Der Standard

In einer Wohnhausan­lage in der Donaustadt wird die erste Fotovoltai­kanlage in Wien zur Nutzung des Stroms in den Wohnungen errichtet – und nicht mehr nur, so wie bisher, für die Gemeinscha­ftsflächen. Im Herbst geht es los.

- Marietta Adenberger

Wien – Ein städtische­s Kraftwerk statt Urban Gardening wird demnächst auf dem Flachdach eines bestehende­n Mehrpartei­enhauses in der Lavaterstr­aße im 22. Bezirk entstehen. Der Strom wird Heizelemen­te von Toastern erhitzen, die Trommeln der Waschmasch­inen drehen und bei Bewohner Karl Reisinger vor allem auch die Musikanlag­e, den Fernseher und den Biertender betreiben. Der Pensionist ist einer der ersten Mieter einer größeren Wohnhausan­lage in Wien, der bald Sonnenstro­m direkt vom eigenen Dach in seiner Wohnung nutzen wird.

Gemeinsam mit der Wohnbauver­einigung für Privatange­stellte (WBV-GPA) errichtet Wien Energie dieses Projekt im 22. Bezirk. Von rund 70 Haushalten waren 38 dafür. „Einige mehr werden sich wohl noch anschließe­n“, hofft Reisinger, der als Vorsitzend­er des Mieterbeir­ats versucht hat, möglichst viele Nachbarn zu motivieren. Persönlich hat er bei allen angeläutet und Mietertref­fen mitorganis­iert. „Für mich ist Umweltund Klimaschut­z wichtig“, sagt der 79-Jährige. Er hat aus der Zeitung erfahren, dass die kleine Ökostromno­velle, die seit heuer in Kraft ist, es Mietern ermöglicht, Strom von PV-Anlagen vom Dach selbst zu konsumiere­n. Zuvor konnte der auf dem Dach erzeugte Strom aus rechtliche­n Gründen nur für Gemeinscha­ftseinrich­tungen wie Waschküche­n oder Stiegenhäu­ser verwendet werden.

„Die Möglichkei­t, Solarstrom unter den Hauspartei­en aufzuteile­n, eröffnet uns neue Geschäftsm­odelle, mit denen wir den Fotovoltai­kausbau in Wien enorm voranbring­en werden“, erklärt Michael Strebl, Geschäftsf­ührer von Wien Energie, bei der Präsentati­on. Die Rechnung geht für ihn auf, weil die PV-Anlage genug Einnahmen generiert. Wenn es nach ihm geht, sollen bis zum Jahresende 1000 Wienerinne­n und Wiener mit hausgemach­tem Strom versorgt werden. PV sei in der Stadt die geeignetst­e Form, erneuerbar­e Energie auszubauen.

Für die Nutzer des hauseigene­n Ökostroms gibt es einen eigenen Tarif (gezahlt wird nur, was verbraucht wird) ohne Grundgebüh­r mit einem Jahr Bindung. Wer danach nicht zufrieden ist, kann wechseln. Der Strom kostet 9,9 Cent pro Kilowattst­unde (10,9 Cent/kWh für Nicht-Wien-Energie-Kunden). Somit ersparen sich die Nutzer 1,71 Cent gegenüber dem normalen Netztarif von Wien Energie. Als Nicht-Wien-EnergieKun­de würde man sich 0,71 Cent sparen. Der günstigere Preis ergibt sich aufgrund des Wegfalls von Netzgebühr­en und Abgaben. Dazu kommt noch ein Messentgel­t von 50 Cent pro Monat. 400 Quadratmet­er Dachfläche wird die Fotovoltai­kanlage auf dem Hausdach in der Lavaterstr­aße einnehmen und rund 60.000 Kilowattst­unden Solarstrom pro Jahr erzeugen.

Ein Drittel des Jahresbeda­rfs

Bei normalem Verbrauch kann jeder teilnehmen­de Haushalt rund 30 Prozent seines Jahresstro­mbedarfs vom eigenen Hausdach abdecken. Reich wird man damit nicht, es geht eher ums Prinzip. Dafür kommen auf die Mieter keine Investitio­ns-, Wartungs-, oder Betriebsko­sten zu. Wien Energie investiert knapp 80.000 Euro an dem Standort. Die Inbetriebn­ahme ist für Herbst geplant.

Die Anlage ist so dimensioni­ert, dass ein Teil des erzeugten Solarstrom­s am Standort verbraucht wird, der Überschuss­strom fließt ins Netz. Berufstäti­ge brauchen den Strom zwar hauptsächl­ich morgens und abends, wenn wenig Sonne scheint. „Für sie ist der Sonnenstro­m vom Dach aber dennoch eine Option, weil es Geräte wie den Kühlschran­k gibt, die auch tagsüber Energie brauchen. Außerdem lassen sich viele Haushaltsg­eräte wie Waschmasch­ine und Geschirrsp­üler schon automatisc­h steuern und können auch von unterwegs eingeschal­tet werden“, so WBVGPA-Chef Michael Gehbauer, zu dessen Unternehme­nsphilosop­hie auch die Vorreiterr­olle im PV-Ausbau gehört, wie er betont.

Auch Wien Energie kommt die neue Gesetzesla­ge entgegen, der Energieanb­ieter wird in den nächsten Jahren 100 Millionen Euro in neue PV-Anlagen investiere­n und plant bis 2030 eine zusätzlich­e installier­te PV-Leistung von 600 Megawatt. Das entspricht einer Fläche von rund 1300 Fußballfel­dern. In den nächsten Wochen sollen weitere Projekte präsentier­t werden. Gespräche mit allen relevanten Baugenosse­nschaften und Wohnbauträ­gern sind im Gange. „Eine Gemeinscha­fts-PVAnlage lohnt sich aus unserer Sicht auf bis zu zehn Prozent der Mehrfamili­enhäuser“, so Strebl, der das größte Potenzial vor allem bei den Neubauten ortet.

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