Der Berater mit der kosmischen Kanone
Jan Teunen ist der etwas andere Unternehmensberater. Er sieht sich selbst als Cultural-Capital-Producer und konzentriert sich auf Respekt, Ästhetik, Kommunikation – und Sonnenstürme.
Jahr für Jahr misst das Meinungsforschungsinstitut Gallup die emotionale Verbundenheit der deutschen Mitarbeiter mit ihrem eigenen Arbeitsplatz. Die jüngsten Zahlen belegen, dass sich lediglich 14 Prozent der Befragten ihrem Unternehmen stark verbunden fühlen. Die restlichen 85 Prozent empfinden eine geringe oder gar keine Verbundenheit. „Das ist ein viel zu hoher Anteil“, sagt der in Hessen beheimatete Unternehmensberater Jan Teunen. „Natürlich muss nicht jeder Mensch seinen Arbeitsplatz lieben. Mit so viel Euphorie würde die Weltwirtschaft auch gar nicht klarkommen. Dennoch finde ich diese Distanz alarmierend, denn sie sagt etwas über die im Alltag praktizierte Unternehmenskultur aus.“
Diese Alarmzahl nach unten zu korrigieren ist das ambitionierte Ziel des 67-Jährigen, der sich selbst als Cultural-Capital-Producer bezeichnet und in der Öffentlichkeit stets mit Mascherl um den Hals auftritt – so etwa zuletzt beim Visionstag Ende April, zu dem der niederösterreichische Büromöbelhersteller Blaha einlud. Wie er die Korrektur zu vollführen gedenkt? „Ich helfe Unternehmen dabei, sich zu kultivieren und sich permanent weiterzuentwickeln, und zwar in jenen soften Bereichen, die sich nicht unmittelbar in der Jahresbilanz ablesen lassen“, so Teunen. Gemeint sind die drei Ws Werte, Wissen und Wirken.
Permanentes Wachstum
„In den letzten Jahrzehnten fokussierte sich die Weltwirtschaft einzig und allein auf permanentes wirtschaftliches Wachstum. Dabei sind viele kulturelle und soziale Werte verlorengegangen. Ich kenne einige Unternehmen, da sind die Firmenkultur und die soziale Kompetenz des CEOs unter aller Kanone. Und das zieht schlimme Konsequenzen nach sich. Ein schlechtes Betriebsklima wirkt sich auf die Stimmung unter den Mitarbeitern, auf das körperliche und seelische Wohlbefinden und letztendlich auch auf die Effizienz und Produktivität aus.“
Als Beispiele nennt Teunen die beiden Drogerieketten Schlecker und DM Drogerie Markt. Erstere betrieb von 1987 bis 2008 eine aggressive europaweite Expansionspolitik mit diversen Übernahmen und zahlreichen Onlineshopping-Portalen. Auf diese Weise avancierte Schlecker mit 14.000 Filialen und 50.000 Mitarbeitern zur größten Drogeriemarktkette Europas. 2012 musste das am Ende insolvente Unternehmen aufgelöst werden. Den DM Drogerie Markt hingegen, der in der Fachwelt immer wieder für seine dialogische Unternehmenskultur hervorgehoben wird, gebe es bis heute, so Teunen. „Muss man noch mehr sagen? Das Gute ist, dass sich destruktiv geführte Unternehmen früher oder später ganz von allein demontieren und wegrationalisieren. Bloß geht das leider meist auf Kosten der Mitarbeiter.“
Teunen, zu dessen Kunden nicht nur Blaha und DM, sondern auch Ikea, Thonet, Fritz Hansen, Bene, Grohe, Daimler, Nestlé, Lufthansa, BASF und der Arbeiter-Samariter-Bund zählen, stellt sich auf die Seite der Mitarbeiter und appelliert an die – wie er sie nennt – „ästhetische und kulturelle Erziehung“der Vorstände und Gesellschafter. Wer ein Unternehmen führe, der müsse dazu auch in der Lage sein und begreifen: „Die Menschen und somit auch die Mitarbeiter haben einen Körper, der ergonomische Ausgeglichenheit verlangt, einen Geist, der sich nach Schönheit sehnt, und eine Seele, die von Spirit befeuert wird.“
Sterne stehen gut
Für Teunen sei es weit mehr als EmployerBranding. „Employer-Branding ist mir zu berechnend und zu eindimensional in seinen Absichten. Ich möchte meine Kunden nicht dazu animieren, eine aufgesetzte Arbeitgebermarke zu entwickeln, sondern dazu, aus dem tiefsten Inneren heraus eine ganz absichtslose unternehmerische Ethik und Ästhetik an den Tag zu legen. Wenn diese Werte authentisch sind, dann kommt die wirtschaftliche Prosperität ganz von allein.“
Derzeit stünden die Sterne gut, sagt der der Astrologie nicht Abgeneigte. „Die Sonnenstürme haben zugenommen, und die kosmische Strahlung hat unmittelbare Auswirkung auf das Magnetfeld der Erde. Das wiederum verändert unsere biologischen Systeme und Gehirne. Es steht uns ein globaler Wandel bevor, wie wir ihn auch schon einmal in der Renaissance hatten.“
Und ja, eine Wiedergeburt der Wirtschaft stehe uns auch jetzt bevor: „Aufgrund der aktuellen Sonnenstürme sind die arbeitnehmenden Menschen kritischer, fordernder und emanzipierter als je zuvor. Wer sich hier nicht als konstruktiver, dialogbereiter und authentisch attraktiver Arbeitgeber positioniert, der hat bereits verloren.“
„Wie lange diese (längst überfällige) Renaissance auf sich warten lassen wird?“Teunen: „Wir sind sehr langsam und allmählich, über viele Jahre und Jahrzehnte, in diese destruktive Situation hineingeschlittert. Es ist davon auszugehen, dass der Transformationsprozess ähnlich lange dauern wird wie die Entwicklung, die ihn nötig gemacht hat. Hoffentlich erleben wir alle das noch. Das wäre schön.“