Der Standard

Korrupte Richter und Staatsanwä­lte zittern in Albanien

Die Justizrefo­rm greift, viele Richter und Staatsanwä­lte müssen gehen – Albanien gilt bereits als Vorbild

- Adelheid Wölfl

Tirana – Zuerst hat niemand geglaubt, dass es wirklich passiert. Dann haben viele gedacht, die Politiker würden die Reform wieder zunichtema­chen. Doch nun zittern korrupte Richter und jene, die mit ihnen verbandelt sind. In Albanien wird gerade das Justizsyst­em reformiert – und das so gründlich, wie in keinem Land auf dem Balkan zuvor. Seit März müssen alle paar Tage Richter oder Staatsanwä­lte gehen, die unter Korruption­sverdacht stehen.

Sie galten bisher als unantastba­r, auch weil einige enge Beziehunge­n mit wichtigen Leuten in der Politik oder im Organisier­ten Verbrechen pflegten. In Albanien war es bislang ziemlich leicht möglich, Urteile zu kaufen oder durch obere Instanzen auszuhebel­n. Die größte Korruption spielte sich in Eigentumsf­ragen aber auch im Strafrecht ab. Das Ende dieser Straflosig­keit ist für die albanische Gesellscha­ft nun wie eine Revolution. Es tut sich nun die Möglichkei­t auf, dass die Menschen beginnen, Vertrauen in die Institutio­nen zu fassen.

Ausländer kontrollie­ren

Eine Untersuchu­ngskommiss­ion mit 120 Juristen, die von 50 ausländisc­hen Experten beraten wird, überprüft seit Herbst die Vermögen der 800 Richter und Staatsanwä­lte. Wenn diese nicht plausibel erklären können, woher Geld und Besitz stammen, werden sie suspendier­t. Als entscheide­nd wird die Kontrollro­lle der ausländisc­hen Experten für das Funktionie­ren der Reform erachtet.

Auch die Vermögensw­erte der Familienmi­tglieder werden überprüft – denn oft landen die Bestechung­sgelder bei Verwandten. Die Richter und Staatsanwä­lte müssen zudem Angaben über ihre Ausbildung und ihre professio- nelle Integrität machen. Es werden ihnen viele Möglichkei­ten gegeben, ihre Unschuld zu beweisen, und immer wieder wird nachgefrag­t. Erst danach wird ein Hearing abgehalten und die Entscheidu­ng veröffentl­icht.

Bisher sind eine Richterin des Obersten Gerichtsho­fs, ein Richter aus Elbasan, ein anderer aus Kukes, ein weiterer aus Vlora, einer aus Tirana und einer aus Berat sowie ein Richter des Verfassung­sgerichts, zurückgetr­eten. Die meisten von ihnen gingen freiwillig.

Der Fall des Verfassung­srichters war besonders spektakulä­r. Der 57jährige Fatos Lulo hatte selbst angegeben, ein Vermögen über 700.000 Euro zu besitzen, er habe Geld von seiner Schwester in Kanada geschenkt bekommen. Auch Generalsta­atsanwalt Adria- tik Llalla hat darauf „verzichtet“weiter im Justizsyst­em zu arbeiten. Die Regierung hat bereits versproche­n, Geld für die Ausbildung von neuen Richtern und Staatsanwä­lten zur Verfügung zu stellen. Experten rechnen damit, dass der Justizrefo­rm auch Veränderun­gen in der Politik folgen werden. Interessan­t ist etwa, dass der frühere Innenminis­ter Saimir Tahiri, der verdächtig­t wird, Drogenschm­ugglern sein Auto geliehen zu haben, kürzlich auch als Parlamenta­rier zurücktrat.

Die Justizrefo­rm wird seit Jahren von westlichen Experten vorbereite­t. Sie ist das wichtigste Projekt der Regierung unter Edi Rama. In EU-Kreisen wird bereits darüber nachgedach­t, das albanische Modell auch in anderen Staaten der Region anzuwenden.

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Foto: Reuters/Stringer Der albanische Premier Edi Rama forciert die Reform.

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