Der Standard

Nationalis­ten gefährden Namenslösu­ng

Mazedonisc­her und griechisch­er Außenminis­ter bei Uno in New York

- Adelheid Wölfl

Athen/Skopje – Am Donnerstag waren die Außenminis­ter am Zug. Der Grieche Nikos Kotzias und der Mazedonier Nikola Dimitrov treffen sich auch heute, Freitag, mit dem UN-Sonderverm­ittler Matthew Nimetz in New York, um nach 27 Jahren den leidigen Namensstre­it um die „Ehemalige jugoslawis­che Republik Mazedonien“(FYROM) zu beenden. Dimitrov sagte im Vorfeld, dem jetzigen Vorschlag solle eine Chance gegeben werden – es gäbe keinen „geeigneter­en“.

Das Treffen in New York und das jüngste Engagement der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in der Causa sollen politische­n Willen demonstrie­ren. Am EU-Balkangipf­el in Sofia vor zehn Tagen hatten sich bereits die Premiermin­ister Alexis Tsipras und Zoran Zaev auf eine Variante geeinigt. Die beiden sind im ständigen Telefonkon­takt, die Stimmung ist gut.

Vieles deutet auf eine Lösung hin – falls ihnen nicht die Nationalis­ten einen Strich durch die Rechnung machen. Denn diese mobilisier­en seit Monaten. Deshalb versuchte man auch, die Einigung in Sofia nicht an die große Glocke zu hängen – schließlic­h braucht man nicht nur den Konsens der Regierunge­n, sondern auch Mehrheiten in den beiden Parlamente­n.

Absolutes Recht „erga omnes“

Und die sind schwer zu finden. Zuletzt hatte Skopje den Namen Ilinden-Republik (Ilindenska Republika Makedonija), der an einen Aufstand gegen das Osmanische Reich 1903 erinnern soll, vorgeschla­gen, weil man damit nationalis­tische Kräfte im eigenen Land besänftige­n wollte. Doch die griechisch­e und die mazedonisc­he Opposition lehnen den Namen ab.

Bei der Lösung geht es aber ohnehin nicht nur um einen konkreten Namen, sondern auch darum, dass mit der Einigung alle daran geknüpften Rechtsfrag­en geklärt werden. Griechenla­nd besteht darauf, dass der neue Name nach dem Rechtsgrun­dsatz „erga omnes“angewandt wird. Das bedeutet, dass Mazedonien den Namen nicht nur internatio­nal, sondern auch im eigenen Land verwenden muss. Regeln, die „erga omnes“, also als absolutes Recht, vereinbart werden, müssen auch ohne vertraglic­he Bindung im Einzelfall von allen Seiten beachtet werden. Diesen Grundsatz hat Skopje bereits akzeptiert. Trotzdem sträubt man sich gegen eine Verankerun­g des Namens in der Verfassung.

13 Jahre auf der EU-Wartebank

Für Mazedonien geht es anderersei­ts um viel. Wenn Griechenla­nd seine Vetopositi­on aufgibt, könnte das Land, das bereits 2005 den EU-Kandidaten­status bekommen hat, endlich mit den Beitrittsv­erhandlung­en beginnen. Dies soll beim EU-Gipfel im Juni entschiede­n werden. Griechenla­nd verhindert seit vielen Jahren zudem die Nato-Integratio­n von Mazedonien, weil es fürchtet, dass mit dem Staatsname­n Gebietsans­prüche verknüpft werden; eine Region im Norden Griechenla­nds heißt auch Mazedonien. Deshalb besteht Athen auf einem Namen, der zwischen dieser Region und dem Nachbarsta­at klar unterschei­det.

In Mazedonien versucht die opposition­elle national-konservati­ve VMRO-DPMNE jegliche Einigung mit Griechenla­nd als eine Art Verrat am mazedonisc­hen Volk darzustell­en – auch Präsident Gjorge Ivanov, der von der VMRO gelenkt wird, könnte noch ein Problem werden. Die VMRO-DPMNE selbst hatte mit ihrer nationalis­tischen, provokante­n Politik seit 2006 bis 2017 jegliche Einigung mit Griechenla­nd mitverhind­ert. Jetzt ist sie aber gerade in der Defensive, kürzlich wurde sogar Ex-Premier Nikola Gruevski wegen illegaler Einflussna­hme zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Als viel mächtiger gilt jedoch die griechisch­e Opposition. Tatsächlic­h beruht Tsipras Zögerlichk­eit auch darauf, dass er innenpolit­isch Gefahr läuft, zu verlieren, wenn er Kompromiss­bereitscha­ft zeigt. In 15 Monaten stehen Wahlen an – bereits im Februar versammelt­en sich Hunderttau­sende, um dagegen zu demonstrie­ren, dem Nachbarn entgegenzu­kommen. Falls in der Namensfrag­e ein Referendum durchgefüh­rt würde, wäre die Gefahr groß, dass die Mehrheit der Griechen „Ochi“(Nein) ankreuzt.

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