Der Standard

Ceta: Was Investoren einklagen können – und was nicht

Die Ratifizier­ung des Freihandel­sabkommens mit Kanada mit dem umstritten­en Investitio­nsgericht steht unmittelba­r bevor

- Günther Oswald

Wien – Für die FPÖ war die Sache im Vorjahr noch klar. Ceta, das Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Kanada, schränke das demokratis­che Selbstbest­immungsrec­ht der Staaten ein, deponierte der freiheitli­che Wirtschaft­ssprecher Axel Kassegger im Oktober im Parlament. Der blaue Justizspre­cher Harald Stefan warnte davor, dass durch die Investitio­nsschutzve­rfahren Staaten gegenüber großen Konzernen unter Druck geraten würden.

Nun, im Mai 2018, sieht die Sache schon anders aus. In den Regierungs­verhandlun­gen mit der ÖVP war die FPÖ bereits von ihrem Nein zu Ceta abgerückt. Aktuell wird auf Koalitions­ebene die Ratifizier­ung vorbereite­t. In den kommenden Wochen ist zunächst ein Ministerra­ts-, dann ein Parlaments­beschluss geplant. Jetzt ist es die SPÖ, die vor einem „Durchpeits­chen“von Ceta warnt.

Zur Vorgeschic­hte: Im Vorjahr trat nur ein Teil (wenn auch der größere) von Ceta vorläufig in Kraft. Es geht dabei um jene Bereiche, die in die alleinige Kompetenz der EU fallen. Mit 21. September 2017 wurden daher 98 Prozent aller Zölle mit Kanada abgeschaff­t, es gibt also kaum noch Handelshür­den.

Das von der FPÖ ursprüngli­ch so vehement abgelehnte Investitio­nsgericht, das bei Streitigke­iten angerufen werden kann, wird aber erst jetzt mit der Ratifizier­ung durch die Nationalst­aaten umgesetzt. Aus einem Regierungs­entwurf, der dem STANDARD vorliegt, geht nun hervor, wie dieses Gericht ausgestalt­et werden soll.

Ihm werden 15 Richter angehören, fünf nominieren die EU-Staaten, fünf Kanada und fünf werden aus Drittstaat­en kommen. Die Richter werden auf fünf Jahre ernannt und erhalten eine monatliche Grundvergü­tung, zudem sind „strenge Ethik- und Inkompatib­i- litätsbest­immungen“nach Vorbild der Internatio­nalen Rechtsanwa­ltsvereini­gung vorgesehen. Die Mitglieder dürfen also ab Ernennung weder als Rechtsbera­ter noch als von einer Partei benannter Sachverstä­ndiger oder Zeuge bei anhängigen Investitio­nsstreitig­keiten tätig werden.

Berufung möglich

Anders als klassische Schiedsger­ichte, die bisher bei Handelsstr­eitigkeite­n üblich waren, wird das Investitio­nsgericht auch eine Berufungsi­nstanz haben. Alle relevanten Schriftstü­cke aus den Verfahren müssen „öffentlich verfügbar gemacht werden“.

Geklagt werden kann immer dann, wenn ein Investor der Meinung ist, dass ihm durch eine Diskrimini­erung ein Schaden entstanden ist. Das heißt freilich nicht, dass jedes Gesetz, das zu einer Belastung führt, sofort angefochte­n werden kann. Aussichtsr­eich ist eine Klage eben nur, wenn ausländisc­he Investoren gegenüber inländisch­en schlechter gestellt werden. Damit es nicht zu einer ausufernde­n Klagsflut kommt, gibt es auch die Möglichkei­t von „beschleuni­gten Verfahren für Klagen, die offenkundi­g ohne Rechtsgrun­d sind“.

Gewinnt ein Unternehme­n, besteht Anspruch auf „Schadeners­atz in Geld oder auf die Rückerstat­tung von Vermögensw­erten“. Aber: Gesetze, die zum Schaden geführt haben, kann das Gericht keinesfall­s aufheben.

Nach dem Beschluss durch das österreich­ische Parlament soll das Abkommen unmittelba­r angewendet, auch wenn zahlreiche andere Staaten Ceta noch nicht ratifizier­t haben. Im Entwurf für den Ministerra­t schreibt das Außenminis­terium aber auch, dass möglicherw­eise noch Nachverhan­dlungen notwendig werden könnten. Denn: Belgien hat wegen der Investoren­schutzklau­seln einen Antrag auf ein Gutachten des Europäisch­en Gerichtsho­fs gestellt. Werden in diesem Unvereinba­rkeiten mit dem Unionsrech­t festgestel­lt, müsste man sich mit den Kanadiern wieder an den Verhandlun­gstisch setzen. Kommentar S. 40

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