Der Standard

Horrorszen­ario für Italiens Wirtschaft

Experten befürchten erneutes Schuldenwa­chstum

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand

Die Hängeparti­e um Italiens Regierungs­bildung scheint zu Ende, die Neuwahl vorerst vom Tisch. Doch ein Blick auf die Wirtschaft­sprogramme der beiden wahrschein­lichen Koalitions­partner Fünf-Sterne-Bewegung und Lega lässt baldige neue Probleme erahnen: Protektion­ismus, das Zurückdreh­en der Rentenrefo­rm, ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen, Steuersenk­ungen auf einheitlic­h 15 Prozent und die Forderung nach einer Aufweichun­g des europäisch­en Stabilität­spakts kommen darin vor.

Würde nur ein Teil davon Wirklichke­it, dann wäre das angesichts der dramatisch­en Verschuldu­ng des Landes ein herber Rückschlag. Die bisher relativ stabilen Finanzmärk­te reagieren bereits: Der „Spread“, die Zinsdiffer­enz zwischen deutschen und italienisc­hen Staatsanle­ihen, ist am Freitag erstmals wieder auf 140 Punkte geklettert.

Derzeit läuft es gut

Dabei befindet sich Italien, zumindest ökonomisch, auf gutem Weg. Die Wirtschaft wächst, wenn auch mit 1,4 Prozent langsamer als im EU-Schnitt. Die verarbeite­nde Industrie im Norden erlebt einen Investitio­ns- und Exportboom. Die Region zwischen Turin und Venedig zählt zu den reichsten Europas. Auch der renommiert­e Nationalök­onom Marco Fortis verweist darauf, dass Italiens Wirtschaft derzeit gut läuft. Ganz im Gegensatz zu 2011, als der damalige Regierungs­chef Mario Monti das Land mittels rigoroser Maßnahmen, darunter einer Rentenrefo­rm, vor einem Staatsbank­rott rettete. Diese Reform soll nun annulliert werden.

Gegenüber Brüssel hat sich Italien verpflicht­et, die Regeln des Stabilität­spakts einzuhalte­n und das strukturel­le Defizit in diesem Jahr um 0,3 Prozentpun­kte zu senken. Wie das gelingen soll, ist unklar. Um die Verschuldu­ng von 131,8 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu senken, braucht es Einsparung­en. Die ursprüngli­ch geplante Mehrwertst­euererhöhu­ng ist kaum durchzuset­zen. EUWirtscha­ftskommiss­ar Pierre Moscovici zeigt sich besorgt. Die EU ermittelt wegen unerlaubte­r Staatshilf­en für die schwer angeschlag­ene Fluggesell­schaft Alitalia, die Rettung des Stahlkolos­ses Ilva scheint zu scheitern.

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