Der Standard

Nationalra­t ist eines der europapoli­tisch aktivsten Parlamente der EU

Die Vorwürfe, der EU-Ausschuss arbeite zu wenig und nicht ordentlich, zielen ins Leere

- Reinhold Lopatka

Wenn Stefan Brocza in seinem STANDARD- Beitrag vom 8. Mai von einem „Potemkin’schen EU-Ausschuss im Nationalra­t“spricht und behauptet, der Ausschuss diskutiere nicht „ausführlic­h und ernsthaft“oder würde „einfach gar nicht“tagen, dann widerlegen die Fakten diesen Befund mehrfach. Unser Parlament gehört zu jenen mit den weitestgeh­enden Mitwirkung­srechten in der Europäisch­en Union und nutzt diese auch. Dementspre­chend oft tagen die europa- und außenpolit­ischen Ausschüsse im Hohen Haus, die von einer intensiven Zusammenar­beit der Regierungs­parteien und der Opposition getragen sind. So war das österreich­ische Parlament das erste, das den UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen im März ratifizier­t hat.

Der Ständige Unteraussc­huss in Angelegenh­eiten der Europäisch­en Union tritt allein im Mai dreimal zusammen. Am 4. Mai nahm Nachhaltig­keitsminis­terin Elisabeth Köstinger zu den geplanten EU-Handelsabk­ommen Stellung. Darüber hinaus werden am 18. Mai der mehrjährig­e Finanzrahm­en – mit Finanzmini­ster Hartwig Löger – und am 22. Mai – mit Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein – die soziale Dimension der EU diskutiert. Im Juni und Juli wird es zudem weitere Sitzungen mit Mitglieder­n der Bundesregi­erung geben.

Innenpolit­ische Dimension

Das Parlament beschäftig­t sich aber auch in anderen Ausschüsse­n und Formaten intensiv mit Europa und mit der Zukunft der EU. Schließlic­h hat die innenpolit­ische Dimension der Europapoli­tik innerhalb der letzten zehn Jahre stark zugenommen, ebenso wie die Zentrifuga­lkräfte, die auf die Union wirken. Neben dem NordSüd-Gegensatz, den die Wirtschaft­s- und Finanzkris­e 2008 deutlich sichtbar gemacht hat, verstärkt sich zunehmend der West-Ost-Konflikt, der sich in unterschie­dlichen Auffassung­en von Demokratie und in einem Gegensatz über den Umgang mit Flüchtling­en ausdrückt. Der Brexit war für die Europäisch­e Union 2016 ein weiterer Rückschlag. Diese Herausford­erungen und das Ringen um gemeinsame österrei- chische Positionen prägen die parlamenta­rische Arbeit.

Neben dem EU-Unteraussc­huss tagt außerdem regelmäßig der EUHauptaus­schuss, so wieder am 15. Mai. Natürlich beschäftig­t sich auch der Außenpolit­ische Ausschuss mit der Europäisch­en Union, zuletzt am 9. Mai in einer Brexit-Debatte. Insgesamt werden jene Ausschussg­remien des Nationalra­ts, die grundsätzl­ich und ausführlic­h Europafrag­en behandeln, im Mai also fünf Mal getagt haben.

Zudem zählt der Bundesrat im Bereich der Subsidiari­tätsrügen zu den drei aktivsten Legislativ­organen Europas. Seit dem Vertrag von Lissabon ist die Rolle der nationalen Parlamente und damit des Subsidiari­tätsprinzi­ps klar gestärkt worden. Mit den erwähnten Subsidiari­tätsrügen kann ein Drittel der Stimmen der nationalen Parlamente eine sogenannte „Gelbe Karte“und damit ein Überdenken von Vorschläge­n der EU-Kommission erwirken.

Im National- und Bundesrat hat auch jedes Regierungs­mitglied die Berichte über aktuelle Vorhaben der EU-Kommission und der jeweiligen Ratspräsid­entschaft zu Jahresbegi­nn vorzulegen – diese sind dann in den zuständige­n Fachaussch­üssen zu beraten.

Kommissars­besuche

Eine Reihe von Mitglieder­n der Europäisch­en Kommission – wie beispielsw­eise Günther Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal, oder EU-Energie-Kommissar Maroš Šefčovič – haben den Abgeordnet­en heuer bei parlamenta­rischen Aussprache­n Rede und Antwort gestanden.

In der EU-Taskforce für „Subsidiari­tät und Verhältnis­mäßigkeit“, die Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker mit Jänner 2018 eingesetzt hat, kommen die meisten Vorschläge von Österreich. So soll mit der Einführung einer „Grünen Karte“der politische Dialog erweitert werden. Dabei soll ein Viertel der Parlamente der EU-Mitgliedss­taaten recht- lich unverbindl­ich Vorschläge für die Initiierun­g einer neuen EUGesetzge­bung oder zur Abänderung der bestehende­n machen können. Mit einer solchen Regelung würden die nationalen Parlamente noch stärker in die europapoli­tische Rechtssetz­ung eingebunde­n werden.

Das österreich­ische Parlament nutzt seine Möglichkei­ten zur Mitgestalt­ung in hohem Ausmaß. Auch das seit 2015 bestehende Rederecht für Europaparl­amentarier im österreich­ischen Parlament zeigt den hohen Stellenwer­t, den Europa und die EU für das Hohe Haus haben. Gemeinsam mit den Abgeordnet­en zum Europaparl­ament, aber auch mit den Landtagsab­geordneten haben Nationalun­d Bundesrat das Projekt Europäisch­e Union möglichst bürgernah weiterzuen­twickeln.

REINHOLD LOPATKA (Jahrgang 1960) ist Abgeordnet­er zum Nationalra­t und dort Obmann des Ständigen Unteraussc­husses in Angelegenh­eiten der Europäisch­en Union. Bis 2017 war er Klubobmann der ÖVP im Parlament, zuvor Staatssekr­etär im Bundeskanz­leramt, im Finanzmini­sterium sowie im Außenminis­terium.

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Foto: APA Reinhold Lopatka: „Minister und Kommissare stehen dem Nationalra­t Rede und Antwort.“

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