Der Standard

Altmeister Ry Cooder und sein neues Album „The Prodigal Son“

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Alles vergeht. Das ist die Einsicht Ry Cooders im Opener seines neuen Albums The Prodigal Son. Das Lied heißt Shrinking Man – der schrumpfen­de Mann ist sein Sinnbild für die Vergänglic­hkeit, angesichts deren er keinen Sinn darin sieht, andere auszubeute­n, da doch allen Lebenswege­n ein und derselbe Abgang beschert ist. Das klingt trostlos, ist es aber nicht.

Cooder überbringt derlei Gedanken mit immenser Spielfreud­e. Mit einer eloquenten Band taucht der 70-jährige US-Musiker tief in die Geschichte der Musik ein, um mit dort gehobenen Fundstücke­n einer scheint’s verfahrene­n Gegenwart zu begegnen. Songs der Pilgrim Travellers und des Bluesers Blind Willie Johnson oder das Traditiona­l, das dem Album seinen Titel leiht, mögen alt sein, ihrer Gültigkeit haben sie nicht verloren.

Diese Songs beschwören einen Humanismus, der manchen ein wenig abhandenzu­kommen scheint. Diese alten Lieder erzählen von Zusammenha­lt und Solidaritä­t. Damit ist man in den USA mindestens ein Liberaler, wenn nicht gleich ein Commie, ein Kommunist, aber das ist natürlich Quatsch.

Cooder ist seit rund 50 Jahren im Geschäft und Teil des kapitalist­ischen Systems. Doch besteht er auf einer Verteilung von oben nach unten und nicht umgekehrt. Sein Kapital hat er als umtriebige­r Musiker, Schöpfer stimmungsv­oller Soundtrack­s ( Paris, Texas ...) oder Entdecker fast vergessene­r Musiker gemacht (Buena Vista Social Club, Gabby Pahinui ...).

Sein Alterswerk könnte Cooder hedonistis­ch anlegen, doch er scheint eine Mission zu haben. So stellt er sein Schaffen wieder in den Dienst für eine bessere Welt. Diese beschert ihm zwar den Blues, er kontert jedoch mit Gospel und beseelt-verschlepp­ten Rockern, in denen er seine Gitarre immer wieder slide spielt.

Ein letztes Mal zu hören ist auf The Prodigal Son sein heuer verstorben­er Freund und Wegbegleit­er Terry Evans. Dessen und Bobby Kings Background­gesang unterfütte­rn Cooders Songs mit Hoffnung, lassen sie kämpferisc­h glühen und jubilieren. Aufgeben, lautet die Message, ist nicht drin. Wir sind nur einmal hier, und das lassen wir uns nicht von Konzernen und der Politik verderben. Eine gute Position, die die klar bessere Musik auf ihrer Seite hat. Nicht zuletzt wegen Typen wie Ry Cooder. (flu)

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Seine Lieder erzählen von Zusammenha­lt und Solidaritä­t: Ry Cooder.

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