Finanz auf Schwarzgeldjagd
Die Steuerrückstände machen fast acht Milliarden Euro aus. Beim Gros der Fälle kommt die Finanz den Steuerschuldnern entgegen.
Manchmal begeben sich Finanzbeamte auf eine Gratwanderung. Ist eine Firma oder eine Privatperson wirtschaftlich in der Klemme, kann die vom Gesetz verlangte Strenge in der Steuereintreibung kontraproduktiv sein. Eine sofortige Eintreibung einer Steuerschuld droht, dem angeschlagenen Betrieb den Rest zu geben – dann hat in der Regel auch die Finanz nichts von ihrer Härte. Wie gehen Steuerprüfer mit diesem Zielkonflikt um, wann lassen sie Gnade walten, wann nicht?
Die Frage ist auch im Zusammenhang mit der Kassenreform aufgetaucht, bei der ursprünglich eine Einhebung der Sozialbeiträge durch die Finanz diskutiert wurde. Der Einwand der Kassen: Sie treiben die Abgaben effizienter – somit wohl auch strenger – ein, lautet deren Argument. Der Rechnungshof wiederum meint, die Finanzämter würden zu viele Forderungen mitschleppen, obwohl sie gar nicht werthaltig seien. Er riet zur forcierten Löschung von Altfällen aus den Rückständen.
Auch wenn die Strenge der Prüfer nicht pauschal bewertet werden kann, ermöglicht neues Datenmaterial des Finanzministeriums doch eine gewisse Annäherung. Das Ressort wurde vom SPAbgeordneten Markus Vogl zu den Steuerrückständen, Aussetzungen und Abschreibungen von Forderungen befragt. Finanzminister Hartwig Löger hat recht umfassend geantwortet. Die Steuerrückstände sind im Vorjahr auf 7,97 Milliarden Euro etwas gesunken, 2016 lag der Stand noch bei 8,11 Milliarden Euro.
Doch bei mehr als der Hälfte dieser Forderungen sind die Aussichten auf Einbringlichkeit beschränkt. 3,48 Milliarden Euro macht die Summe aus, bei der kein Entgegenkommen erfolgt ist. Der größere Brocken der Rückstände betrifft Fälle, in denen die Einhebung ausgesetzt wird. Ein Beispiel wäre eine Steuerschuld, die im Rahmen einer Betriebsprüfung entsteht, die der Betrieb aber nicht zahlen kann. In dieser Kategorie wartet der Fiskus auf die Zahlung von 1,82 Milliarden Euro. Die zweite Kategorie betrifft Fälle, bei denen die laufende Begleichung offener Rechnungen von der Finanz ausgesetzt wird. In dieser Sparte stehen 1,44 Milliarden Euro aus, wobei jeweils die Forderungen bei insolventen Betrieben und Personen nicht eingerechnet sind.
Eine Unterscheidung nach Abgabenarten zeigt, dass bei der Umsatzsteuer mit 2,7 Milliarden die höchsten Rückstände bestehen. Dahinter rangieren Einkommenund Körperschaftsteuer.
Aus dem Schneider sind die Steuerschuldner nicht so schnell. Nachsichten und Löschungen gab es im Vorjahr „nur“bei einem Volumen von 556,8 Millionen Euro. Auch dabei dominierte die Umsatzsteuer.
3874-mal gestraft
In der parlamentarischen Anfragebeantwortung wird auch auf die „Einnahmen“aus Finanzstrafverfahren Bezug genommen. Im Vorjahr wurden in 8674 Fällen Strafen in Höhe von 81,4 Millionen Euro verhängt. Auf die Frage nach den dabei hinterzogenen Summen gab Löger allerdings keine Antwort: Ein zu hoher Aufwand mangels Vorliegen elektronisch auswertbarer Daten, wird als Begründung genannt. Auch bei den Selbstanzeigen hält sich das Ministerium bedeckt. Nur die Zahl – 7239 Verfahren – gibt Löger bekannt, nicht aber das Volumen der verkürzten Abgaben. Dabei gibt es auch einen Hinweis darauf, dass die Selbstanzeigen recht vollständig sein dürften. Die reuigen Steuersünder mussten in Summe nur 3,8 Millionen auf die Nachzahlung des hinterzogenen Betrags drauflegen.