Heiteres Gartenfest der Töne
Der künstlerische Leiter der Styriarte, Mathis Huber, inszeniert heuer opulente Feste der Kunst. Zugleich will seine Styriarte unter dem Titel „Felix Austria“auch zur Offenheit gegenüber dem „Fremden“mahnen.
STANDARD: Seit 1985 ist die Styriarte mit Nikolaus Harnoncourt verbunden. 2016 ist der Dirigent verstorben. Inwieweit musste sich das Festival seither neu erfinden?
Huber: Es ist der Wesenskern von Festivals, sich stets neu zu erfinden. Sie sind ja dazu da, die Botschaften der Kunst an das jeweils neue Publikum mit seinen neuen Lebens-, Hör- und Seherfahrungen heranzutragen. Unser Publikum ist nicht das von 2008. Es sind teils dieselben Leute, aber sie hören die Welt anders als damals. Auch Harnoncourt hat sich verändert. Und er hat gesagt, man würde in dreißig Jahren über seine Art, Musik zu machen, lachen, wie man zu seiner Zeit über die Ansichten der Ära Karajan gelacht hat. Ich glaube zwar, dass er hier nicht recht hatte, da er die Musikwelt der letzten Jahrhunderte nachhaltig auf den Kopf gestellt hat. Ich meine unseren Blick auf diese Welt. Das scheint mir irreversibel, aber seine Ideen werden natürlich weiterentwickelt werden.
STANDARD: Was bleibt vom Geist Harnoncourts erhalten?
Huber: Das Zeitlose an Harnoncourt werden vielleicht gar nicht seine Antworten sein. Da wird er recht haben, dass die zeitgebunden sind. Zeitlos aber bleibt seine fundamental dialektische Herangehensweise an das, was Komponisten ihren Zuhörern erzählen wollten. Und wie man das heutigen Zuhörern erzählt. Auch die Überzeugung, dass das existenziell ist und kein Sahnehäubchen. Wenn wir das weitertragen, dann bleibt sein Geist sozusagen in der Welt. Ich glaube ja etwa, dass unser neuer Festivalschwerpunkt, die Wiedererschaffung der Opern von Johann Joseph Fux, von Harnoncourt inspiriert ist.
STANDARD: Sie haben diesen Schwerpunkt Fux.Opernfest getauft. Was für ein Fest wird das?
Huber: Genau das wird es, ein Fest, eine Party, eine sehr heitere Veranstaltung mit Essen und Trinken und Flanieren im Garten. Und in der Mitte die älteste erhaltene Oper von Fux, Julo Ascanio aus 1708. Jetzt ist einmal klar, dass wir dieser Partitur gar nicht nähertreten könnten, hätte uns Harnon- court nicht vorgemacht, wie man aus dem Skelett einer Notenhandschrift ein blutvolles Kunsttier werden lässt. Aber jetzt müssen wir weitergehen: Dieses Tier fühlt sich in den bürgerlichen Musentempeln nicht wohl, dafür ist es nicht gemacht. Wir müssen ihm noch den Lebensraum erschaffen, in dem es Eleganz und Leidenschaft entfalten kann. Das ist genau der Lebensraum, für den Fux sein Stück berechnet hat, ein Fest, eine Gala. Da wird nicht anstrengende Hörarbeit vom Publikum erwartet. Es wird eine Stimmung erzeugt, in der man sich der Kunst vergnüglich öffnet und damit möglich macht, dass sie uns verändert. Das ist in Bezug auf die Musik von Fux Aufführungspraxis 2.0. Ganz abgesehen davon, dass es Spaß macht.
STANDARD: Und warum Fux?
Huber: Für ein steirisches Festival liegt es auf der Hand, den Blick auf einen der bedeutendsten Söhne des Landes zu werfen, der eine atemberaubende Karriere gemacht hat – vom Bauernbuben aus dem Grazer Hügelland zum Musikchef des Wiener Kaiserhofes.
STANDARD: Welchen vertrauten Protagonisten begegnet man?
Huber: Unser Opernprojekt gestaltet auf der Musikseite wie einst, 1708 in der Hofburg, ein sehr italienisches Ensemble rund um Maestro Alfredo Bernardini. Natürlich besucht uns Jordi Savall mit seinen Ensembles, auch arbeitet der Concentus Musicus mit Stefan Gottfried ebenso wie mit Andrés Orozco-Estrada für uns. Peter Simonischek liest aus Joseph Roths
Radetzkymarsch, Karl Markovics aus Herzmanovsky-Orlandos Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter, Johannes Silberschneider liest Rosegger, immer eingebettet in Musik. Also alles vertraut und doch alles neu.
STANDARD: Was ist der Kommentar zum 100-Jahr-Jubiläum der Republik?
Huber: Unser Festival trägt den Titel „Felix Austria“. Der ist keine republikanische Erfindung, sondern weist in Österreichs Geschichte zurück, wo die Musik herkommt, die wir umsetzen. Aber der Titel feiert besonders das Glück, in dieser Republik leben zu können, in Frieden, Freiheit und Wohlstand, unter Schätzen von Kultur. Und das Programm wird erzählen, dass Frieden und Freiheit nicht naturgesetzlich sind, sondern verletzliche Güter, die wir immer neu verdienen müssen. Und unser Programm wird auch nicht unterlassen zu erzählen, dass unser kultureller Reichtum immer von der Neugier und der Offenheit dem „Fremden“gegenüber genährt worden ist.