Mattarella warnt Di Maio und Salvini vor Koalitionsabschluss
Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega wollten Staatspräsident Mattarella am Sonntag ein gemeinsames Koalitionspapier vorlegen. Gestritten wird um den künftigen Premier. Ein Scheitern der Verhandlungen könnte Silvio Berlusconi helfen.
„Wir schreiben hier Geschichte, und das braucht etwas Zeit“, erklärte gestern, Sonntag, der Politikchef der Protestbewegung, Luigi Di Maio. Die Verhandlungen für einen Koalitionsvertrag der populistischen Parteien M5S („Movimento 5 Stelle“, Fünf-Sterne-Bewegung) und Lega sollten noch am selben Tag abgeschlossen werden. „Das Programm wird rund zwanzig Punkte umfassen“, erklärte der Sprecher des M5S, Rocco Casalino, vor der wohl entscheidenden Verhandlungsrunde. Das Ziel sei, bis zum Abend zum Abschluss zu kommen und Staatspräsident Mattarella das gemeinsame Regierungsprogramm vorlegen zu können. „Es kann aber auch sein, dass wir es nicht schaffen“, betonte Casalino.
Zu den Punkten, bei denen bereits eine Einigung erzielt wurde, zählen die von der Lega im Wahlkampf versprochene massive Steuersenkung auf zwei Steuersätze (15 und 20 Prozent) sowie die Einführung einer Art befristeten Grundeinkommens von mindestens 760 Euro, einer der zentralen Punkte im Wahlprogramm der „Grillini“. Bei beiden handelt es sich um kostspielige Projekte, die die Staatskasse um Dutzende von Milliarden Euro belasten würden. Ebenfalls teuer wäre der Plan der beiden möglichen Regierungspartner, die Rentenreform der Regierung Monti rückgängig zu machen (siehe Artikel rechts). Wie die Löcher im Haushalt gestopft werden sollen, haben Di Maio und Lega-Führer Matteo Salvini noch nicht verraten.
Die Pläne haben Staatspräsident Mattarella in Alarmbereitschaft versetzt. Am Wochenende hat das Staatsoberhaupt daran erinnert, dass der Nachkriegspräsident Luigi Einaudi zwei Gesetzen seine Unterschrift verweigert hatte, weil die damalige Regierung die Finanzierung nicht habe garantieren können. „Einaudis Lektion ist nach wie vor aktuell“, betonte Mattarella. Er drängt seit längerem darauf, dass Italien die Spielregeln – also die Verfassung, die Gesetze und die internationalen Verpflichtungen – akzeptiert, ein verlässlicher Partner bleibt und sich nicht von der EU abwendet.
Die Verhandlungen von M5S und Lega waren Sonntagabend noch im Gange. Offen war insbesondere die Frage, wer der Regierung als Premier vorstehen soll. Ursprünglich wollten sowohl Di Maio als auch Salvini Regierungschef werden – weil das nicht geht, wird seit Tagen nach einer anderen Persönlichkeit gesucht, die beiden Parteien genehm wäre. Mattarella hat daran erinnert, dass er als Staatspräsident in seiner Wahl völlig frei sei. Fest steht, dass Mattarella keinem finanzpolitischen Hasardeur den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen würde. Salvini erklärte, man wolle noch Sonntagabend den Präsidenten anrufen werde, um einen Namen zu nennen – aber nur einen.
Berlusconi-Comeback
Falls sich M5S und Lega auf ihren Koalitionsvertrag einigen und sich in der Premiersfrage verständigen, könnte ein Auftrag zur Regierungsbildung schon in dieser Woche erfolgen. Wenn nicht, würde sich Mattarella wohl für die Einsetzung einer Übergangsregierung und baldige Neuwahlen entscheiden – wie er es schon vor einer Woche angekündigt hatte, als alle Bemühungen zur Bildung einer Regierung gescheitert schienen. Bei Neuwahlen könnte auch Expremier Silvio Berlusconi wieder antreten: Ein Gericht in Mailand hat den wegen Steuerbetrugs verurteilten Chef der Partei Forza Italia am Wochenende rehabilitiert und sein Ämterverbot vorzeitig aufgehoben.