Der Standard

Produzent mit Fußfessel: Harvey Weinstein hält sich für unschuldig

Der ehemalige Filmproduz­ent soll jahrelang seine Macht ausgenutzt haben, um Frauen zu missbrauch­en. Nun wurde er wegen Vergewalti­gung und erzwungene­m Oralverkeh­r verhaftet. Damit sind die Ermittlung­en zu den Vorwürfen aber noch lange nicht abgeschlos­sen.

- Bianca Blei

Lange sah es aus, als würde der ehemalige US-Filmmogul Harvey Weinstein niemals vor Gericht landen – obwohl er von mehr als 100 Frauen der Vergewalti­gung und der sexuellen Belästigun­g bezichtigt wird. Es schien, als würden ihn seine Macht und sein Geld vor einem Prozess schützen. Bereits vor drei Jahren hatte eine Frau eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauch­s gegen den Blockbuste­r-Produzente­n erstattet. Die Polizei hatte sein Geständnis nach einer Abhöraktio­n auf Band, wie das US-Magazin The New Yorker schreibt. Dennoch wurden die Ermittlung­en eingestell­t. Diesmal jedoch ist es anders.

Am Freitag stellte sich der 66Jährige der Polizei in New York und wurde verhaftet. Weinstein sollte später am Freitag dem Richter vorgeführt werden. Die Vorwürfe: Er soll eine Frau vergewalti­gt und eine weitere zum Oralsex gezwungen haben.

Eine der beiden Frauen soll Lucia Evans sein, die dem New Yorker bestätigte, dass sie gegen den Produzente­n Anzeige erstattet habe. Sie erzählte dem Magazin und später auch den Ermittlern, wie Weinstein sie 2004 in einer New Yorker Bar ansprach und schließlic­h in sein Büro bei seiner Produktion­sfirma Miramax einlud. Sie glaubte an ein Castingges­präch für eine Filmrolle, wie sie erzählte, doch er habe ihren Kopf zwischen seine Beine gedrückt und sie zum Oralsex gezwungen – obwohl sie sich wiederholt zu wehren versuchte. Anzeige erstatte Evans, weil die Ermittler ihr gesagt hätten: „Würde ich nichts unternehme­n, dann würde Harvey davonkomme­n.“

Wirklich hinter Gitter muss der Produzent aber noch nicht. Bereits im Vorfeld handelte sein Anwalt, Benjamin Brafman, einen Kautionsde­al für seinen Klienten aus: Zehn Millionen Dollar, umgerechne­t 8,5 Millionen Euro, soll Weinstein laut Berichten zahlen, um auf freiem Fuß zu bleiben. Er bekommt eine elektronis­che Fußfessel und muss seinen Pass abgeben. Laut Brafmanbek­ennt sich Weinstein „nicht schuldig“.

Bundesweit­e Ermittlung­en

Bereits seit Herbst führten die Ermittler dutzende Interviews zu den unzähligen Missbrauch­svorwürfen und stellten hunderte Vorladunge­n aus. Nicht nur in New York waren die Behörden aktiv, sondern auch unter anderem in Los Angeles oder London, wo Weinstein Frauen belästigt haben soll. Bei den US-weiten Ermittlung­en wollen die Beamten weitere sexuelle Übergriffe und auch mögliche finanziell­e Vergehen aufdecken. So soll ermittelt werden, wie Weinstein die betroffene­n Frauen später bezahlte, damit sie zu den Missbrauch­sfällen schwiegen.

Laut New York Times soll außerdem geklärt werden, ob und wie der ehemalige Produzent Mitarbeite­r seiner Firma darauf ansetzte, Frauen ausfindig zu machen. Sie sollten zudem Treffen arrangiere­n, bei denen die Frauen belästigt und missbrauch­t wurden. Später sollten sie die Betroffene­n sogar diskrediti­eren, wenn sie ihren Mund nicht hielten.

Viele der Vorwürfe gegen Weinstein sind allerdings bereits laut New Yorker Gesetzesla­ge verjährt. Die Ermittler wollen sich nun ein Schlupfloc­h zunutze machen, wonach die Verjährung­sfrist unterbroch­en wird, wenn sich der Beschuldig­te regelmäßig für längere Zeit außerhalb des Bundesstaa­tes aufgehalte­n hat. Die nun vorgebrach­ten Vorwürfe von Lucia Evans und der anonym bleibenden Frau fallen nicht unter die Verjährung­sfrist, weil „forcible compulsion“, also Zwang eine Rolle spielte. Die Frist für solche Verbrechen wurde 2001 abgeschaff­t.

Debatte unter #MeToo

Nichtsdest­otrotz könnten weitere Frauen in einem Prozess gegen Weinstein aussagen. Wie im Verfahren gegen den Bill Cosby könnte durch ihre Aussagen ein Muster der Taten aufgezeigt werden. Dazu müsste der Richter solche Zeugenauss­agen zulassen.

Die Vorwürfe gegen Weinstein hatten im vergangene­n Herbst eine breite Debatte ausgelöst, wie mächtige Männer ihre Position ausnutzen, um Frauen zu missbrauch­en. Unter dem Hashtag #MeToo sprachen Betroffene von ihren Erlebnisse­n. Im Zuge der Bewegung wurden auch schwere Vorwürfe gegen weitere berühmte Persönlich­keiten und Angestellt­e von großen Unternehme­n laut.

So meldeten sich Betroffene, die von UN-Mitarbeite­rn bei internatio­nalen Einsätzen belästigt wurden oder warfen den Schauspiel­er Kevin Spacey oder Dustin Hoffman Missbrauch vor. Erst am Donnerstag zitierte der US-Sender CNN acht Frauen, die von Morgan Freeman belästigt worden sein sollen.

 ??  ??
 ??  ?? Der 66-jährige Weinstein stritt immer wieder ab, nicht einvernehm­lichen Sex mit Frauen gehabt zu haben.
Der 66-jährige Weinstein stritt immer wieder ab, nicht einvernehm­lichen Sex mit Frauen gehabt zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria