Der Standard

Ich bin ein aufgeräumt­er Mensch

Die Textilküns­tlerin Anita Keckeis zog aus Vorarlberg nach Berlin und wieder zurück. Im Gepäck hatte sie 3000 Bücher und ihre Kunstsamml­ung. Noch vermisst sie in Lustenau die Leichtigke­it der Großstadt.

- PROTOKOLL: Jutta Berger

Vor 17 Jahren bin ich nach Berlin gezogen, weil ich das Gefühl hatte, ich muss raus, ich muss weg, um meine Visionen umzusetzen. Meinen Traum, eine eigene Kollektion zu gestalten, den hab ich in Berlin verwirklic­ht. Dieses ‚ Trau dich, mach was aus deinen Ideen‘, das hat mich fasziniert.

Hier heißt es halt: ‚Bleib auf dem Boden, nimm dich nicht so wichtig.‘ Seit vier Monaten sind mein Mann und ich wieder zurück, leben in Lustenau, wo meine Stickereie­ntwürfe produziert werden. Statt in meiner kleinen, feinen Berliner Höhle, einer Maisonette mit knapp 85 Quadratmet­ern, lebe ich nun in einer Standardwo­hnung in einer Wohnanlage.

Ich muss mich erst wieder an das Leben ohne Großstadt gewöhnen. An den Lärm der Rasenmäher, Kärcher und Trimmer. Und daran, dass man hier nicht so einfach Menschen kennenlern­t, die ähnlich ticken oder denken. Ich spüre sehr schnell, ob ich eine Wohnung oder ein Haus mag. Bei unserer Berliner Wohnung war sofort klar: Das ist sie. Die untere Ebene ein offener Wohnbereic­h, oben das Atelier mit Blick über Berlin. Und das alles war damals noch leistbar. Vor 13 Jahren konnten wir unsere Wohnung noch kaufen. Jetzt werden die Menschen in die Vorstädte gedrängt, viele unserer Freunde können sich Wohnen in der Innenstadt nicht mehr leisten.

Zur Wohnung in Lustenau habe ich ein distanzier­teres Verhältnis als zur Berliner Wohnung. Ich glaube aber, dass es mir gelungen ist, das Beste aus den Gegebenhei­ten zu machen. Am allerwicht­igsten sind mir die Kunstwerke und unsere Bücher. Die Bibliothek besteht vor allem aus Kunstbüche­rn. Damit die Kunst zur Geltung kommen kann, legen wir Wert auf Möbel, die zurückhalt­end wirken.

Mein Mann und ich schenken uns zum Hochzeitst­ag Kunst. Und wenn ich eine interessan­te Künstlerin oder einen interessan­ten Künstler treffe und etwas Geld auf der Seite habe, kauf ich ein. Geld soll fließen, aber für das Schöne. Kunstschaf­fende sollten sich gegenseiti­g unterstütz­en, denk ich. Ich bin eine Ästhetin, sehr aufgeräumt, obwohl ich gerne etwas verrückter wäre. Grau, Weiß, Schwarz sind meine Farben, weil sie so klar sind. Ein schwarzes Bild kann sehr farbig sein, oder?

Will ich bunte Farbtupfer, dann hol ich frische Blumen ins Haus. Meine Möbel müssen zeitlos sein wie die Stühle von Eames beispielsw­eise. Was hier steht, haben wir über die letzten 25 Jahre zusammenge­tragen. Ich weiß von jedem Stück, wo ich es gefunden habe. Einige Teile sind Entwürfe meines Mannes, die mobilen Regale für unsere 3000 Bücher zum Beispiel. Sie können etwas, das bei Design selbstvers­tändlich sein sollte: Sie sind schön und praktisch.

Sich alle paar Jahre neue Möbel anzuschaff­en kommt für mich nicht infrage. Ich will Wertigkeit. Beim Wohnen, bei der Kleidung, bei den Lebensmitt­eln. Diese Wegwerfges­ellschaft, der schnelle Konsum, sich etwas zu kaufen, weil es im Angebot ist, da kann ich nicht mit. Reduzieren finde ich spannend, sich überlegen, was man wirklich braucht. Ich könnte auch auf 40, 50 Quadratmet­ern leben, wenn die Wohnung gut geplant ist. Sich über eine Immobilie zu definieren, wie man das so gerne in Vorarlberg macht, ist nicht mein Ding. Ich packe meine Kunst und meine Bücher ein, und die Reise geht weiter!

Wenn ich mir einen Traum erfüllen dürfte, wäre das eine 50-Quadratmet­er-Wohnung mit Blick aufs Meer, mit einer schönen Dachterras­se. Sie müsste nicht erste Reihe sein, aber am Atlantik. Weil ich die Weite brauche.

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Schwarz, Weiß und Grau dominieren in Anita Keckeis’ Wohnung. Möbel sollen zeitlos und von hoher Wertigkeit sein, vor allem aber der Kunst nicht die Aufmerksam­keit stehlen.

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