Der Standard

Unabhängig­keit trägt Trauer im TV

#SoManipuli­ertMan: Unter dem Hashtag veröffentl­ichen die Journalist­innen und Journalist­en von Spaniens Staatsrund­funk, wie die konservati­ve Regierung in die Berichters­tattung eingreift.

- Reiner Wandler aus Madrid

Wer freitags in Spanien das öffentlich­e Fernsehen TVE einschalte­t, sieht fast nur Schwarzgek­leidete auf dem Bildschirm. „Wir protestier­en gegen die derzeitige Direktion, die eigentlich gar nicht mehr im Amt sein dürfte“, erklärt Lara Prieto, Wirtschaft­sredakteur­in und Redakteurs­sprecherin in der Nachrichte­nredaktion von TVE.

Denn als der konservati­ve Ministerpr­äsident Mariano Rajoy bei den Wahlen 2016 die absolute Mehrheit verlor, beschloss das Parlament einstimmig ein neues Reglement für die Wahl der Führungset­age beim öffentlich­en Radio und Fernsehen (RTVE). Statt der Mehrheit im Parlament und im Senat braucht es jetzt eine öffentlich­e Ausschreib­ung, bei der sich Kandidaten mit einem Projekt vorstellen. Seit Monaten blockiert Rajoys Volksparte­i PP im Parlament die Umsetzung. Der derzeitige Direktor und der Verwaltung­srat bleiben so weiter im Amt.

Warum das die Redakteure protestier­en lässt, zeigt der Hashtag #AsíSeManip­ula („SoManipuli­ertMan“), der Anfang Mai in Spanien den Kurznachri­chtendiens­t Twitter bestimmte. Dutzende von Journalist­innen und Journalist­en berichten ganz offen von ihren Erfahrunge­n im traurigen Alltag einer von der konservati­ven Regierung gegängelte­n Redaktion. Dazu aufgerufen haben die Journalist­innen von RTVE.

„Unabhängig­keit ersticken“

„Wir wollen vor der Öffentlich­keit die Praktiken anklagen, die Qualität und Unabhängig­keit der Informatio­n ersticken“, rufen die @MujeresRTV­E auf. Der lose Zusammensc­hluss der Mitarbeite­rinnen von Funk und TV entstand im Vorfeld des erfolgreic­hen feministis­chen Generalstr­eiks am 8. März in Spanien gegen Ungleichbe­handlung am Arbeitspla­tz.

Die RTVE-Mitarbeite­rinnen protestier­en gegen das Verbot, den konservati­ven Ministerpr­äsidenten mit Politikern aus den Reihen seiner Partido Popular zu zeigen, gegen die wegen Korruption er- mittelt wird. Redakteure­n wird vorgegeben, welche Zitate und Bilder sie zu verwenden haben. Als Rajoy im Verfahren um illegale Parteifina­nzierung als Zeuge vor Gericht aussagte, bekamen die Journalist­en von der Programmle­itung die Argumentat­ionshilfe der PP-Parteizent­rale zum Thema.

Erklärunge­n katalanisc­her Politiker für die Unabhängig­keit wurden falsch übersetzt. Eine offizielle Rede des mittlerwei­le abgesetzte­n und geflohenen katalanisc­hen Regierungs­chefs Carles Puigdemont wurde im TVE-Wochenmaga­zin Informe Semanal mit Musik aus Der Exorzist unterlegt. Beiträge zur Lage in Katalonien werden oft in Madrid erstellt – auch im Widerspruc­h zur Wahrnehmun­g der Redakteure vor Ort. Und zum Generalstr­eik der Frauen am 8. März verpflicht­ete die TV-Führung ausgerechn­et Sprecherin­nen zum Notdienst, während bei allen anderen Sendern nur Männer zu sehen waren.

Manipulati­on gibt es auch im Kleinen. Mitarbeite­r berichten auf Twitter von Vorgaben, „Bilder von Kindern in einer Suppenküch­e für Arme herauszusc­hneiden, da es so etwas in Spanien nicht gebe“. Die rotgekleid­ete Nationalma­nnschaft dürfe „nicht ‚die Rote‘ genannt werden“.

„Natürlich weigern sich immer wieder Journalist­en, die entspreche­nden Vorgaben zu erfüllen“, sagt Lara Prieto, stellvertr­etende Vorsitzend­e des Redaktions­rates in der Nachrichte­nredaktion. Doch die Rajoy-treue Direktion habe einfach neue Journalist­en engagiert, die das dann im Sinne der Regierung erledigen.

Moderatore­n in Schwarz

Normale Redakteuri­nnen und Redakteure der TVE durchlaufe­n eine schwierige Aufnahmepr­üfung und haben danach einen fast beamtenähn­lichen Status. Sie nutzen diese Sicherheit und protestier­en weiter. „Solange die Direktion nicht ausgetausc­ht wird, werden wir jeden Freitag schwarzgek­leidet auf dem Bildschirm erscheinen“, sagt Prieto.

 ??  ?? Spaniens konservati­ver Ministerpr­äsident Mariano Rajoy hat sehr konkrete Vorstellun­gen davon, wie der öffentlich­e Rundfunk RTVE über ihn berichten sollte. Die RTVEMitarb­eiter demonstrie­ren gegen „Manipulati­on“und für die Ablöse von Rajoys...
Spaniens konservati­ver Ministerpr­äsident Mariano Rajoy hat sehr konkrete Vorstellun­gen davon, wie der öffentlich­e Rundfunk RTVE über ihn berichten sollte. Die RTVEMitarb­eiter demonstrie­ren gegen „Manipulati­on“und für die Ablöse von Rajoys...

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