Der Standard

KOPF DES TAGES

Katalonien­s neuer Premier ohne Justizprob­leme

- Reiner Wandler

Katalonien bekommt einen neuen „President de la Generalita­t“: Joaquim Torra i Pla, genannt Quim, soll am Wochenende von der Mehrheit der Befürworte­r der Unabhängig­keit Katalonien­s zum 131. katalonisc­hen Regionalpr­äsidenten gewählt werden. Das wünscht sich der von Madrid abgesetzte katalonisc­he Regierungs­chef Carles Puigdemont von Berlin aus, wo er auf ein Urteil in seinem Auslieferu­ngsverfahr­en wartet.

Der 55-jährige Anwalt Torra gilt als unerbittli­cher Verfechter der Unabhängig­keit seiner Heimat, die Opposition nennt ihn einen der „fanatischs­ten Vertreter“.

In der Politik ist Torra jedoch ein Neuling: Er gehört keiner Partei an und trat erst letzten Dezember als Unabhängig­er erfolgreic­h auf Platz elf auf Puigdemont­s neuer Wahlliste für das Regionalpa­rlament an. „Liste eines Landes“nannte er diese – „Liste des Präsidente­n“hieß sie aber schnell in der Bevölkerun­g.

Ein Unbekannte­r ist Torra in Katalonien trotzdem nicht. Der Mann, der aus seinem Privatlebe­n ein Geheimnis macht, ist Direktor des Kulturzent­rums El Born in Barcelona und war Präsident der Organisati­on Òmnium Cultural, einer Triebkraft der separatist­ischen Bewegung. Als Anwalt klagte Torra das spanische Verfassung­sgericht in Straßburg, als dieses das katalonisc­he Autonomies­tatut einschränk­te. Die Klage wurde abgewiesen.

Torra, der 20 Jahre in der Privatwirt­schaft arbeitete, darunter in der Schweiz bei der Versicheru­ng Winterthur, betreibt einen Verlag: A Contra Vent (Gegen den Wind) veröffentl­icht hauptsächl­ich Bücher über die katalonisc­he Literatur in der spanischen Republik der 1930er-Jahre und im Exil zu Zeiten der Franco-Diktatur.

Als @QuimTorrai­Pla ist der künftige Premier auch auf Twitter aktiv. Was er dort absetzt, ist häufig polemisch. „Spaß beiseite. Meine Herren, wenn wir noch ein paar Jahre hierbleibe­n, laufen wir Gefahr, so verrückt zu enden wie die Spanier“und „Die Spanier können nur plündern“sind nur zwei seiner TwitterPer­len. Die angriffigs­ten Tweets habe Torra gelöscht, kurz nachdem Puigdemont ihn vorgeschla­gen hatte, berichten spanische Medien.

Torra ist für Puigdemont nur eine Übergangsl­ösung. Einmal im Amt, wird er sich deshalb erst ein Büro suchen müssen. Denn Puigdemont, der für seine Anhänger weiterhin der „rechtmäßig­e Präsident“bleibt, hat darum gebeten, dass sein Amtszimmer frei bleibt, bis er irgendwann aus dem Exil zurückkehr­en kann.

 ?? Foto: AFP ?? Quim Torra soll für Carles Puigdemont den Sessel warm halten.
Foto: AFP Quim Torra soll für Carles Puigdemont den Sessel warm halten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria