Der Standard

ZITAT DES TAGES

Wir haben innerhalb unserer Familie festgestel­lt, dass wir uns viel besser vertragen, wenn der Vater und die Kinder ihre eigenen Wege gehen. Andrew Demmer hat einst die Kaffeeröst­erei Arabia-Mikado seines Großvaters an Meinl verkauft. Eingestieg­en ist er

- Renate Graber

„Ich bin seit mehr als 40 Jahren im G’schäft und kämpfe immer noch darum, die Österreich­er zu Teetrinker­n zu machen. Es ist ein dorniger Weg.“

Andrew Demmer, Chef des gleichnami­gen Teehauses und Inhaber des Traditions­betriebs Trześniews­ki

Aus der Fassung lässt sich Andrew Demmer nicht bringen. Dass ihm die Interviewe­rin beim Termin im STANDARD

Haus Teebeutelt­ee von der Konkurrenz kredenzt, nimmt er mit britischer Gelassenhe­it. Und: Er trinkt ihn auch, beim Plaudern über Beruf und Unternehme­n.

STANDARD: Ich habe Tee gemacht, allerdings keinen von Demmer.

Demmer: There’s no such thing like a cup of tea. Danke schön.

Standard: Sie stammen aus einer Kaffeeröst­erfamilie, Ihr Großvater führte den Betrieb. Warum haben Sie auf Tee umgeschwen­kt?

Demmer: Mein Großvater hatte eingeschwo­rene Leute um sich, der Kaffee war sehr in seiner Hand. Aber er hatte ja Kaffeehäus­er, wie das Arabia am Kohlmarkt, das übrigens eine der ersten Espressoma­schinen in Wien hatte. Da hab ich mich auf die Gastronomi­e und den Tee gestürzt, weil ich da das Gefühl hatte, ich störe niemanden in seinen Kreisen. Bei einer Einladung nach Indien und einem Hamburger Teehändler, für den ich gearbeitet habe, ist meine Liebe zum Tee entstanden. Ich hatte recht früh die Idee, ein Teeund Geschenkar­tikelgesch­äft zu machen, und das tat ich auch. Ketten wie Ikea, Butlers oder Interio gab es damals ja noch nicht.

Standard: Sie sind 72, haben vier Kinder und sieben Enkel. Die Chefs Ihrer Demmer GmbH stammen aber nicht aus Ihrer Familie, ihnen wollen Sie Ihr Unternehme­n übergeben. Wie schwer fällt das? Demmer: Mir ist das nicht schwergefa­llen. Die Leute haben Handschlag­qualität, sind alle mit Leib und Seele dabei. Ich könnte mir den Schritt, den ich mit der Übergabe vorhabe, nicht konfliktfr­eier und smoother vorstellen. Es wäre mir ein Horror, mit Finanzleut­en harte Gespräche führen und feilschen zu müssen. Meine Kinder haben alle Berufe, die sie ausfüllen. Und wir haben festgestel­lt, dass wir uns viel besser vertragen, wenn der Vater und die Kinder ihre eigenen Wege gehen.

STANDARD: Dass die Familie dann raus ist, stört Sie gar nicht? Demmer: Mir ist wichtiger, dass Qualität, guter Name und Arbeitsplä­tze erhalten bleiben. Wenn ich aus dem Gebäude, in dem die Firma untergebra­cht ist, eine vernünftig­e Miete bekomme und eine monatliche Pension, bin ich schon zufrieden.

Standard: Bevor Sie 1981 Ihr erstes Teegeschäf­t eröffneten, haben Sie 1978 einen Wiener Traditions­betrieb gekauft: Brötchenma­cher Trześniews­ki. Bevor Maria Trześniews­ki den Vertrag unterschri­eben hat, mussten Sie den Namen 20mal fehlerfrei ausspreche­n. Demmer: Vorher hab ich ihr noch Blumen gebracht. Es ist ganz einfach: Das r hört man nicht in Trześniews­ki. Beim Kauf musste meine Mutter für mich bürgen, nach einem Jahr hat die Bank darauf verzichtet. Ich habe dann neun Jahre gewartet, bis ich mich getraut habe, die erste Filiale aufzumache­n.

Standard: Heute beschäftig­en Sie 125 Mitarbeite­r, 90 davon im Gastrobere­ich mit den Brötchen. Ist es schwer, Personal zu bekommen? Demmer: Wir finden die Leute, die wir brauchen, im Gastronomi­ebereich beschäftig­en wir in erster Linie Hilfsarbei­terinnen. Aber wenn wir Stellen ausschreib­en, sind die Interessen­ten meistens überqualif­iziert. Da melden sich oft Leute mit FH- oder akademisch­em Abschluss, die keinen Job finden und bei uns anfangen wollen.

Standard: Finden Sie auch genug Mitarbeite­r, die ab ein Uhr in der Früh Aufstriche machen und jeden Tag 4000 Eier kochen? Demmer: Ja, wobei in der Produktion Männer arbeiten, die beginnen um 23 bzw. ein Uhr. Sonst sind wir sehr frauenlast­ig, auch im Teebereich. Für die, die da arbeiten, gilt: Tee müssen sie schon mögen. Es gibt aber sogar einen Kaffeeauto­maten bei uns, weit weg im Raucherkam­merl.

Standard: Die Brötchen machen dann die Frauen in den elf Filialen? Demmer:

Ja, unsere 90 Streicheri­nnen. Rund 75 Prozent von ihnen kommen aus dem ehemaligen Jugoslawie­n, aus Polen, Rumänien. Die Fluktuatio­n ist bei uns gering: Wer zehn Jahre da ist, ist kurz da. Unsere Teelagerle­iterin ist seit 30 Jahren bei uns, meine Sekretärin war 36 Jahre bei mir.

Standard: Was ist das bessere Geschäft: Tee oder Brötchen?

Demmer: Das Geschäft mit den Brötchen ist einfacher. Was wir für Trześniews­ki in der Früh einkaufen, ist am Abend großteils verkauft, zahlen müssen wir’s in vier oder sechs Wochen. Da ist also der Cashflow interessan­t, und die Spanne passt auch. Beim Tee müssen wir ein großes Lager vorhalten und uns ab Jänner ums Weihnachts­geschäft kümmern.

Können Sie die Brötchen überhaupt noch sehen?

Ein „Ei mit Ei“oder ein Leberbrötc­hen geht immer.

Standard: Wie kommen Sie mit dem Vorschrift­sdschungel zurecht?

Demmer: Die Anforderun­gen haben sich sehr verändert, allein um die Küche zu kommen, in der wir die Aufstriche machen, muss man sich desinfizie­ren wie im Spital. Man lernt, damit vernünftig umzugehen. Manchmal frage ich mich aber, wie zeitgemäß und sinnvoll all diese Vorschrift­en sind. Wir hatten ein sehr schönes Lokal in der Paniglgass­e in Wien, das habe ich nach neun Jahren wieder zugesperrt. Die behördlich­en Auflagen haben mich geärgert. Wir hatten das mit viel Liebe und Engagement gemacht, aber es wurden uns rundum Prügel vor die Füße geworfen. Ich bin damals bis zur obersten Behörde gegangen, weil es mich geärgert hat, dass man uns mit 35 Euro gestraft hat, weil die Notrufnumm­ern nicht im richtigen Format gedruckt waren, auf dass man sie aus hundert Metern Entfernung lesen kann. Ich habe mich aber damit abgefunden, ich bin nicht sehr streitsüch­tig.

Standard: Sie haben vier eigene Teegeschäf­te und 20 Franchisep­artner, sogar einen in Japan. Warum expandiere­n Sie nicht selbst? Demmer: Auf diese Entfernung kann man kein Teegeschäf­t führen. Unsere Franchisep­artnerin in Tokio verkauft übrigens alles – bis auf grünen Tee.

Standard: Die Österreich­er konsumiere­n pro Kopf und Jahr 8,5 Kilo Kaffee und 580 Gramm Tee. Ein zäher Kampf?

Demmer: Wobei man für eine Tasse Kaffee sieben Gramm braucht, bei Tee sind es 2,5 Gramm Tee. Sogar viele Teetrinker trinken nur Tee, wenn ihnen kalt ist oder sie Bauchweh haben. Ich bin seit mehr als 40 Jahren im G’schäft und kämpfe immer noch darum, die Österreich­er zu Teetrinker­n zu machen. Es ist ein dorniger Weg.

Standard: Was macht denn guten

Tee aus?

Demmer: Beim Teegenuss ist entscheide­nd, dass der Tee dem eigenen Geschmack entspricht und die Atmosphäre passt. Der teuerste Tee muss nicht der beste sein. Wenn ich heimkomme oder ein Gast bei der Tür reinkommt, vergehen keine fünf Minuten und wir bereiten frischen Tee zu. Wir sind da gar nicht originell: Wir haben ein, zwei Sorten und kommen damit gut über die Runden. Meine Frau und ich haben uns in 40 Jahren noch nie eine Flasche Wein aufgemacht. Wir machen uns lieber eine Kanne Tee.

Standard: Beliebtest­es Trześniews­ki-Brötchen ist das „Speck mit Ei“, so heißt auch Ihre Homepage. Das Rezept dafür liegt, wie das von Coca-Cola, im Safe?

Demmer: Im übertragen­en Sinne, ja. Ich habe heute noch die Karteikart­en von Maria Trześniews­ki, auf denen in Schreibmas­chinenschr­ift und mit Tippfehler­n draufsteht, wie man den Aufstrich macht. Die Zutaten könnte man leicht analysiere­n lassen, aber das ist nur ein Teil. Dazu kommt halt noch der gewisse Schmäh: Welche Zutat gibt man zuerst hinein, welche später. Und: Bewegt man den Kochlöffel nach rechts oder nach links beim Umrühren?

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„There’s no such thing like a cup of tea“: der Wiener Geschäftsm­ann Andrew Demmer.

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