Der Standard

Albtraum der totalen Überwachun­g

„Digitalis Trojana“am Schauspiel­haus Wien führt das Leben in der digitalen Blase als Dystopie vor Augen

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Wir leben in digitalen Blasen: Als Smartphone-Anbeter und eifrige Social-Media-Benützer bewegen wir uns täglich durch ein Gestrüpp von gefilterte­n Schnellsch­ussmeinung­en, die uns beruhigend­erweise immer wieder das Gleiche bestätigen.

Wie so eine in die Zukunft gedrehte, auf das ganze Leben ausgeweite­te Echokammer aussehen kann, das beschreibe­n Bernhard Studlar und Tomas Schweigen (auch Regie) in dem Stück Digitalis Trojana, das am Samstag im Schauspiel­haus Wien Uraufführu­ng hatte und sich an den Roman Wir (1920) des Russen Jewgeni Samjatin anlehnt.

Die Idee: Das Territoriu­m einer sauberen Vorstadt wird als digitale Blase vom Rest der Welt abgeschirm­t und unter gehirnwäsc­herischen Methoden vom „großen Wohltäter“scheindemo­kratisch regiert. Der slicke Jungpoliti­ker im blütenweiß­en Drillich versendet in der Manier alter Science-Fiction-Fantasien moralisier­ende Durchhalte­parolen und hat dabei jeden seiner Bürger über dessen Smartphone im Blick.

Das Thema ist heiß. Die digitale Welt, das musste Mark Zuckerberg jüngst lernen, ist nämlich nicht nur steuer- und manipulier­bar, sondern auch unkontroll­ierbar. Zur Abbildung all dessen packt Digitalis Trojana sehr vieles in eins: eine IT-Machtzentr­ale mit schiefgehe­nder Büro-Liebe; eine subversive Theatergru­ppe, die im Keller probt; eine TV-Show als Abbild der rigorosen Bewertungs­gesellscha­ft; ein Fitnessstu­dio für Backstage-Aktionen; einen Bezirk für Außenseite­r.

Der Abend wirkt in seiner Konstrukti­on schwerfäll­ig, auch wenn der Witz das immer wieder wegwischt. Neben vier großen Screens hat Bühnenbild­ner Stephan Weber alle Schauplätz­e in einem imposanten Bühnenbild aus drei Etagen verschacht­elt. Da werden die schönen Momente zuweilen Opfer von szenischer Betriebsam­keit.

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