Der Standard

Die neue Gereizthei­t des Sebastian Kurz

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Sebastian Kurz wurde ein kleines bisschen fuchtig. Wenn Corinna Milborn auf Puls 4 eine völlig berechtigt­e Frage stellen wollte, etwa wo er sich zwischen Merkel und Orbán einordne, fuhr er ihr über den Mund. So nach dem Motto: Was wissen denn Sie! Später verfiel er noch mehrfach in den belehrendu­ngeduldige­n V Tonfall. ermutung: Bisher hatte alles perfekt funktionie­rt. Die ÖVP übernehmen und sich untertan machen; Kanzler Kern ausmanövri­eren und Neuwahlen durchsetze­n; einen perfekt gestylten Wahlkampf führen; nach dem Wahlsieg mit der hingabeber­eiten FPÖ eine Koalition schmieden; in das eigene Regierungs­team Leute setzen, die keine Hausmacht und keine Regierungs­erfahrung haben und von Kurz völlig abhängig sind; die „SebastianK­urz-Gebetsliga“in Krone und Österreich mit segnender Hand füttern; den nach rechts wehenden Zeitgeist mit perfekt passenden Slogans („Zuwanderun­g kontrollie­ren“, „schlanken Staat schaffen“, „Leistung muss sich lohnen“) einfangen.

Aber jetzt geht es um konkretes Regieren. Die Regierung ist mutig, das muss man ihr lassen, und will eines der größten Probleme zügig angehen: die Sozialvers­icherung, konkret die Krankenkas­sen. Das ist aber ein ungeheuer komplizier­tes System.

Die türkis-blaue Regierung will dieses System „reformiere­n“. Das wäre auch notwendig, aber Kurz und Co wollen es eher zerschlage­n, auf jeden Fall kapern. Und dabei stoßen sie auf riesige sachliche Probleme, mit denen sie sich jetzt konfrontie­rt sehen. Nur stichworta­rtig: Die Regierung will das System zentralisi­eren. Aus neun Länderkass­en eine Bundeskass­e machen. Gut, jetzt soll es über den neun Länderkass­en eine zehnte oben drüber geben. Die hat die Budgethohe­it, sagt Kurz. Aber überhaupt nicht, die bleibt bei den Ländern, sagt der Tiroler Landesfürs­t Platter. Doch!, sagt Kurz. Hier halten wir.

Es gibt aber auch 21 verschiede­ne Sozialvers­icherungst­räger, sie sollen auf fünf zusammenge­legt werden. Etwa die SV der Selbststän­digen mit der der Bauern. Aber all diese Kassen haben unterschie­dliche Leistungen und auch Bedingunge­n (z. B. Selbstbeha­lte). Will man nach unten oder nach oben anpassen? Eher nach oben, sagt die Regierung. Aber das kostet. Wie soll man da eine Milliarde einsparen? Durch Hinauswurf all dieser unnützen Funktionär­e, sagt die Koalition. Doch da kommen höchstens ein paar Dutzend Millionen zusammen. Völlig unbehellig­t bleiben übrigens die feinen, kleinen Versicheru­ngssysteme der Beamten, die wesentlich bessere Leistungen als die anderen erhalten.

„Wir sparen im System und nicht bei den Menschen.“Wieder so ein Kurz-Slogan. Aber das „System“besteht hauptsächl­ich aus Menschen. Sparen im System geht schon, indem man Doppelglei­sigkeiten beseitigt. Aber wirkliche Beträge kommen nur auf die eine oder die andere Weise zustande: Leistungsk­ürzung oder Beitragser­höhung. Das wird den Österreich­ern nicht schmecken. K urz muss das vorher gewusst haben. Aber vielleicht wird es ihm erst jetzt richtig bewusst. hans.rauscher@derStandar­d.at

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