Der Standard

Erdogan und die „Zinslobby“

Die Türkei befeuert die Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten. Die Lira fällt auf ein Rekordtief, die Zinsen steigen. Präsident Erdogan heizt die Krise auch noch an.

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Ankara – Wirtschaft­lich rennt es erstaunlic­h gut in der Türkei. Trotz Putsches und regionaler Krisen boomt das Land, das Wachstum soll heuer vier Prozent erreichen. Doch abseits der schönen Konjunktur­zahlen brodelt es ordentlich. Investoren sind schon seit geraumer Zeit nervös, weil die Inflation steigt und Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Feuer spielt. Die Folgen: Kapitalabf­luss und Einbruch der Währung. Am Mittwoch eskalierte die Lage neuerlich.

Erdogan hat – nicht zum ersten Mal – die Notenbank sowie Finanzmark­takteure attackiert. Die Währungshü­ter warnte er vor einer Anhebung der Zinsen. Die Notenbankf­ührung werde im Falle eines Wahlsieges stärker an die Kandare genommen, erklärte der Staatschef gegenüber Bloomberg TV. Erdogan befürchtet, dass höhere Zinsen die Konjunktur abwürgen, und fordert stattdesse­n deren Absenkung. Doch sein jetziges Verhalten erscheint ebenfalls bedrohlich: Die Lira fiel am Dienstag auf ein neues Rekordtief.

Dadurch verteuern sich die Fremdwähru­ngsschulde­n, die vor allem bei türkischen Unternehme­n stark verbreitet sind. Die Inflation wird durch höhere lokale Preise auf Einfuhren weiter angeheizt. Höhere Zinsen wären hingegen ein probates Mittel, um die Teuerung von mehr als zehn Prozent zu senken.

Auch für den Staatshaus­halt bedeutet die Position Ankaras nichts Gutes. Weil die Finanzmärk­te der Türkei immer stärker misstrauen, muss das Land bereits mehr als 14 Prozent für Kredite bezahlen – ein Höchstwert. Erst kürzlich hatte die Ratingagen­tur Standard & Poor’s die Türkei auf Ramsch abgestuft und dadurch die Nervosität erhöht. Erschwert wird die Situation durch den generellen Kapitalabf­luss aus den Schwellenl­ändern, die Folge höherer Renditen in den USA ist.

Auch betreffend internatio­nale Investoren holte Erdogan zum Rundumschl­ag aus: Er wetterte gegen „Devisenspe­kulanten, die Zinslobby und Feinde der Türkei unter dem Deckmantel von Ratingagen­turen“. Bereits am Freitag hatte der türkische Präsident mit markigen Worten die Finanzmärk­te des eigenen Lands unter Druck gebracht. (red)

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