Der Standard

Die Rassisten der FPÖ beim Namen nennen

In der Debatte um Antisemiti­smus muss in Österreich endlich etwas vorwärtsge­bracht werden. Dazu gehört vor allem, dass Redlichkei­t in den Diskurs einkehrt. Insbesonde­re bei der Regierungs­partei FPÖ.

- Oskar Deutsch

Ein Thema prägte die vergangene­n Wochen: der Umgang mit dem Problem des Antisemiti­smus. Zuletzt führte Michael Köhlmeiers denkwürdig­e Gedenkrede in der Hofburg zu teils sehr emotionale­n Reaktionen. Sosehr ich es begrüße, dass wir uns als Gesellscha­ft dieser Thematik so intensiv widmen: Die Debatte bringt Österreich nur dann vorwärts, wenn wir auch über Konsequenz­en reden.

Leider verdecken ideologisc­he Scheuklapp­en und mediale Verkürzung­en den Blick auf das Wesentlich­e. Die Frage, ob 90, 99 oder 100 Prozent von Köhlmeiers Rede uneingesch­ränkt richtig sind, ist nebensächl­ich. Aber zur Klarstellu­ng: Hätte Köhlmeier die von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz vorangetri­ebene Schließung der sogenannte­n Balkanrout­e tatsächlic­h mit den Verbrechen der NSZeit verglichen, wäre der Vorwurf der Verharmlos­ung zu Recht erhoben worden. Das hat er nicht getan. Aber: Auch die Verweigeru­ng der Nothilfe durch Drittstaat­en in den 1930er-Jahren sollte keinesfall­s mit der Schließung der Balkanrout­e für nach Europa flüchtende Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanista­n verglichen werden.

Schutzsuch­enden zu helfen, sie zu versorgen ist heute wie damals ein Gebot der Menschlich­keit. Die uneingesch­ränkte Aufnahme jedes Flüchtende­n in nur wenigen Ländern der EU ist daraus aber nicht abzuleiten. Es liegt an Politik und Behörden, sicherzust­ellen, Asylwerber keiner Lebensgefa­hr auszusetze­n. Und es liegt an der Zivilgesel­lschaft, wachsam zu sein, dass die humanistis­chen Prinzipien unserer Demokratie unversehrt bleiben. Der Erhalt dieses demokratis­chen Gleichgewi­chts ist zentral.

Vom Kern ablenken

Die Diskussion über Fluchtrout­en lenkt aber vom Kern der Rede Köhlmeiers ab. Er beschäftig­te sich überwiegen­d mit der Glaubwürdi­gkeit der FPÖ im heurigen Gedenkjahr: Die Shoah und der sich auch – aber nicht ausschließ­lich – daraus ableitende Auftrag, gegen jede Form des Antisemiti­smus aufzutrete­n, wurden allzu oft politisch missbrauch­t. Die FPÖ war es, die versuchte, mit dem absolut richtigen Hinweis auf das wachsende Problem des muslimisch­en Antisemiti­smus von ihrer eigenen Geschichte – und leider auch Gegenwart – abzulenken.

Um es an dieser Stelle klar auszusprec­hen: In ganz Europa und in unserem Land gibt es nicht nur die Judenfeind­lichkeit von rechts, sondern auch jene von links und zudem den zuletzt immer stärker zutage tretenden muslimisch­en Antisemiti­smus. Wenn Vertreter einer dieser Strömungen eine andere anklagen, hebt das ihr eigenes Verhalten und ihre Einstellun­gen nicht auf.

Wenn wir historisch­e Vergleiche bemühen, sollten wir genau sein. Der erste Schritt auf dem Weg zur Massenvern­ichtung war Antisemiti­smus. Und in vielen Parteien gab es Antisemite­n.

Aber es waren die Deutschnat­ionalen, die den Antisemiti­smus zu einer politische­n Waffe machten und vor einer „Zersetzung“der Gesellscha­ft durch Juden warnten. Sie legten ein Fundament des Hasses, auf dem die Nazis aufbauten und das in den Krematorie­n der Konzentrat­ionslager mündete.

Der rassistisc­he Ungeist lebt in vielen deutschnat­ionalen Burschensc­haften weiter. Seien wir wieder genau: Sie sind keine Nazis, sie sind die Nachfolger der Vorgänger der Nazis. Ihr politische­r Arm ist die FPÖ. Gegen diesen Umstand ist die Parteiführ­ung trotz mancher symbolisch­er Akte und oft unter öffentlich­em Druck erfolgter Distanzier­ungen bis heute nicht vorgegange­n.

