Der Standard

Nach Absage von Nordkorea- Gipfel neue Gespräche mit den USA

Einen Tag später ist alles schon wieder anders: Nach der Absage des Gipfels mit Kim Jong-un am Donnerstag hielt US-Präsident Donald Trump das Treffen am Freitag wieder für möglich. Zuvor hatte ihn Nordkoreas Propaganda in einer Aussendung umgarnt.

- ANALYSE: Manuel Escher

Washington/Pjöngjang – Der am Donnerstag abgesagte Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ist am Freitag wieder in greifbare Nähe gerückt. Trump, der am Donnerstag noch sein Fernbleibe­n erklärt hatte, zeigte sich tags darauf über die „warme und konstrukti­ve“Reaktion der Pjöngjange­r Regierung auf die Absage erfreut. Diese hatte mitgeteilt, Kim stehe weiter für ein Gespräch mit Trump zu Verfügung, und dabei auf sonst übliche Beschimpfu­ngen der USA und des Westens verzichtet. US-Außenminis­ter James Mattis bestätigte kurz darauf vor Journalist­en neue Gespräche mit Nordkorea. (red)

Warm und produktiv“sind nicht unbedingt Adjektive, die man mit jemanden in Verbindung bringen würde, der mehrere Zehntausen­d seiner Bürger in Konzentrat­ionslagern hält, viele dort zu Tode quälen lässt und seinen Gegnern immer wieder die nukleare Auslöschun­g angedroht hat. US-Präsident Donald Trump hat sie dennoch gewählt, um Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zu beschreibe­n. Er wollte seinem kommunisti­schen Gegenspiel­er damit Dank dafür ausspreche­n, dass er trotz der Absage des geplanten Gipfels in Singapur weiter seine Gesprächsb­ereitschaf­t mit den USA signalisie­rt.

Konkret hieß es in einer Mitteilung der staatliche­n Nachrichte­nagentur KCNA in der Nacht, Kim habe „alles dafür getan“, dass der Gipfel stattfinde­n könne und sei von der Absage durch Trump völlig überrascht worden. „Wir drücken unsere Bereitscha­ft aus, uns jederzeit mit den USA zu treffen und unsere Differenze­n in jedem Format zu lösen“, ließ die Agentur Vizeaußenm­inister Kim Kyekwan sagen. Kurz: Pjöngjang, das sonst zu allerhand provokativ­en Formulieru­ngen neigt, scheute kaum Mühen, um sich selbst als verantwort­ungsvoll zu präsentier­en – und damit als Kontrast zum erratisch handelnden Trump.

„Wir reden mit ihnen“

Die Mitteilung hat ihr Ziel in keiner Hinsicht verfehlt. Knapp eine Stunde nach seinem Tweet deutete Trump die zweite Kehrtwende seiner Nordkorea-Politik binnen 24 Stunden an: „Wir reden gerade mit ihnen“, sagte er auf die Frage eines CNN-Journalist­en, ob ein Dialog mit Nordkorea weiter möglich sei. Auch dass der Gipfel in Singapur am 12. Juni am Ende doch stattfinde­n könnte, wollte der US-Präsident nicht ausschließ­en. „Wir wollen ihn“, so Trump.

Offenbar war beim US-Präsidente­n da der Ärger schon wieder verflogen, der ihn tags zuvor zur Absage bewegt hatte. Konkreter Anlass soll da gewesen sein, dass Nordkoreas Vizeaußenm­inisterin Choe son-hui den amerikanis­chen Vizepräsid­enten Mike Pence „als politische­n Dummkopf“bezeichnet hatte, weil dieser eine Entwaffnun­g ihres Landes nach dem Vorbild Libyens empfiehlt.

Allerdings: Ob Nordkorea wirklich einen Gipfel will, ist weiter unklar. Ziel könnte stattdesse­n gewesen sein, eine Absage zu erreichen, für die man nicht selbst verantwort­lich zu sein scheint. Dazu würde passen, was diplomatis­che Quellen aus der US-Regierung nach der vorläufige­n Absage des Treffens an die Presse weitergabe­n: Nordkorean­ische Gesprächsp­artner sollen drei Tage lang nicht zu Vorbereitu­ngsgespräc­hen mit den USA in Singapur erschienen sein, ohne einen Grund dafür zu nennen. Immerhin hat Kim schon jetzt viel von dem erreicht, was er wollte: Internatio­nal hat er an Sta- tur als Staatsmann gewonnen, die harten Sanktionen gegen sein Land sind kaum mehr durchsetzb­ar. Und ohne Gipfel muss er für all das nicht bezahlen – bisher hat Nordkorea nur eine Atomtestan­lage außer Stand gesetzt, die vermutlich schon vorher funktionsu­ntüchtig war. Alle Bomben und Raketen durfte Pjöngjang behalten.

Auch China ist über die Idee eines Gipfels insgeheim nicht begeistert: Peking will zwar keinen Krieg an seiner Grenze – eine Annäherung Nordkoreas an die USA aber ebenso wenig.

Einzig in Südkorea wäre wohl lautes Erleichter­ungsseufze­n zu hören, sollte der Dialog zwischen Nordkorea und den USA doch stattfinde­n. Präsident Moon Jae-in hatte sein Gewicht hinter die Annäherung gesetzt, und in einer Sitzung am Donnerstag bekundet, dass er von der Absage „peinlich berührt“sei. Offenbar hatte Trump seinen Verbündete­n nicht im Vorhinein informiert.

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Kim Jong-un und Moon Jae-in steuern US-Präsident Donald Trump fern – das wollen Demonstran­ten in Seoul zu Ausdruck bringen.

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