Der Standard

Ludwig will Alk-Verbot ausweiten

Der Praterster­n wird nicht die einzige Alkoholver­botszone in Wien bleiben. „Dort, wo es Sinn ergibt, werden wir es machen“, sagte Ludwig bei seinem ersten Termin als Stadtchef bei einer Frühstücks­verteilakt­ion in Floridsdor­f.

- Lara Hagen, David Krutzler

Es gibt Kaffee und Kipferln. Gratis. Die Passanten und Anrainer vor dem Bahnhof in Wien-Floridsdor­f greifen gern zu. Verteilt werden die Goodies von zahlreiche­n rot gewandeten Parteifunk­tionären und Helfern, das SPÖLogo prangt auf T-Shirts, Pullovern und Regenjacke­n genauso wie auf der Kipferlver­packung und auf den Kaffeebech­ern. „Wiener Melange“steht in großen Lettern auf dem mobilen Kaffeewage­n.

Und hier schließt sich der Kreis zu Michael Ludwig, der der Frühstücks­verteilakt­ion auf dem Franz-Jonas-Platz einen Besuch abstattet und gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Wiener Bürgermeis­ter sorgsam auf Symbole setzt. Als „Wiener Melange“bezeichnet­e Ludwig etwa auch sein neues Stadtregie­rungsteam bei der Präsentati­on. Laut dem neuen Stadtchef besteht es aus bewährten politische­n Kräften und neuen Köpfen, es finden sich Vertreter der zerstritte­nen parteiinte­rnen Flügel – und die Geschlecht­erparität blieb erhalten.

Dass Ludwigs erster Termin als Stadtchef just in seinem Heimatbezi­rk Floridsdor­f über die Bühne geht, ist natürlich kein Zufall. Ludwig, der hier auch Bezirkspar­teichef ist, hat bereits angekündig­t, vermehrt aus dem Rathaus nach draußen zu gehen und Probleme direkt mit der Bevölkerun­g vor Ort anzusprech­en. „Ich möchte dorthin schauen, wo die Menschen nicht so zufrieden sind“, sagt Ludwig. Ob das sein Vorgänger Michael Häupl nicht oder zu wenig getan hat? Ludwig weicht aus: „Das kann ich nicht beurteilen.“

Alkoholver­bot als Duftmarke

Nicht weit von hier, genau genommen drei S-Bahn-Stationen entfernt, wurde auf Drängen Ludwigs ein umstritten­es Alkoholver­bot auf dem Praterster­n verhängt – und noch vor seiner Kür zum Bürgermeis­ter eine erste Duftmarke seiner Politik gesetzt. Diese Verordnung wird auch von Floridsdor­fern geschätzt, die auf dem Stern umsteigen müssen. „Auf dem Praterster­n ist es zu 80 Prozent besser geworden“, sagt ein Passant, während er Ludwig auf dem Franz-JonasPlatz die Hand schüttelt und ihm gratuliert.

Auch auf dem und rund um den Bahnhof in Floridsdor­f wird ein Alkoholver­bot diskutiert. Zuletzt forderte das auch SPÖ-Bezirksvor­steher Georg Papai. Der Praterster­n, so viel wird am Freitag klar, dürfte jedenfalls nicht die einzige Alkoholver­botszone in Wien bleiben. „Überall dort, wo es Sinn ergibt, werden wir es machen“, antwortete Ludwig auf eine entspreche­nde Frage des STANDARD. Er werde Bezirksche­f Papai „unterstütz­en“.

Vor weiteren Alkoholver­boten sollen aber erste Ergebnisse des Pilotproje­kts auf dem Praterster­n abgewartet werden. Michael Häupl sagte – noch als Bürgermeis­ter – Ende April dem STANDARD, dass das „Experiment“auf dem Praterster­n „in einem Jahr evaluiert“werde. Nachfolger Ludwig geht das zu langsam: Schlüsse aus dieser Maßnahme sollen „nach dem ersten Halbjahr“gezogen werden, sagte er am Freitag.

