Europa in Sorge über Zukunft des Atomdeals mit Iran
Iranischer Ayatollah droht mit Zerstörung Tel Avivs
Teheran – Bevor sich am Dienstag die Außenminister der drei EUUnterzeichnerstaaten in Brüssel treffen, um über die Zukunft des Atomabkommens mit dem Iran zu beraten, äußerte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel „große Sorge“, dass der einseitige Ausstieg durch US-Präsident Donald Trump „das Vertrauen in die internationale Ordnung verletzen“könnte.
Unterdessen kommen aus Teheran widersprüchliche Signale. Während der vergleichsweise gemäßigte Präsident Hassan Rohani, der als Verfechter des Deals mit dem Westen gilt, seinen Außenminister Javad Zarif zu den Unterredungen mit den Vertretern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der EU zu entsenden plant, warnt ein prominenter konservativer Ayatollah vor angeblichen Plänen Washingtons, nach dem Ende des Atomdeals die iranische Regierung zu stürzen – und vor der Zusammenarbeit mit den verbliebenen europäischen Unterzeichnerstaaten.
„Auch ihnen kann man kein Vertrauen schenken“, ließ Ahmad Khatami sein Publikum in einer im Staatsfernsehen übertragenen Predigt zum Freitagsgebet wissen. Um danach auch gegen den anderen Erzfeind des Teheraner Regimes zu wettern: Falls Israel, das seit langem vor einer nuklearen Aufrüstung des Iran warnt, weiter „töricht handelt“, werde man Tel Aviv und Haifa zerstören.
Iran dementiert Angriff
Während das Regime in Teheran dementiert, überhaupt Truppen in Syrien stationiert, geschweige denn Israel angegriffen zu haben, wirft die israelische Armee dessen Revolutionsgarden vor, am Donnerstag von Syrien aus mehrere Militärposten auf dem Golan erstmals direkt mit Raketen des Typs Grad und Fajr-5 beschossen zu haben. Wenig später hatte die israelische Armee mit Angriffen auf iranische Stellungen in Syrien zurückgeschlagen, 23 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein.
Am Freitag wurde bekannt, dass das syrische Regime von Bashar al-Assad vorerst ohne das von Moskau in Aussicht gestellte moderne Flugabwehrsystem S-300 auskommen muss. Damaskus brauche das System nicht, hieß es aus dem Kreml unmittelbar nach dem Besuch von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Russland zum Verzicht auf die Lieferung gedrängt hatte. Netanjahu befürchtet, dass die Raketen in die Hände der vom Iran protegierten Hisbollah gelangen könnten – und so Israels Luftüberlegenheit gefährdet wird. In der Vergangenheit hatte die israelische Luftwaffe des Öfteren Waffentransporte in Syrien bombardiert, die mutmaßlich die Hisbollah versorgen sollten. (flon)
Der Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus, abgehalten von Bundes- und Nationalrat am 4. Mai in der Hofburg, war aus mehreren Gründen ein bemerkenswertes Ereignis. Zunächst wurde dabei deutlicher als jemals zuvor, dass mit dem Abtreten schon fast aller Überlebenden des NS-Terrorregimes, an dem nicht nur Deutsche, sondern auch Österreicher aktiv, unterstützend oder hinnehmend beteiligt waren, neue Formen des Gedenkens und offiziellen Erinnerns angesagt sind. Über 70 Jahre lang hatten Zeitzeugen auf ihre Weisen von den erlittenen Verfolgungen noch erzählen können. Ihre Berichte, so vielfältig, widersprüchlich oder schematisiert nach den erlittenen Traumatisierungen sie auch waren, faszinierten immer durch die persönlichen Erfahrungen. Sie waren immer authentisch und konnten das erlebte Grauen auch nach Jahrzehnten mitteilen und für spätere Generationen nachvollziehbar machen.
Mit dem Verschwinden schon fast aller Zeitzeugen wird das Erzählen von persönlich Erlebtem, das „kommunikative Gedächtnis“, wie manche historische Gedächtnisforscher sagen, durch das „kulturelle Gedächtnis“ersetzt. Dieses äußert sich in Gedenkveranstaltungen der Verbände von familiären oder symbolischen Nachkommen der schon verstorbenen Überlebenden, oder in staatsoffiziellen Erinnerungsritualen. Ersteres hat vor allem in der Gedenkstätte Mauthausen stattgefunden, Letzteres fand in diesem Jahr in der Hofburg statt, in erstmaliger Anwesenheit auch von Spitzen und Mitgliedern der türkis-blauen Bundesregierung.
