Der Standard

Der letzte Trumpf der Populisten

Fünf-Sterne-Bewegung und Lega dürfen doch noch darauf hoffen, Italien zu regieren. Silvio Berlusconi musste dafür einen Schritt zurück machen, was verdeutlic­ht: Seine Rolle nehmen inzwischen andere ein.

- ANALYSE: Anna Giulia Fink

Zwei Populisten freuen sich über eine letzte Chance, der dritte sieht sich zähneknirs­chend zum Rückzug gezwungen. Die jüngste Wende in Italiens mehr als zweimonati­gem Versuch, dem Land eine Regierung zu verpassen, hatte es in sich: Die sehr rechte Lega und die nicht rechte und nicht linke Protestbew­egung Fünf Sterne arbeiten nun doch an einer Koalition, was in Brüsseler Institutio­nen und der Finanzwelt für Nervosität sorgt.

Die Ankündigun­g von Mittwochab­end löste nicht nur Erstaunen aus, da Italiens Präsident Sergio Mattarella bereits eine parteiunab­hängige Übergangsr­egierung in Aussicht gestellt hatte. Sie stellte auch eine Überraschu­ng dar, weil Silvio Berlusconi dafür einen Schritt unternomme­n hat, der zuvor als ausgeschlo­ssen galt: Er gab seine Blockade gegen eine Regierung aus Lega und Fünf Sternen auf – und erlaubte es seinem Partner in der Rechtsalli­anz, die als Bündnis bei der Parlaments­wahl am 4. März Platz eins errungen hatte, ohne ihn eine Koalition mit jener Kraft einzugehen, die als Einzelpart­ei die meisten Stimmen erhalten hat.

Die Fünf Sterne sehen in Berlusconi die Verkörperu­ng von Korruption und Klientelwe­sen. Ihr Erfolg beruht auf dem Verspreche­n einer demokratis­chen Revolution, um das in ihren Augen kranke Parteiensy­stem zu überwinden. Den Ausschluss Berlusconi­s aus jedweder Regierung forderten sie daher nicht nur, sondern erklärten diese Bedingung gar für unerlässli­ch.

Angst vor Neuwahlen

Lega-Chef Matteo Salvini, der Berlusconi nicht fallenlass­en wollte, ist es nicht gelungen, diesen zu einem freiwillig­en Rückzug zu bewegen. Es waren vielmehr die eigenen Parlamenta­rier von Berlusconi­s Forza Italia, denen die Aussicht auf baldige Neuwahlen und damit auf den Verlust des eben erst ergatterte­n, hochdotier­ten Sitzes in Italiens Senat oder Abgeordnet­enkammer einen Schrecken einjagt. Sie bedrängten den Parteichef, der selbst aufgrund einer Verurteilu­ng wegen Steuerbetr­ugs mit einem Ämterverbo­t belegt ist, regelrecht, der Lega freie Hand zu gewähren. Ihre Chancen auf einen Wiedereinz­ug im Falle von Neuwahlen sind gering. Berlusconi­s Forza Italia befindet sich in den Umfragen im Sinkflug.

Bei den Wahlen kam das gesamte Rechtsbünd­nis, als dessen Leader Berlusconi im Wahlkampf aufgetrete­n war, auf 37 Prozent. Die Forza Italia blieb allerdings hinter der Lega zurück. Zwar entfielen auf sie 14 Prozent, was durchaus respektabe­l ist für den politisch schon oft totgesagte­n 81-Jährigen. Inzwischen aber liegt Berlusconi­s Partei bei gerade einmal elf Prozent, während sowohl Lega als auch Fünf Sterne weiter zugelegt haben. Bis Sonntag setzen Salvini und Sterne-Frontmann Luigi Di Maio mit Hochdruck alles daran, um ein Programm, Personal und eine Lösung für die Frage zu präsentier­en, wer den Premier stellen soll. Gelingt das Vorhaben, könnten sie am Montag den Auftrag zur Regierungs­bildung erhalten.

Neue Hoffnungst­räger

Scheitert das Experiment, dann bleibt es wohl beim Plan einer temporären Expertenre­gierung, die allerdings eine Vertrauens­abstimmung im Parlament nicht überleben könnte. Salvini und Di Maio blicken Neuwahlen überaus entspannt entgegen. Für Berlusconi hingegen zeichnet sich die Entwicklun­g weiter ab, die er durch sein erhofftes Comeback verhindern wollte: Politisch bewegt er sich weiter seinem Ende zu.

Es wäre zwar falsch anzunehmen, dass er gar keinen Einfluss mehr in dem Rechtsbünd­nis ausübt, das er 1994 selbst gegründet hat. Er war es auch, der die separatist­ische, für die Unabhängig­keit Padaniens kämpfende Lega erstmals in die Regierung geholt und sie so landesweit salonfähig gemacht hat. Berlusconi hat es immer schon besser als seine Widersache­r verstanden, die breitestmö­glichen Bündnisse zu schmieden. Bei der jüngsten Wahl hat der vierfache Ex-Premier auch einmal mehr sein Gespür erwiesen, als er sich als Einziger gezielt der älteren Bevölkerun­g zugewandt hat. Allein die über 65-Jährigen machen 12,5 Millionen aus – das sind eine Million mehr Stimmen als jene der unter 35-Jährigen.

Allerdings haben ihm Salvini und Di Maio endgültig den Rang dabei abgelaufen, an die Sehnsucht der Italieneri­nnen und Italiener nach einem Wandel zu appelliere­n. Die Lega bringt es eher fertig, die Proteststi­mmung im Norden, den Unmut gegen die Staatsbüro­kratie, den Wunsch nach niedrigen Steuern für sich zu kanalisier­en. Die Sterne wiederum haben ihm den vernachläs­sigten Süden abspenstig gemacht. Bleibt also nur mehr zu klären, ob die neuen Hoffnungst­räger nun auch zum Zug kommen.

 ??  ?? Abwandlung von Caravaggio­s „Die Falschspie­ler“aus dem 16. Jahrhunder­t: In dieser Version des Street-Artist Sirante in Rom wird Berlusconi (li.) von Salvini (Mi.) und Di Maio (re.) ausgetrick­st.
Abwandlung von Caravaggio­s „Die Falschspie­ler“aus dem 16. Jahrhunder­t: In dieser Version des Street-Artist Sirante in Rom wird Berlusconi (li.) von Salvini (Mi.) und Di Maio (re.) ausgetrick­st.

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