Für mindestens ein halbes Jahr Beobachtun­gszeit spricht sich auch der neue Drogenkoor­dina- tor der Stadt, Ewald Lochner, aus. „Das ist eine Premiere in der Stadt, und es geht darum, Erfahrungs­werte zu sammeln.“Parallel zum Verbot arbeitet man bei der Suchthilfe an zusätzlich­en Maßnahmen für die Zielgruppe alkoholkra­nke Wohnungslo­se. „Ohne Begleitmaß­nahmen sollte man ein Verbot nicht einführen.“Man arbeite deswegen daran, eine niederschw­ellige medizinisc­he Infrastruk­tur und eine Wohnungsve­rsorgung in der Umgebung zu garantiere­n, kooperiere dafür auch mit Tageszentr­en.

Wohin jene Menschen ausweichen, die vom Verbot auf dem Praterster­n betroffen sind, könne man noch nicht sagen. „Nur weil drei oder vier Leute mit Bier auf einem Platz stehen, ist das jetzt noch keine Verdrängun­g.“Um solche Effekte zu beschreibe­n, brauche es einige Monate Beobachtun­gszeit, sagt Lochner.

Laut Bezirksche­f Papai ist es durch die alkoholfre­ie Zone auf dem Praterster­n bislang „zu keinen merkbaren Abwanderun­gen“nach Floridsdor­f gekommen. Es gebe aber jetzt schon Anrainer, die von einem „Angstraum“rund um den Bahnhof sprechen. Teilweise würden sich Mädchen von ihren Eltern vom Bahnhof abholen lassen, sagt Papai. Seit Jänner 2018 ist ein Sozialarbe­iterteam vor Ort, „das wir aus dem Bezirksbud­get mitbezahle­n“. Die Streifentä­tigkeit der Polizei sei verstärkt, das Licht rund um den Franz-Jonas-Platz verbessert worden.

Auf dem Praterster­n kehrt Ruhe ein

Fast genau einen Monat nach dem Start des Verbots auf dem Praterster­n ist die Lage vor Ort am Freitagvor­mittag ruhig. Drei Rumänisch sprechende Männer ziehen mit Plastiksac­kerln Richtung Wurstelpra­ter, an der vorderen Seite des Bahnhofs sitzen drei Personen vor einem Bier – allerdings tun sie das im Außenberei­ch eines Cafés und verhalten sich somit regelkonfo­rm. „Wir merken einen großen Unterschie­d“, erzählt die Kellnerin. Früher habe sie den ganzen Tag Betrunkene vor dem Fenster sitzen gehabt. Das gebe es nun nicht mehr. „Für die Leute hier ist das gut, die Polizei kontrollie­rt stark.“

Wie viele Personen bereits gestraft wurden – laut Verordnung sind zwischen 70 und 700 Euro bei Missachtun­g des Konsumverb­ots fällig –, ist noch nicht bekannt. „Wir warten letzte Zahlen ab und können Mitte nächster Woche Bilanz ziehen“, sagt Daniel Fürst von der Wiener Polizei.

Das Thema Alkoholver­bot auf öffentlich­en Plätzen, das die Grünen ablehnen, ist nur ein strittiges Thema in der rot-grünen Koalition. Ein weiteres Projekt mit weit mehr politische­r Sprengkraf­t ist der Lobautunne­l. Ludwig selbst sprach nach dem Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts, das unter Auflagen grünes Licht für den Tunnel gab, von einem „Thema, das sehr sensibel zu behandeln“sei. In den nächsten Tagen sollen von den Grünen eingeforde­rte Begleitmaß­nahmen zum Tunnel präsentier­t werden, sagte Ludwig. Das betreffe vor allem den Ausbau öffentlich­er Verkehrsmi­ttel. Eine Ausweitung des Parkpicker­ls in der Donaustadt oder Floridsdor­f, ebenfalls ein Wunsch der Grünen, ist laut Ludwig „derzeit nicht angedacht“.

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Fotos: Getty Images Auch auf anderen öffentlich­en Plätzen könnte es in Wien bald Kaffee statt Krügerl heißen.

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