Besonders bemerkenswert bei dem Gedenkakt war jedoch zunächst, wie das weitgehende Fehlen der Zeitzeugen zu einer neuen Art authentischen Gedenkens gestaltet wurde, das sich an der Kunst (an literarischen Texten junger Österreicher und an Musik von verfolgten Komponisten) orientierte. Das geschah, indem die Lebensgeschichten von fünf Männern und Frauen, die ihre Haft in Mauthausen nicht (lange) überlebt hatten, exemplarisch vorgestellt wurden, und zwar durch Vertreter einer neuen Generation, in deren Händen die Neuformierung und Weitergabe der demokratiepolitischen „Lehren“aus der NS-Vergangenheit liegen werden, ja heute schon liegen. Diese jungen Menschen haben sich nicht in den Worten von „Nie mehr wieder!“und „Niemals vergessen!“verfangen, die nach 1945 so notwendig und damals noch nicht abgegriffen waren, wie Michael Köhlmeier später sagte. Aus jeweils ganz persönlichen Bezügen wurde hier, ohne einen besserwisserischen Zeigefinger, entworfen, wie sich diese Jungen vorstellten, dass – in Abhebung von rückwärts blickenden, manchen auch die NS-Zeit verharmlosenden Zeitgenossen – ihre Welt künftig beschaffen sein sollte.
Denkwürdig und einen Beifallssturm hervorrufend waren auch die Kontrapunkte, die der begnadete Erzähler Michael Köhlmeier im Anschluss daran setzte. In einer wenige Minuten dauernden Rede las er Vertretern der Regierungsparteien, die mit steinernen Minen zuhörten, gehörig die Leviten. Dabei wurde über die notorischen „Ausrutscher“, Verharmlosungen, Codierungen und direkten Ansagen antisemitischen Gedankenguts von FPÖ-Politikern und deren Umfeld Klartext geredet. Das immer noch „Landläufige“mit den NS-Untaten verbindend – nicht gleichsetzend –, mahnte der Schriftsteller: „Zum großen Bösen kamen Menschen nie mit einem Schritt, sondern mit vielen kleinen.“Und die „originelle Begriffsprägung vom „stichhaltigen Gerücht“, als das ein FPÖPolitiker die philanthropische und wissenschaftspolitische Tätigkeit von George Soros bezeichnet hatte, verwies Köhlmeier zu Recht in das „Wörterbuch der Niedertracht und der Verleumdung“; sie steht in direkter Kontinuitätslinie des heutigen Antisemitismus in Ungarn und Österreich mit der des Nationalsozialismus.
Mag sein, dass Köhlmeier auf solche xenophobe Abschottungsversuche verweisen wollte, als er sagte, es habe „auch damals schon Menschen gegeben, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlos- G. Botz: an die Konferenz von Évian-les-Bains denken. sen zu haben“. Im Kontext des Ganzen wurde jedoch nicht klar, dass mit dieser Anklage die anlaufende österreichische Flüchtlingspolitik und der Bundeskanzler, Sebastian Kurz, gemeint waren. Kurz, der immerhin die FPÖ in seine Regierung geholt hatte, kam bei Köhlmeier fast ungeschoren davon; er verstand auch die darin enthaltene Anklage nicht oder wollte sie nicht sehen, indem er entgegnete, Köhlmeiers Worte bezögen sich „eindeutig auf Nazis und Nazikollaborateure“.
Wer immer auch solches meinte, schlichtweg historisch falsch ist es, zu behaupten, dass die nationalsozialistischen Akteure der schließlich in den Holocaust mündenden „Judenpolitik“vor 1941 durchgehend versucht hätten, Juden an Flucht und Emigration zu hindern. Im Gegenteil, sie versuchten, diese durch Terrorisierung und Schikanen zu beschleunigen und den Zu-Vertreibenden zuvor auf alle nur möglichen Weisen ihr Eigentum und Vermögen abzunehmen. Was nicht immer bekannt ist: Eichmann kam im März 1938 zunächst „nur“als „Auswanderungsspezialist“der SS und als Experte für eine an Fließbandproduktion angelehnte Organisierung der möglichst raschen „Judenfrei-Machung“nach Wien.
Beschränkte Einwanderung
Es waren demokratischen Staaten, allen voran die USA, Frankreich und England, die sich im Juli 1938 auf der Konferenz von Évianles-Bains nicht über eine Aufhebung ihrer Einwanderungsbeschränkungen einigen konnten bzw. wollten. Jedoch für die Juden im NS-„Reich“begann sich schon 1938/39 die Lage katastrophal zu verschlechtern, woraufhin erst allmählich Emigrationsmöglichkeiten vor allem in England und USA aufgetan wurden. Doch mit dem Krieg wurden auch solche „Fluchtwege“immer weniger, und die Zwangsemigration ging nach denselben Abläufen, die Eichmann in Wien entwickelt hatte, in die Deportationen nach „Osten“und die Vernichtungslager über.
Köhlmeier hat es versäumt, diese verschlungenen Wege der historischen Abläufe klar nachzuzeichnen. Damit ging auch das, was er als einen Paukenschlag in der Hofburg gemeint haben mochte, daneben.
GERHARD BOTZ (Jahrgang 1941) ist emeritierter Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien. Er hat vor allem über Nationalsozialismus und Gewalt publiziert, zuletzt erschien von ihm „Nationalsozialismus in Wien“(2018 bei Mandelbaum in Wien).