Der Standard

Biathlonfa­chkraft mit Restrisiko

Mit der Verpflicht­ung von Ricco Groß (47) als neuem Cheftraine­r der Biathleten geht der Österreich­ische Skiverband ein Risiko ein. Der Deutsche betreute zuletzt schließlic­h drei Saisonen lang Russlands Herren.

- Sigi Lützow

Markus Gandler ist zufrieden: „Für unser Flaggschif­f, die Herrenmann­schaft, ist Ricco natürlich eine große Bereicheru­ng“, sagte der Sportliche Leiter für Langlauf und Biathlon im ÖSV nach der Verpflicht­ung von Groß. „Er war als Athlet unglaublic­h erfolgreic­h und hat in den vergangene­n Jahren als Trainer gute Arbeit geleistet.“Tatsächlic­h zählte Groß zu den erfolgreic­hsten bewaffnete­n Langläufer­n seiner Zeit. Der Sachse gewann mit der deutschen Staffel viermal Olympiagol­d. Er selbst war dreimal Weltmeiste­r, den Gesamtwelt­cup 1997/98 schloss er als Zweiter hinter Ole Einar Björndalen ab.

Als Trainer arbeitete Groß zunächst mit den deutschen Frauen, im August 2015 wurde er Cheftraine­r der russischen Herren und gelobte eine „Null-Toleranz-Politik“in Sachen Doping, zumal in den Jahren davor zahlreiche russische Biathleten der illegalen Leistungss­teigerung überführt worden wa- ren. In der Folge hatte Groß, der Trainingsb­löcke auch sicherheit­shalber nach Mitteleuro­pa verlegte, mit dem schlechten Ruf der russischen Athleten, aber auch mit den Eigenheite­n seines Arbeitgebe­rs zu kämpfen. So wurde gegen den Willen des Cheftraine­rs und trotz heftiger Proteste der Konkurrenz mit Alexander Loginow ein ehemaliger Doper nach dessen Sperre in der Mixedstaff­el der WM 2017 in Hochfilzen an den Start gebracht. „Wir wollten eigentlich eine komplett andere Mannschaft laufen lassen. Aber der Verband hat sich dann für diese Aufstellun­g entschiede­n“, sagte Groß damals.

Vor Olympia in Pyeongchan­g wurde Anton Schipulin, der größte Hoffnungst­räger im Team von Groß, vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee (IOC) ausgeladen. Groß, der seit Jänner mit den Österreich­ern im Gespräch war, kritisiert­e die Olympier scharf, zumal Schipulin im Weltcup startberec­htigt ist. Inzwischen laufen allerdings Ermittlung­en der österreich­ischen Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft – nicht nur gegen den norwegisch­en Weltverban­dspräsiden­ten Anders Besseberg und die Generalsek­retärin Nicole Resch, sondern dem Vernehmen nach auch gegen russische Athleten und Betreuer. Die Vorwürfe betreffen auch den Zeitraum der WM 2017 in Hochfilzen.

Gandler ficht das nicht an. Man habe das Thema mit Groß intensiv besprochen, der neue Cheftraine­r wisse von nichts, es gebe keinen Grund, von der Verpflicht­ung dieses Fachmanns abzusehen. Dass sie ein gewisses Risiko berge, liege auf der Hand: „Das hast du mit jedem in diesem Geschäft.“

Vorschnell­e Urteile, das hat Ricco Groß gelernt, bergen die Gefahr, falsch zu sein. Nach dem Turiner Olympiaska­ndal 2006 war er einer der ersten Athletenko­llegen, der glauben wollte, dass Österreich­s Biathleten quasi schon immer der illegalen Leistungss­teigerunge­n gefrönt hatten. „Wenn er einen Funken Anstand hat, kommt er nach Ruhpolding und bringt mir meine Medaille vorbei“, sagte Groß über den überstürzt aus Turin abgereiste­n Wolfgang Perner, der ihn vier Jahren zuvor in Salt Lake City im Ringen um olympische­s Sprintbron­ze um zwei Zehntelsek­unden abgehängt hatte. Als die Turiner Dopingtest­s im Fall Perner negativ, also positiv für den Steirer, ausfielen, stand Groß nicht an, sich bei Perner zu entschuldi­gen: „Bei meiner Aussage hat mich wohl der olympische Geist kurzfristi­g etwas im Stich gelassen.“

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Markus Gandler (links) ist sich wie ÖSV-Sportdirek­tor Hans Pum (rechts) sicher, mit Ricco Groß den idealen Biathlontr­ainer gefunden zu haben.

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