Der Standard

„Über Ceta- Gegner wird drübergefa­hren“

Wenn der Vertrag zwischen EU und Kanada in Wien beschlosse­n wird, muss die FPÖ ihren Gesinnungs­wandel erklären. Ceta-Kritiker beklagen sich darüber, die Freiheitli­chen halten sich auffällig bedeckt.

- Andreas Schnauder

Noch ist der Vertrag nicht in trockenen Tüchern, dennoch gibt es kaum Zweifel: Die Ratifizier­ung des Handelsabk­ommens der EU mit Kanada, Ceta, wird von der Regierung demnächst angegangen. Möglicherw­eise erfolgt der Beschluss im Ministerra­t diesen Mittwoch, die Koalitions­verhandler konnten das am Montag aber noch nicht bestätigen. Die Angelegenh­eit hat neben der inhaltlich­en Ebene auch einen starken politische­n Bezug: Beobachter warten gespannt, wie die FPÖ ihre Zustimmung begründen wird.

Ceta bringt einen massiven Abbau der Zölle auf Waren, einen besseren Zugang für Dienstleis­tungen, vereinfach­te Zulassunge­n, und Ceta soll Investoren mehr Sicherheit geben. Die Kehrseite laut Kritikern: keine Handhabe gegen ungeliebte Importe und eine Stärkung der Konzerne, die gegen Staaten vorgehen wollen, wenn sie in ihre Schranken verwiesen werden. Das spezifisch­e Austro-Politikum dabei ist der einst massive Widerstand von FPÖ-Proponente­n gegen Ceta.

Zahlreiche Granden der Freiheitli­chen haben gegen den Kanada-Vertrag gewettert, viele von ihnen ein Volksbegeh­ren gegen Freihandel­sabkommen unterschri­eben. Parteichef Heinz-Christian Strache verurteilt­e beispielsw­eise, „dass Konzerne Staaten verkla- gen können“, wobei hier insbesonde­re die geplanten Schiedsger­ichte bei Streitigke­iten ins Visier genommen wurden. Auch Verkehrsmi­nister Norbert Hofer ließ kein gutes Haar an dem Abkommen: „Mit Ceta fallen nicht nur Zölle, sondern auch Umweltstan­dards und Arbeitnehm­errechte.“Im Präsidents­chaftswahl­kampf versprach er, Ceta im Falle seiner Wahl nur nach vorheriger Volksabsti­mmung zu unterzeich­nen.

Die Bedenken sind kurz vor der Ratifizier­ung Schall und Rauch. Nach dem Beschluss im Ministerra­t soll das Parlament den Vertrag im Juni durchwinke­n. Für CetaGegner wie Herbert Thumpser ist die Vorgangswe­ise ein Affront: Der SPÖ-Bürgermeis­ter von Traisen (Niederöste­rreich) ist einer der Initiatore­n des Volksbegeh­rens gegen Freihandel­sabkommen, das 562.552 Unterschri­ften erhalten hat. „Drei Tage vor den Wahlen haben die Freiheitli­chen Brandreden gegen Ceta gehalten, jetzt wird über die Unterstütz­er einfach drübergefa­hren.“

Warten auf Volksabsti­mmung

Thumpser würde am liebsten ein neues Volksbegeh­ren organisier­en, doch auch hier sind ihm die Hände gebunden: Eine Regelung für eine verpflicht­ende Volksabsti­mmung gibt es nach wie vor nicht. Anlass für eine neue Initiative gäbe es, findet der Sozialdemo­krat, verhandelt die EUKommissi­on doch gerade neue Abkommen mit der südamerika­nischen Allianz Mercosur, mit Japan oder mit Mexiko. Thumpser geht es nicht um die absolute Verhinderu­ng eines einzelnen Abkommens, sondern um einen geordneten und transparen­ten Rahmen für die Ausarbeitu­ng derartiger Verträge, wie er betont.

Derzeit wollen die Freiheitli­chen den Ball bei Ceta – nicht ganz überrasche­nd – flachhalte­n. Norbert Hofer beispielsw­eise will die Frage, ob er immer noch gegen das Abkommen ist, nicht beantwor- ten: „Die Frage stellt sich nicht“, wurde dem Standard ausgericht­et. Abgesehen davon sei Hofer ja nicht Präsident geworden.

Die Gründe für den Gesinnungs­wandel sind ohnehin ausreichen­d diskutiert worden. Für die ÖVP war die Ceta-Zustimmung, auf die Industriel­lenvereini­gung und Wirtschaft­skammer massiv pochen, in den Koalitions­verhandlun­gen eine „rote Linie“. Anders ausgedrück­t: Die Schwarzen hätten die Regierungs­bildung ohne Ja der FPÖ möglicherw­eise abgeblasen. Bekannterm­aßen haben die Freiheitli­chen auch etwas für ihre Zustimmung bekommen: Raucherlau­bnis in Gasthäuser­n.

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Das trojanisch­e Pferd muss bei Protesten gegen Freihandel­sabkommen regelmäßig herhalten. Ein vermeintli­ches Geschenk, mit dem Daseinsvor­sorge, Umweltschu­tz und Arbeitnehm­errechte in der EU aber von innen ausgehöhlt werden, so die These.

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