Schach und Co am Wochenende
Eine Widmung zeigt die Nähe von Informatik und Schach bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Heute spielen die Maschinen längst ihr eigenes Spiel.
1841 erschien bei Sherwood, Gilbert and Piper in der Londoner Paternoster Row die dritte Auflage von George Walkers New Treatise on Chess. Walkers Einführung, heute fast vergessen, war bis zu Stauntons Handbook eines der erfolgreichsten Schachbücher im englischsprachigen Raum. Fast vergessen ist natürlich auch, dass Walker sein Buch Augusta Ada, der Countess of Lovelace, widmete. Walker verehrte die hochbegabte Tochter von Lord Byron und Anne NoelByron. Den Vater hatte sie nie kennengelernt, aber die überaus gebildete und an Naturwissenschaften interessierte Mutter ließ ihrer Tochter eine profunde mathematische Ausbildung angedeihen. Ada wurde die wichtigste Mitarbeiterin von Charles Babbage, dem Begründer der Idee der Analytical Engine, der universell programmierbaren Maschine, die das mechanische Präludium des Computers darstellt. Sie formulierte in Auseinandersetzung mit Babbage eine erste Programmiersprache, dieser erkannte Adas große Begabung und nannte sie eine „Enchantress of Numbers“.
Walkers Widmung an die große Mathematikerin zeigt die Wahlverwandtschaft von Mathematik und Schach. Über fast hundert Jahre blieb Schach das wichtigste Exerzierfeld für die Leistungsfähigkeit der künstlichen Intelligenz, einige Jahrzehnte lang konnten Menschen und Maschinen sogar miteinander konkurrieren. Das ist längst vorbei. Wir sind bestenfalls „Automatenhirten“(Günther Anders), die Schachprogramme spielen ihr eigenes Spiel, zuletzt bei der TCEC, der Top Chess Engine Championship. Die Programme Stockfish und Houdini spielten im Finale 100 Partien gegeneinander. Stockfish erwies sich als absolut überlegen und zerlegte seinen zaubrischen Konkurrenten mit 59:41 Punkten. Das Open-SourceProgramm gewann 20 Partien und verlor bloß zwei, bei 78 Unentschieden. Die Remisbreite war dabei geringer als im Fernschach. Das Spiel der Maschinen mit über 3400 Elopunkten ist natürlich taktisch ungeheuer ausgefeilt, die Partien sind allerdings – wie könnte es anders sein? – von jedem strategischen und ästhetischen Konzept befreit. Ihr Stil mutet deshalb ebenso kindlich wie brutal an. Diese Ambivalenz macht das Nachspielen unheimlich, zumindest für uns Menschen.
Stockfish – Houdini Internet 2018
1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Der subtile Zug des Dr. Tarrasch gegen die französische Verteidigung. 3… Le7 4.Sgf3 Sf6 Das klassische Abspiel. 5.e5 Sfd7 6.Ld3 c5 7.c3 Sc6 8.0–0 a5 9.a4 0–0
Ein anderer guter Weg für Schwarz ist 9... b6 10.De2 Lb7 11.Sb1 cxd4 12.cxd4 Sb4 mit gleichen Chancen.
10.Te1 b6 Schwarz sollte sein Spiel im Zentrum mit 10... cxd4 11.cxd4 Sb4 12.Lb5 Sb6 13.Sb1 Ld7 14.Sc3 Tc8 15.De2 Sc4 sicherstellen.
11.Lb1!? Stellt alle Zeichen auf Sturm, den direkten Königsangriff. 11... La6 12.Sb3
Te8 13.g3 Als Vorbereitung für den Bauernsturm h2– h4–h5. In der Folge befestigt Weiß sein Zentrum und geht am Königsflügel vor, während Schwarz versucht, das Gegenspiel über die cLinie in Gang zu setzen. 13… Dc7 14.Lf4 Tac8 15.h4 Sf8 16.h5 h6 Sonst spielt Weiß h5–h6 und zerstört die Bauernkette, die dem König als Schutz dient. 17.Dc1 Ein geschickter Zug. Jetzt muss Schwarz immer mit dem
Opfer auf h6 rechnen. 17…
Dd7 18.De3 Lc4 Schwarz bemüht sich energisch um ausreichendes Spiel.
19.Sbd2 cxd4 20.Sxd4 Sxd4 21.cxd4 La6 22.Sf3 b5?!
Dieses Vorgehen ist zu schwach. Schwarz musste sich mit 22... Ld8 oder 22… Tc7 verteidigen, was den Einschlag auf h6 abfedert.
23.Lxh6!! Genau im richtigen Moment! Die große Frage ist nun, ob der weiße Angriff durchdringen wird oder Schwarz genug Gegenspiel organisieren kann.
23… gxh6 Erzwungen, denn 23... bxa4 24.Lg5 Lb4 25.Lf6!! ist kaum auszuhalten. 24.Dxh6 Dd8 25.g4 Die zweite Angriffswelle setzt sich in Bewegung. Wenig bringt hingegen 25.Ld3 Tb8 26.Df4 Tb6. 25... bxa4 26.g5 Lb4 27.Te3! Erkennt, dass der schwarze Angriff im Sand verläuft, während der weiße Turm die Option hat, beim Königsangriff mitzuhelfen. 27… Tc1+ 28.Kg2 Lf1+ 29.Kh2 Tc7 Reumü
tige Rückkehr. 30.Kg3 a3? Ein verzweifelter Versuch, den Weißen von seinem Vorhaben abzulenken. Cooler war 30… La6! und Weiß muss erst zeigen, ob sein Angriff wirklich das hält, was er verspricht, z. B. 31.Sh2 Le7 32.f4 Tc1 33.Lh7+ Sxh7 34.g6 fxg6 mit Gleichgewicht. 31.bxa3
Lc3 Nach 31... Le7?! 32.g6 f5 33.Lxf5! exf5 34.Txf1 Db8 35.Kg2 ist Weiß schon fast am Ziel.
32.Sh2! Der Beginn des entscheidenden Manövers! Der Springer wird nach f6 geführt, wonach die schwarze Stellung zusammenbricht. 32… Lxa1 Auch 32... f5 33.gxf6 Lxd4 34.Sxf1 Sh7 35.Ta2 kommt schon zu spät. 33.Sg4 f5
34.Sf6+ Dxf6 Denn 34… Kf7 wird matt. 35.exf6 Ebenso klar ist 35.gxf6 Lxd4 36.Te1 Lc4 37.Kf3 Tec8 38.Lxf5! exf5 39.e6 mit Gewinn. 35... f4+ 36.Kxf4 Lxd4 1–0 wegen
37.Te1 nebst 38.Lg6 und 39.f7+.