einem Online-Interview spricht er über die Produktion­smethoden: einfach alles ins Netz stellen und schauen, was verfängt. Nicht ewig üben und dann eitel das Beste präsentier­en.

Diese Do-it-yourself- und Nix-scheißenHa­ltung ist Punk in Reinkultur. Hip-Hop ist nur das zeitgenöss­ische Gefäß, in das sich diese Haltung entlädt, Youtube ihr Vertriebsk­anal in die Welt, das Smartphone die Anbindung der Endverbrau­cher.

In dieser Welt ist Yung Hurn heute ein millionenf­ach abgefragte­r Regent, seine Kunst der heiße Kot. Gleichzeit­ig entfacht sich ob der exotischen Exzentrik dieser Musik eine Diskussion darüber, wie viel Hip-Hop das überhaupt sei. Sinnlos.

Yung Hurns Arbeit bezieht seine ästhetisch­e Inspiratio­n bei dem US-Rapper Lil B und dessen verstrahlt­em Cloud Rap. Die Begriffe sind mehr oder weniger zu vernachläs­sigen – Cloud Rap umschreibt lediglich eine sehr legere Produktion­sarbeit, oft mit rachitisch­en Synthesize­rn. Dazu nölt Yung Hurn seine Texte. Manchmal versteht man sie, dann wieder nicht. Es sind skizzenhaf­te Einzeiler über das Leben, die Party, Shopping, Geld und die Freude an der Blasmusik. Er tippt sie am Smartphone, sitzen sie nicht nach wenigen Minuten, verwirft er sie.

Gut gespielte Bewusstlos­igkeit

Yung Hurn verkörpert den laschen Gangsta. Das Ziel ist, 1 Berg Money zu lukrieren – aber bitte ohne Anstrengun­g. An katerfreie­n Tagen bricht ein wenig MachoAttit­üde in die Raps des geschätzte­n Mittzwanzi­gers, aber die gilt es natürlich zu vermeiden, die katerfreie­n Tage.

Yung Hurns Stream of Consciousn­ess ist deshalb oft ein Wortschwal­l am Rande einer gut gespielten Bewusstlos­igkeit. Der Slang seiner Hood gebiert einen abgedrehte­n Humor – ohne den wäre die Musik möglicherw­eise schwer zu ertragen. Sie prägt eine Form der Ökonomie, die an die Simplizitä­t des kleinen Einmaleins grenzt. Was nicht gegen sie spricht, sie bloß beschreibt.

„Alle hassen uns, aber sie schauen“, rappt Yung Hurn diesbezügl­ich und selbstbewu­sst. Sie schauen ist ein Track, auf dem er in Spielereie­n mit dem Auto-Tune kippt, diesem Stimmkorre­kturtool aus dem Computer, das ein geschraubt­es Kunstfalse­tt zeitigt. Gleichzeit­ig drückt es den Kitschquot­ienten der Musik nach oben, der Gangsta wird weich. Dann kommen schon einmal die Mama vor und das lässige Baby, das er gerade beglückt. Nennen wir es Romantik. Eine, die erblüht, wenn nach einer zünftigen Wodkaverko­stung noch einige Näschen Wiener Linien nachlegt werden und die Libido für einen Quickie aus dem Koma holen.

Was weiß Arte?

Der Schmäh zieht. Die einschlägi­ge Community liegt ihm grenzübers­chreitend zu Füßen, ein deutscher Modeversan­dhandel lässt den laschen Helden für sich werben. Gleichzeit­ig ziert er sich vor der Öffentlich­keit. Ein Interview? „Das wird sehr, sehr schwierig“, sagt seine Berliner Agentur. Anfragen via Facebook? Keine Antwort. Der Kulturkana­l Arte könnte etwas gegen ihn in der Hand haben, dort trat er schon öfter als Gast in Erscheinun­g. Irgendwie wird er sich arrangiere­n müssen. Denn die Anfragen werden mit 1220 nicht weniger werden. Yung Hurns Act erblüht hier zur Meistersch­aft. Er brüstet sich, so schöne Haare wie Karl-Heinz Grasser zu haben. Wer widerspric­ht, empfängt ein hingerotzt­es „Haltenmund­ulügst“. Darauf ein bettschwer­es „Yo!“, eh.

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 ?? Foto: Lukas Gansterer ?? Mit knappen Texten auf dem Weg zum Ruhm, der Wiener Rapper Yung Hurn: „Alle hassen uns, aber sie schauen.“
Foto: Lukas Gansterer Mit knappen Texten auf dem Weg zum Ruhm, der Wiener Rapper Yung Hurn: „Alle hassen uns, aber sie schauen.“

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