Der Standard

Der Kampf des Goran Djuricin

Goran Djuricin hat sich durchgebis­sen, er ist von Kindesbein­en an gegen den Strom geschwomme­n. Zur Belohnung darf er Cheftraine­r von Rapid bleiben. Der Weg zur Ikone ist freilich noch weit.

- Christian Hackl

Es ist rund 30 Jahre her, dass der kleine Goran Djuricin ein Frühstück streichen musste, weil er keinen Bissen runterbrac­hte. Er hätte sich übergeben, gespieben wie ein von Selbstzwei­feln geplagter Reiher. Zu Mittag stand bei der U14 von Rapid ein Waldlauf an. Goran hatte Angst davor, war den Tränen nahe. Amir Bradaric, schon damals sein bester Haberer, war diesbezügl­ich etwas lockerer, versuchte, den „Gogo“aufzubauen, zu trösten. Er scheiterte grandios. „Ich hatte Panik. Nicht, dass ich es nicht schaffe, sondern dass ich nur Zweiter werde. Zweiter war eine Niederlage. Einerseits war diese Einstellun­g gut, anderersei­ts war sie eine kleine Katastroph­e.“In diesem Dilemma steckt der 43jährige Djuricin noch heute. „Aber es ist abgeschwäc­ht.“

Vor knapp zwei Wochen wurde sein Vertrag als Cheftraine­r von Rapid um ein Jahr verlängert – plus Option. Das Präsidium hat den Vorschlag von Sportvorst­and Fredy Bickel letztendli­ch einstimmig abgesegnet. Für den Schweizer war er alternativ­los: „Djuricin ist ehrlich, lernfähig, willenssta­rk, korrigiert sich selbst. Er ist ein Kämpfer. Die Mannschaft reagiert gut auf ihn. Er kann Spieler entwickeln, schafft es, negative Phasen zu übertauche­n.“Bickel ist prinzipiel­l ein Verfechter längerfris­tiger Verträge. „Aber bei Rapid ist man vorsichtig geworden, das ist zu akzeptiere­n und zu verstehen.“

Djuricin selbst empfand „Erleichter­ung und Freude. Eine Herausford­erung, auf mich warten viele Aufgaben. Es hat sich gezogen, das hat an den Nerven gezehrt. Es gab Phasen, in denen es mir nicht gut ging. Und solche, in denen alles an mir abgeprallt ist.“

Wien, Kaisermühl­en in den 1980ern. Dort spielt der Blues, es herrscht das Gesetz der Straße. Goran hat zehn Geschwiste­r, er ist der Jüngste. Als er 13 ist, stirbt sein Vater. Zu siebent leben sie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die Mama arbeitet rund um die Uhr, gibt ihr Bestes. „Ich war ein Kind der Straße, kämpfte, war es gewohnt, mich zu wehren. Erst im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass man besser mit Argumenten antwortet.“Aus der Fußballerk­arriere wird aufgrund von Verletzung­en nichts, mit 18 wird er erstmals Vater (Sohn Marco kickt bei Grasshoppe­r Zürich), fünf Jahre später zum zweiten Mal. „Ich war zwei Jahre zu Hause, mir ist es ganz schlecht gegangen.“

Schmerzens­geld

Ein Haberer verschafft ihm einen Job bei der Pensionsve­rsicherung­sanstalt, Djuricin verstaut Berge von Akten in Schränken, auch bei ihm kehrt Ordnung ein. Worauf es im Leben ankommt? „Demut, Respekt, Familie, Ge- sundheit, Erfolg im Job.“Wobei Geld für ihn nie eine große Rolle spielte. „Ich bin kein Sparefroh, ich will leben. Es ist ja manchmal wirklich Schmerzens­geld.“

Fußball war zunächst ein Nebenerwer­b. 2012 fand er sein Glück in Ebreichsdo­rf, Ende 2016 holte ihn Damir Canadi als Assistent zu Rapid. Canadis Ära war kurz und von Misserfolg­en geprägt, im April 2017 setzten die üblichen Mechanisme­n ein. Canadi wurde gefeuert, Djuricin befördert. Rapid war in akuter Abstiegsge­fahr. „Ich wurde ins kalte Wasser geworfen.“Er schwamm gegen den Strom noch auf Platz fünf, also blieb er für die Saison 2017/18 im Amt. Nebenbei büffelte er für die Uefa-Pro-Lizenz, mittlerwei­le hat er sie, er dürfte rein theoretisc­h auch Real Madrid trainieren.

Djuricin kämpft nach wie vor um Anerkennun­g, gegen Vorurteile. In sozialen Medien wird er gemobbt, kritisiert, beleidigt. Er hat beschlosse­n, diese Abgründe zu ignorieren. „Aber andere erzählen sie dir. Ich weiß gerade einmal, wie man Facebook und Instagram schreibt.“Djuricin nennt ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenh­eit. Als die Aufstellun­g vor dem Derby publik wurde und Rapid ohne nominellen Stürmer antrat, wurde der Trainer verhöhnt, der Ahnungslos­igkeit bezichtigt, seine Entlassung gefordert. Rapid schlug die Austria 4:0. „Und dieselben Leute habe dann Herzerln geschickt. Ich würde mir nie anmaßen, die Arbeit eines Malers, Elektriker­s oder Mechaniker­s zu beurteilen. Außerdem würde ich jedem auch Fehler zugestehen.“

Natürlich hat Djuricin Kritikern Stoff geliefert. Da waren die Spuckaffär­e und nicht gerade nobelpreis­verdächtig­e Aussagen. In ihm stecke zu viel Ebreichsdo­rf, Rapid sei ein paar Schuhnumme­rn zu groß, hieß es. „Manche Dinge von mir waren total blöd. Ich lasse mir die Emotionen trotzdem nicht nehmen, das ist gut und manchmal schlecht.“Djuricin hat reagiert, einen Medienbera­ter engagiert. „Ich glaube, meine Interviews sind besser geworden.“

Vorbilder

Rapid ist Dritter, der Klub steckt in einer schwierige­n Phase, ist seit zehn Jahren ohne Titel – eine Rekordleer­e. „Ich werde mir Mühe geben, alles probieren.“Unter Djuricin sind Spieler deutlich besser geworden. Thomas Murg, Kapitän Stefan Schwab, Tormann Richard Strebinger, Dejan Ljubicic. Er selbst hatte einst Zoran Barisic als Vorbild, nun taugt ihm die Mischung aus Jürgen Klopp und Pep Guardiola. „Gutes Positionss­piel, schnelles Umschalten.“

Am Sonntag besucht Meister Red Bull Salzburg das AllianzSta­dion. „Die Chancen sind immer 50 zu 50.“Djuricin sagt, im Leben sei alles möglich. „Ich bin das beste Beispiel dafür. Man muss die Mitte finden.“Er sei keine Ikone von Rapid, müsse sich den Respekt, die Zuneigung der Fans erarbeiten. „Ich habe keinen Bonus, keine Lobby.“In Ebreichsdo­rf habe er sich nach Siegen richtig gefreut, zwei Gläser Bier getrunken. „Bei Rapid ist der Druck enorm. Man freut sich nicht immer, man ist manchmal nur erleichter­t.“

Ob der Klub in einem Jahr die Option zieht, weiß er nicht. „Das hängt nur vom Erfolg ab.“So sei das Gesetz des Fußballs. Und vielleicht auch jenes der Straße. Den Waldlauf hat Goran Djuricin übrigens knapp gewonnen.

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Goran Djuricin (43) wird auch am Sonntag gegen Meister Salzburg Emotionen zeigen.

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