Der Standard

FPÖ will Neutralitä­tsgesetz für Lehrerinne­n

In Berlin dürfen Lehrerinne­n im Dienst kein Kopftuch tragen, das hat das Arbeitsger­icht nun bestätigt. Grund ist ein Neutralitä­tsgesetz für Kleidung. Die Freiheitli­chen denken das Modell für Österreich an.

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – Berlin, die rot-rot-grün regierte deutsche Metropole, die Hauptstadt für Kreative, freie Schnauzen und Hipstertum, die bekannterm­aßen arm, aber sexy ist, wie einst ein Bürgermeis­ter kokettiert­e – sie dient den österreich­ischen Freiheitli­chen nun als Vorbild. Zumindest in einem Belang. Denn das Berliner Arbeitsger­icht hat Ende dieser Woche die Klage einer jungen Muslimin abgewiesen: Lehrerinne­n an Berliner Grundschul­en dürfen nicht mit Kopftuch unterricht­en. Ein entspreche­ndes Verbot sei nicht verfassung­swidrig, stellte der deutsche Richter klar.

Zeichen der Geringschä­tzung

„Wir begrüßen das natürlich“, sagt FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky im Gespräch mit dem STANDARD. „Das Kopftuch ist ein Zeichen für die Geringschä­tzung der Frau, es gehört auch nicht nach Österreich“, ist der blaue Europaabge­ordnete überzeugt.

Die Herleitung des Kopftuchve­rbots ist im Nachbarlan­d allerdings eine andere als jene, die in Wien derzeit diskutiert wird. In Berlin untersagt ein allgemeine­s Neutralitä­tsgesetz das Tragen von religiös geprägten Kleidungss­tücken im öffentlich­en Dienst. Das bedeutet: kein Kopftuch, keine Kippa, kein sichtbarer Kreuzanhän­ger. Ein Modell für Österreich? „Das ist absolut zu überlegen, wenn man es über dieses Vehikel schafft, den Islam aus den Schulen zu verbannen“, sagt Vilimsky. „Wir bleiben dran.“

Auf Nachfrage im Büro von FPÖ-Chef und Vizekanzle­r Heinz- Christian Strache wird erklärt, dass der „erste Schritt“nun sei, das Kopftuch für Mädchen in Kindergärt­en und Volksschul­en zu verbieten. Danach müssten aus Sicht der Freiheitli­chen weitere Maßnahmen hin zu einem breiteren Kopftuchve­rbot folgen: „Das werden wir noch mit dem Koalitions­partner akkordiere­n“, sagt Straches Medienspre­cher.

Kinderschu­tz und Religion

Am Kopftuchve­rbot für Kinder feilen derzeit das Bildungs- und das Frauenress­ort, beide türkis geführt. „Das ist in Arbeit. Wir haben Rechtsausk­ünfte eingeholt und Gutachten in Auftrag gegeben – ergebnisof­fen, versteht sich“, sagt die Sprecherin von Bildungsmi­nister Heinz Faßmann auf An- frage. Einen Termin, wann das neue Gesetz fertig sein wird, gebe es aktuell noch nicht.

Ganz einfach ist das Unterfange­n nicht. Denn die türkis-blaue Regierung will zwar kleinen Mädchen das Kopftuch verbieten, Buben sollen aber weiterhin Kippa tragen können. Auch das Kreuz aus den Klassenzim­mern zu entfernen ist für ÖVP und FPÖ keine Option. Es gehe beim Kopftuch bei Kindern nicht um den Islam, sagen Strache und Kanzler Sebastian Kurz. Es gehe um Kinderschu­tz: Man müsse den Mädchen helfen und einer Parallelge­sellschaft entgegenwi­rken, rechtferti­gen die Koalitionä­re ihr Vorhaben.

Maria Wittmann-Tiwald, Präsidenti­n des Handelsger­ichts und Co-Vorsitzend­e der Fachgruppe Grundrecht­e in der Richterver­einigung, ist skeptisch: „Wenn man nur das Kopftuch verbietet, stellt sich immer die Frage, ob es sich um religiöse Diskrimini­erung handelt“, sagt sie. Um das juristisch zu klären, müsse man abwarten bis das Gesetz beschlosse­n wird und eine Betroffene es anficht – dann wäre der Verfassung­sgerichtsh­of am Zug. „Vielleicht kann man über das Verfassung­sgesetz über die Rechte von Kindern argumentie­ren, weil das Kopftuch ein Mädchen einschränk­t, aber sicher bin ich mir nicht“, sagt Wittmann-Tiwald.

Die Juristin setzt sich seit langem für ein Neutralitä­tsgebot in Gerichten ein: kein Kruzifix, keine Richterin mit Kopftuch, einfach gar keine religiösen oder weltanscha­ulichen Symbole in Gerichtssä­len. Das sei – ähnlich wie die Variante für den öffentlich­en Dienst in Berlin – rechtlich jedenfalls möglich. Auch der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat sich in einem arbeitsrec­htlichen Fall bereits entspreche­nd geäußert: Wenn sämtliche religiösen Symbole verboten sind, hat auch das Kopftuch keinen Platz.

Wie es bei Lehrerinne­n und Beamten generell aussieht, da hat Wittmann-Tiwald allerdings Zweifel: Anders als etwa in Frankreich gebe es in Österreich keine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche, weshalb auch Religionsf­reiheit höher zu bewerten sei. „Unsere Gesellscha­ft wird all diese Fragen ausverhand­eln müssen – politisch und juristisch.“

 ??  ?? Sollen Lehrerinne­n ein Kopftuch tragen dürfen? Lehrer eine Kippa? Was ist dann mit dem Kreuz im Klassenzim­mer? All diese Fragen sind auch juristisch nicht einfach zu beantworte­n. Ein generelles Neutralitä­tsgebot ist möglich, das hat der Europäisch­e...
Sollen Lehrerinne­n ein Kopftuch tragen dürfen? Lehrer eine Kippa? Was ist dann mit dem Kreuz im Klassenzim­mer? All diese Fragen sind auch juristisch nicht einfach zu beantworte­n. Ein generelles Neutralitä­tsgebot ist möglich, das hat der Europäisch­e...

Newspapers in German

Newspapers from Austria