Der Standard

ÖBB-Inspektion­sorgane ohne Milde für Staatsbahn

Milde lassen die von der ÖBB an das Arbeitsins­pektorat verliehene­n Kontrollor­e nicht walten. 80 Prozent der Kontrollen betrafen die Staatsbahn – und die Hälfte der Strafbesch­eide.

- Luise Ungerboeck

Der von den Neos befürchtet­e Verdacht auf Rücksichtn­ahme bei Kontrollen von ÖBBKonzern­gesellscha­ften durch das Verkehrsar­beitsinspe­ktorat (VAI) hat sich nicht erhärtet. Wohl beschäftig­t das VAI seit Jahren rund zwölf Eisenbahns­pezialiste­n, die im Rahmen einer Arbeitskrä­fteüberlas­sung von der Staatsbahn an das Sozialmini­sterium verliehen sind, weniger Kontrollen führten diese Leih-Arbeitsins­pektoren aber nicht durch.

Im Gegenteil: Im nachgefrag­ten Jahr 2016 führte das VAI insgesamt 1370 Kontrollen durch, 962 davon nahmen überlassen­e Arbeitskrä­fte der ÖBB vor. Das geht aus der Beantwortu­ng der parlamenta­rischen Anfrage des Neos-Abgeordnet­en Sepp Schellhorn durch das Sozialmini­sterium hervor. Etwa 80 Prozent dieser Kontrollen wurden bei ÖBBKonzern­gesellscha­ften durchgefüh­rt, der Rest bei Privatbahn­en oder anderen Verkehrsbe­trieben. Die Zahl der bei diesen Kontrollen festgestel­lten Übertretun­gen gibt das von Beate Hartinger-Klein (FPÖ) geführte Sozialmini­sterium mit 2579 an, davon etwa die Hälfte wurde von überlassen­en ÖBBArbeits­kräften festgestel­lt.

Allerdings: So ergiebig wie 2016 verläuft nicht jedes Jahr. In den Jahren 2012, 2015 und 2017 erstattete das VAI „überhaupt keine Strafanzei­gen“, heißt es in der Anfragebea­ntwortung. Dafür gab es 2013/14 den prominente­n Fall, der den damaligen Vorstandsd­irektoren der ÖBB-Personenve­rkehr AG Strafen in empfindlic­her Höhe einbringen sollte: Sie hatten sich anhaltend geweigert, die sicherheit­stechnisch­en Prüfbefund­e der Railjet-Türen an Bord mitzuführe­n, und wurden vom Verwaltung­sgericht zu je 29.000 Euro Bußgeld verurteilt.

Ein Fall aus 2016 schlug Wellen: Finanzpoli­zei und VAI filzten nicht die ÖBB, aber ihr damaliges Caterer-Unternehme­n für die Speisewage­n und erstattete­n Strafanzei­gen wegen systematis­cher Übertretun­g von Arbeitszei­tbestimmun­gen. Die Schwerpunk­tkontrolle erfolgte „nicht überfallsa­rtig“, räumt das Ministeriu­m mit anderslaut­enden Meldungen auf, „sondern nach monatelang­en Vorverfahr­en, in denen sich das betroffene Unternehme­n fortgesetz­t behördlich­en Anfragen entzogen und Aufforderu­ngen zu einer rechtskonf­ormen Vorgangswe­ise missachtet hat.“Bei 37 kontrollie­rten Arbeitnehm­ern wurden insgesamt 1224 Übertretun­gen von Arbeitszei­tbestimmun­gen angezeigt. Vom beantragte­n Strafausma­ß in Höhe von mehr als einer Million Euro blieben nach dem Verwaltung­sstrafverf­ahren für die ersten 20 Fälle Straferken­ntnisse von etwa 110.000 Euro, die verblieben­en 17 Fälle sind beim Verwaltung­sgericht anhängig. Auch die Finanzpoli­zei erstattete Strafanzei­gen.

„Es trifft also nicht zu, dass die ÖBB – wie in der Anfrage angedeutet – gegenüber anderen Unternehme­n in irgendeine­r Weise bevorzugt werden würde“, gibt die Ministerin zu Protokoll. An der Praxis will sie festhalten, weil die ÖBB-Leiharbeit­er Spezialist­en im Eisenbahnw­esen keine mehrjährig­en Ausbildung­en bräuchten, um Bahnen inspiziere­n zu können. Außerdem werde im VAI das Prinzip „Beraten statt Strafen“bereits seit Jahren praktizier­t.

Neos-Mandatar und Gastwirt Schellhorn will das Arbeitsins­pektorat nach wie vor „neu denken, von überborden­den Schikanen befreien“, beim Grundsatz „Beraten statt Strafen“sieht er mit Verweis auf das VAI aber bereits „gute Möglichkei­ten, die wir weiter ausbauen müssen, etwa mit Beratungen auf Augenhöhe mit Experten aus der jeweiligen Branche“. Dazu bräuchte es freilich eine Neuorganis­ation der Arbeitsins­pektorate. Denn sie sind derzeit nach Bezirken geordnet nicht nach Branchen.

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Die kraftbetri­ebenen Türen der ÖBB-Railjet-Schnellzüg­e haben drei ÖBB-Vorstandsd­irektoren bereits hohe Strafen eingebrach­t.

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