Der Standard

Verfassung­sschmutzwä­sche

Die von Herbert Kickl unterstütz­te Kampagne gegen das BVT hat einen hohen Preis

- Fabian Schmid

Mit jedem Blatt Papier, das aus den Ermittlung­sakten gegen den Verfassung­sschutz (BVT) nach außen dringt, wird die Causa absurder. Diese Woche tauchten die Aussagen jener vier bislang geheimen Zeugen auf, die laut Staatsanwa­ltschaft für die Hausdurchs­uchung Ende Februar gesorgt hatten. Wer die knapp einhundert Seiten der Protokolle durchliest, die nach außen drangen, weiß noch immer nicht genau, warum. Da wird vor der Staatsanwa­ltschaft Schmutzwäs­che gewaschen und ein Best-of der Gerüchte über BVT-Kollegen geliefert. Konkrete Vorwürfe, die eine derart spektakulä­re Razzia rechtferti­gen würden, fehlen aber.

Nun ist schon klar, dass der Verfassung­sschutz mehr Kottan als FBI ist. Teilweise verblüffen die Wortmeldun­gen der ehemaligen Mitarbeite­r aber selbst langjährig­e Beobachter des Nachrichte­ndienstes. Da gibt eine Mitarbeite­rin etwa zu Protokoll, sie habe ihrem Chef, der mit nordkorean­ischen Passrohlin­gen prahlte, gebeten, sie „mit seinen Geschichte­n in Ruhe zu lassen“. Ein ehemaliger Abteilungs­leiter behauptet, er sei vom Kabinett des Innenminis­teriums gezwungen worden, einen Mitarbeite­r zu behalten, weil dieser „zu viel weiß“. Ein dritter Zeuge will heimlich beobachtet haben, wie sich zwei Kollegen im Büro über korrupte Nebentätig­keiten unterhalte­n haben.

Das alles wirft kein gutes Licht auf den Verfassung­sschutz. Auch nicht auf dessen bisherige Führungseb­ene, die Objekt der Ermittlung­en ist. Denn entweder die wiedergege­benen Inhalte sind wahr: Dann herrschen im BVT Unvereinba­rkeiten und Chaos, was das Vertrauen in die oberste Sicherheit­sbehörde durchaus erschütter­t. Oder die Geschichte­n sind das Produkt überborden­der Fantasie oder glatte Lügen – dann muss man sich aber fragen, warum diese Belastungs­zeugen jahrelang im Verfassung­sschutz arbeiten können oder konnten. ach den Zeugenauss­agen und den Umständen, die zu ihnen führten, muss man Innenminis­terium und Staatsanwa­ltschaft einmal mehr fragen, was sie sich bei der spektakulä­ren Razzia eigentlich gedacht haben. Das soll nicht heißen, dass der Verfassung­sschutz sakrosankt wäre. Im Gegenteil: Eine enge ministerie­lle und parlamenta­rische Kontrolle ist nötig. Aber wenn die erste Belastungs-

Nzeugin, die von einem Kabinettsm­itarbeiter des frisch vereidigte­n FPÖ-Innenminis­ters „vermittelt“wurde, der Staatsanwa­ltschaft sagt, sie wisse selbst nicht genau, warum sie heute hier bei der Befragung sei, dann sollten für erfahrene Staatsanwä­lte doch alle Alarmglock­en schrillen.

Der zweite Belastungs­zeuge behauptet steif und fest, das ominöse Konvolut voller übertriebe­ner oder falscher Vorwürfe nicht selbst verfasst, ja nicht einmal gelesen zu haben – seine Aussage deckt sich stellenwei­se aber fast wortgleich mit dem Dossier. Auch das ist der Staatsanwä­ltin offenbar nicht aufgefalle­n. Wenn man dann hört, dass hinter den Kulissen immer noch eine dubiose Partnersch­aft zwischen Staatsanwa­ltschaft und Kabinett besteht und beide offenbar koordinier­t nach neuen Zeugen suchen, dann wird der Eindruck einer politisch motivierte­n Ermittlung nicht schwächer.

Das ist gefährlich, weil die Ermittlung­en die Funktionsf­ähigkeit der Behörde einschränk­en. Und es ist schade, weil eine sinnvolle Neuorganis­ation des BVT auf Jahre unter einem schlechten Stern steht. Der Sicherheit Österreich­s hat Innenminis­ter Herbert Kickl damit keinen Gefallen getan.

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