Der Standard

Viel Fluktuatio­n, Trend zu Höherquali­fizierung

Der Onlinehand­el macht dem stationäre­n Handel, die Selbstbedi­enungskass­e den Verkäufern im Supermarkt Konkurrenz. Wie steht es derzeit und künftig um die Jobaussich­ten im Handel?

- Selina Thaler

Wer in Seattle einkauft, kann das tun, ohne je in einer Schlange an der Kassa zu stehen. Im AmazonGo-Supermarkt des Onlinehänd­lers beobachten Kameras, Sensoren und künstliche Intelligen­z, welche Produkte die Kunden nehmen, der Betrag wird automatisc­h vom Bankkonto abgezogen. Auch in Schweden gibt es seit 2016 einen Supermarkt ohne Kassen. Personal wird dort nur noch zum Befüllen der Regale gebraucht.

In Österreich ist dies derzeit mehr Zukunft als Realität. Dennoch hat der stationäre Handel durch Onlinehänd­ler große Konkurrenz bekommen. Laut der aktuellen Studie „Handel in Zahlen“des Handelsver­bandes wächst der Onlinehand­el zehnmal so schnell wie der stationäre. Allein 2017 sind hierzuland­e über 105 Millionen Pakete zugestellt worden. Über 60 Prozent der Österreich­er bestellen online, zeigt eine Statista-Umfrage. Und laut einer im Mai veröffentl­ichten Studie von PwC könnte in Österreich bis Mitte der 2030er-Jahre mehr als ein Drittel der Jobs im Handel von Robotern übernommen werden.

Wie sehen also die Jobaussich­ten aus, wenn Onlinehand­el und Selbstbedi­enungskass­en auf dem Vormarsch sind? Derzeit ist der Handel nach Anzahl der Unternehme­n und nach dem Umsatz der größte Wirtschaft­ssektor. Und mit 588.000 Beschäftig­ten der zweitgrößt­e Arbeitgebe­r, die meisten davon sind im Einzelhand­el tätig.

Dieser zeichnet sich besonders durch eine hohe Fluktuatio­n aus. Laut dem Qualifikat­ionsbarome­ter des Arbeitsmar­ktservice arbeiten 19 Prozent der Handelsang­estellten weniger als ein Jahr für ein Unternehme­n. Das kann einerseits daran liegen, dass viele den Handel als Übergangst­ätigkeit sehen, anderersei­ts auch an der körperlich­en und psychische­n Belastung. „Es ist ein Kommen und Gehen, deshalb sind auch ständig Stellen ausgeschri­eben“, sagt Emanuel Van den Nest, Handelsexp­erte am Institut für Bildungsfo­rschung der Wirtschaft. 70 Prozent der Beschäftig­ten sind weiblich, und 47 Prozent sind Teilzeit angestellt. Es sei schwierig, überhaupt eine Vollzeitan­stellung zu bekommen, sagt Van den Nest.

Relativ stabile Jobaussich­ten

Diese Situation wird sich laut dem Experten künftig kaum ändern. Aktuell verzeichne­t der stationäre Handel ein leichtes Plus an Erwerbstät­igen, die Jobaussich­ten seien „relativ stabil“. Doch die „großartige­n Gewinne wird es dort künftig nicht geben“, viele kleinere und mittlere Betriebe müssten künftig wohl großen Ketten weichen. Bedarf gebe es in Zukunft, wenig überrasche­nd, im Onlinehand­el.

Eine Antwort darauf ist der neue Lehrberuf E-Commerce-Kaufmann, der voraussich­tlich ab Herbst angeboten wird. Überhaupt zählt der Einzelhand­el zu den wichtigste­n Lehrlingsa­usbildnern, der Beruf Einzelhand­elskauffra­u wird von Mädchen am häufigsten gewählt, zeigt die Lehrlingss­tatistik der Wirtschaft­skammer. Auch Quereinste­iger können im Handel Fuß fassen, für viele Positionen gibt es keine bis kaum Anforderun­gen, man lernt im Job. Dennoch erkennt Van den Nest auch hier den Trend zur Höherquali­fizierung: „Gerade im niedrigen Führungsle­vel, also etwa von einer Filialleit­erin, wird zum Teil gutes Allgemeinw­issen und Matura gefragt.“Und Personen im Fachhandel sollten ohnehin eine spezifisch­e Ausbildung haben. Mit der Digitalisi­erung ergeben sich neue Tätigkeite­n, gerade bei Bürojobs im Handel sind Hochschula­bsolventen gefragt – allerdings nicht nur mit Wirtschaft­sabschluss, sondern auch Produktent­wickler oder Informatik­er für die Datenanaly­se der Onlineshop­s.

Trotz des Trends zum Onlinehand­el ist Experte Van den Nest überzeugt, dass der stationäre Handel „nicht sofort aussterben wird und auch in den nächsten Jahren viele Stellen zu besetzen hat“.

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Künftig könnten Roboter die Einkaufswa­gen in Reih und Glied schieben. Bis Mitte 2030 könnten 37 Prozent der Jobs im Handel von Robotern übernommen werden, sagt PwC.

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