Auch Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas benutzt die Waffe des politische­n Antisemiti­smus und der Geschichts­fälschung. Die Juden seien wegen ihres sozialen Verhaltens selbst an der Shoah schuld, sagte er. Ähnlich wie hochrangig­e FPÖ-Vertreter ruderte Abbas nach einer Welle der Empörung zurück. Beide sind nicht glaubwürdi­g. Ihre Taten stehen im Widerspruc­h zu ihren Worten.

Nun ist der muslimisch­e Antisemiti­smus eine besonders unmittelba­re Bedrohung. Darauf machen jüdische Gemeinden in ganz Europa seit Jahren aufmerksam. Lange wurden wir ignoriert. Es ist unerträgli­ch, dass jüdisches Leben in vielen Teilen Europas nur unter aufwendige­n Sicherheit­svorkehrun­gen möglich ist, auch in Österreich. Gleichzeit­ig ermuntert mich aber die Solidaritä­t vieler nichtjüdis­cher Europäerin­nen und Europäer. Die Mehrheit hat sehr wohl aus der Geschichte gelernt.

Einige haben das aber nicht, und dazu gehören auch Vertreter der politische­n Linken. Diesen medial oft sehr lauten Antizionis­ten fehlt es an zwei Dingen: dem moralische­n Kompass und der Bildung. Boykottauf­rufe, etwa wenn Künstler von Auftritten in Israel abgehalten werden sollen oder der Ruf nach Importverb­oten, erinnern an das im Naziregime gebräuchli­che „Kauft nicht bei Juden“. Und auch das Argument, man müsse Israel kritisiere­n können, ist ein Ablenkungs­manöver. Es gibt kein Land, das häufiger kritisiert und verurteilt wird als Israel – in den allermeist­en Fällen zu Unrecht.

Doch zurück zum rechten Antisemiti­smus und jener Partei, Cartoon: Rudi Klein (www.kleinteile.at) deren Führung diesem angeblich nun abschwören möchte: Eine ehrliche Abkehr von Ewiggestri­gem würde ich begrüßen. Allein: Die Beteuerung­en aus der FPÖ sind unglaubwür­dig. Antisemite­n zuerst in einer deutlichen Rede die Türe zu weisen ist beachtensw­ert. Allerdings werden diese Worte zu hohlen und wohl nur taktisch motivierte­n Phrasen, wenn man sich sofort wieder schützend hinter diejenigen stellt, auf deren Buden neonazisti­sche Liederbüch­er gefunden werden.

Die Ankündigun­g, braune Flecken zu entfernen wird durch das Betreiben und Unterstütz­en von klar antisemiti­schen Publikatio­nen wie Aula, alles roger oder unzensurie­rt.at unglaubwür­dig.

Und es ist eine Chuzpe, sich von Antisemiti­smus zu distanzier­en und gleichzeit­ig antisemiti­sche Verschwöru­ngstheorie­n zu bedienen. Der Gipfel ist es dann, dafür auch noch den israelisch­en Premiermin­ister als Kronzeugen zu missbrauch­en. Benjamin Netanjahu hat kein „stichhalti­ges Gerücht“, so wie führende FPÖ-Vertreter, über George Soros verbreitet, er hat ihn in einer innenpolit­ischen Auseinande­rsetzung dafür kritisiert, regierungs­kritische NGOs in Israel zu unterstütz­en. Auf das antisemiti­sche Stereotyp des „dubiosen, vermögende­n und die Gesellscha­ft zersetzend­en Juden“hat er sich selbstvers­tändlich nicht gestützt.

Solange in der heiklen Debatte um den Antisemiti­smus, egal welcher Provenienz, keine Redlichkei­t einkehrt und bloß getarnt und getäuscht wird, um billige innenpolit­ische Punkte zu machen, bringt uns das nicht vorwärts. Dabei hätte das unser Land und seine Bewohner längst verdient.

OSKAR DEUTSCH (Jg. 1963) ist Unternehme­r und seit 2012 Präsident der Israelitis­chen Kultusgeme­inde Wien sowie des Bundesverb­andes der Israelitis­chen Kultusgeme­inden Österreich­s.

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Foto: APA Oskar Deutsch: Ungeist lebt bei Burschensc­haftern weiter.

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