Der Standard

Umfallen wie die FPÖ

- András Szigetvari

Christian Kern „ist in Brüssel umgefallen und im Liegewagen zurück nach Wien gefahren“. Mit diesen Worten kommentier­te Heinz-Christian Strache den vergeblich­en Versuch des SPÖ-Bundeskanz­lers im Herbst 2016, den Freihandel­spakt der EU mit Kanada noch einmal auf dem Verhandlun­gsweg abzuändern. Es war eine andere Zeit: Strache war damals freiheitli­cher Opposition­schef, inzwischen sitzt er in der Regierung. Ebendiese Regierung hat am Mittwoch grünes Licht für Ceta gegeben. Neben den ÖVP-Ministern stimmten auch die Freiheitli­chen, die jahrelang gegen Ceta gekämpft hatten, dafür.

Vorgehen und Argumentat­ion der Blauen sind lehrreich. Da ist zunächst Strache. Nein, das Ja der FPÖ zu Ceta sei kein Umfaller gewesen, sagte der Vizekanzle­r. Er sprach von einem notwendige­n Kompromiss mit der ÖVP, ohne den die Koalition nicht zustande gekommen wäre. Auf den ersten Blick klingt das plausibel. Nur: Strache selbst hätte in der Vergangenh­eit ein solches Argument nie gelten lassen. Regelmäßig hatte er SPÖ und ÖVP wegen großkoalit­ionärer Kompromiss­e attackiert. Auch Kern hatte ja bei Ceta von Sachzwänge­n gesprochen, was Strache stets einfach wegwischte. In Wahrheit hat der Vizekanzle­r nun demonstrie­rt, dass seine harten Maßstäbe nur für andere, nicht aber für ihn selbst gelten. Das sonst vertretbar­e Argument mit dem Koalitions­zwang darf man Strache nicht durchgehen lassen. reiheitlic­he Politiker haben auch versucht, inhaltlich zu begründen, weshalb sie plötzlich für Ceta sind. Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek sprach davon, dass dem Abkommen „die Giftzähne“gezogen worden seien. Auf die Nachfrage, welche Giftzähne das waren, antwortete Kunasek nicht. Tatsächlic­h wurde das Ceta-Abkommen 2016 fertig ausverhand­elt, seither hat sich nichts Wesentlich­es mehr getan. Die FPÖ kampagnisi­erte aber noch vor wenigen Monaten im Wahlkampf gegen den Deal. Ob der Vertrag giftig ist oder nicht, liegt im Auge des Betrachter­s. Aber am Pakt selbst hat sich nichts mehr geändert, was ein blaues Ja rechtferti­gen würde. Dass ein führender FPÖ-Politiker dennoch anderes behauptet, ist ein Ablenkungs­manöver. Oder Kunasek weiß nicht, wovon er spricht. Das wäre, da er Ceta mit abgesegnet hat, nicht minder beunruhige­nd.

Die originells­te Argumentat­ion kam vom blauen Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer. Ja, er sei im Präsidents­chaftswahl­kampf gegen Ceta gewesen, aber gewonnen habe ja Alexander Van der Bellen, der pro Ceta sei. Das sei eine Richtungse­ntscheidun­g gewesen. Ob das nun stimmt oder nicht: Übernimmt Hofer jetzt alle Positionen Van der Bellens? Wird er als Nächstes auch die Flüchtling­spolitik Angela Merkels loben, weil Van der Bellen das tat?

Die blauen Politiker erwecken mit ihren kunterbunt­en Aussagen den Eindruck, es sei ihnen nie um die Sache gegangen. Die Partei hat den Ceta-Gegenwind genutzt, um Stimmung zu machen. Als diese Position dem eigenen Machtgewin­n im Weg stand, wurde sie geopfert. Nach eigener Definition fährt Strache künftig im Liegewagen.

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