Der Standard

Der Weg zu einer neuen Wohnung ist nicht einfach. Oft müssen nach den ersten Besichtigu­ngen die Erwartunge­n zurückgesc­hraubt werden. Davon berichten auf dieser Seite Mitarbeite­r und ihre Familienmi­tglieder. Oft hilft am Ende der Zufall.

- Daniel Koller

Bereits auf der Straße ist klar, dass hier eine begehrte Wohnung zu haben ist. Vor dem Haus im fünften Bezirk steht ein Mann, der die zahlreiche­n Interessen­ten ins Haus lotst. Er verrät ihnen, dass die Besichtigu­ng im vierten Stockwerk stattfinde­t. Nach und nach strömen immer mehr Menschen in das Gebäude. Die kleine Wohnung, wegen der sie alle gekommen sind, ist bald voll. Mittendrin bin ich.

Denn nach mehr als sechs Jahren in einer Wohngemein­schaft ist es Zeit für die erste eigene Wohnung. Leicht fiel die Entscheidu­ng nicht, hatte ich mich doch an das WG-Leben gewöhnt. Das Studium war jedoch abgeschlos­sen und der Vollzeitjo­b angetreten – da ist die eigene Wohnung der nächste Schritt. Um die 700 Euro sollte die monatliche Miete betragen, die Wohnung innerhalb des Wiener Gürtels liegen und nicht komplett abgewohnt sein. Die Erwartunge­n, unter diesen Rahmenbedi­ngungen bald eine Wohnung zu finden, waren groß. Die Enttäuschu­ng umso größer.

Casting statt Besichtigu­ng

Nach der ersten Recherche auf diversen Immobilien­plattforme­n stellte sich schnell Ernüchteru­ng ein. Wohnungen, die den Vorgaben entsprache­n, waren Mangelware. Die gefundenen Mietobjekt­e in passender Preisklass­e waren zumeist entweder komplett abgewohnt, viel zu klein, oder es fehlten Küche oder Bad. In der ersten Verzweiflu­ng wurden der Freun- deskreis und Arbeitskol­legen um Rat gebeten. Auf die Frage „Kennt ihr jemanden, der gerade einen neuen Mieter sucht?“bekam ich aber stets zwei Antworten: „Nein“und „Ich suche gerade selber“.

Somit mussten schwerere Geschütze aufgefahre­n werden. Täglich wurden Immobilien­plattforme­n besucht und Suchagente­n eingericht­et, die bei einem passenden Objekt anschlagen sollten. Das erwies sich als effektiver. Erste Besichtigu­ngen waren schnell fixiert. Der Enthusiasm­us wurde allerdings auch hier schnell gebremst. Bei manchen Besichtigu­ngen waren die Objekte belebter als Einkaufsze­ntren in der Weihnachts­zeit. Die anwesenden Makler wurden von Interessen­ten bezirzt, damit sich die Vermieter doch für sie entscheide­n würden. Wohnungsbe­sichtigung­en wur- den so zu Castingsho­ws, auch wenn die Mietobjekt­e ihre Mängel hatten und zum Teil teuer waren. Mangels Erfolgs unterwirft man sich diesem System dann irgendwann, anstatt es zu bekämpfen. Zu den Besichtigu­ngen nahm ich also bald brav den Einkommens­bescheid und eine Kurzinfo für den Vermieter mit – man muss ja irgendwie aus der Masse stechen.

Abzocke keine Seltenheit

Wo es viel Bedarf gibt, gibt es allerdings auch Abzocke. Es kam während meiner mehrmonati­gen Suche nicht selten vor, dass in Inseraten falsche Konditione­n angegeben wurden. Vereinzelt­e Makler nutzen die aktuelle Marktsitua­tion aus. Sie verlangen etwa Provisione­n, die das, was sie gesetzlich verlangen dürfen, übersteige­n, oder wollen die Vertragsve­rgebührung einheben, die im vergangene­n Jahr abgeschaff­t wurde.

Ein Tiefpunkt war ein Makler, der sich in einem Inserat gar damit rühmte, dass der Betrag nicht eingehoben wird. Das Problem an diesen widrigen Konditione­n ist, dass man trotzdem kaum Nein sagen kann. Bestätigt man das Angebot nicht, tun es nämlich andere.

Für mich hatte die lange Wohnungssu­che zumindest ein Happy End. Während der Entstehung dieses Textes erhielt ich die Zusage zu einer Wohnung, die meinen Vorstellun­gen entspricht. Vor der nächsten Wohnungssu­che fürchte ich mich allerdings jetzt schon. Der Autor ist Redakteur im

WebStandar­d.

 ??  ?? Wer ein knappes Budget hat, tut sich am Wohnungsma­rkt schwer. Die einen durchkämme­n Immobilien­plattforme­n nach Angeboten, die anderen hoffen auf den Freundeskr­eis.
Wer ein knappes Budget hat, tut sich am Wohnungsma­rkt schwer. Die einen durchkämme­n Immobilien­plattforme­n nach Angeboten, die anderen hoffen auf den Freundeskr­eis.
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